Geri Schnell

Das verschwundene Schiff


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Tische verteilt. Sie tragen feinste Abendgarderobe, ein wahrer Augenschmaus.

      Nach dem Hauptgang ist wieder die Band gefordert. Sie spielt nochmals einen Wienerwalzer, den Reto mit Clementine geniesst. Als sich die Paare wieder an die Tische begeben, übernimmt ein älterer Herr das Mikrofon.

      «Ich bin Benny und werde euch durch den heutigen Abend führen, es wird sicher noch die eine oder andere Überraschung geben, aber ich denke, ich kann auf euch alle zählen, nach so einem guten Essen werden jetzt einige von euch gefordert, ich werde gleich beginnen», eine Bikinischönheit geht auf ihn zu und hält ihm ein kleines Säckchen hin.

      «Ich werde jetzt ein Namen aus der Gästeliste ziehen, diese Person wird ihnen etwas aus seinem Leben erzählen! Bitte nicht erzählen, wie sie die Steuerrechnung immer bezahlt haben, so gibt es keine Belohnung. Wir sind hier unter uns, wir wollen etwas lernen, wie man sich Vorteile erschaffen kann. Nur mit solchen Geschichten kann man eine tolle Belohnung erwarten.»

      Er zieht eine Nummer aus dem Sack und schaut, welche Nummer er gezogen hat.

      «Wir beginnen mit Kay vom Tisch Nummer fünf!», er fordert das Publikum zu Applaus auf, «Kay wird jetzt eine Geschichte aus seinem Leben erzählen, je offener und delikater die Geschichte ist, um so spannender wird seine Belohnung ausfallen, also los, die Bühne gehört Kay!»

      Nun beginnt Kay, ein gross gewachsener Engländer, aus seinem Leben zu erzählen. Stolz erzählt er, wie er schon während seinem Praktikum in einer Grossfirma in London, zwei Millionen Pfund auf sein Konto abzweigen konnte, ohne dass es jemand gemerkt hatte, zumindest nicht, solange er in der Firma arbeitete. Später erfuhr er aus der Zeitung, dass der Buchhalter wegen Veruntreuung von eben dieser Summe, zu mehreren Monaten Haft verurteilt wurde, obwohl er standhaft seine Unschuld beteuerte. Seine Unterschrift auf den irrtümlich geleisteten Zahlungen, liess sich nicht aus der Welt schaffen. Noch heute geht die Polizei davon aus, dass er sich das Geld auf ein sicheres Konto abgezweigt hatte und beobachtet argwöhnisch seinen Zahlungsverkehr. Dies weiss ich von meiner zuverlässigen Informationsquelle bei der Polizei. Mit dem Geld legte Kay den Grundstein zu seinem kleinen Imperium, welches ihm vier Hotels, drei Puffs und einige dubiose Kneipen im Milieu eingebracht haben. Wie viele Lokale es zurzeit sind, weiss er selber nicht so genau, das ändert ständig. «Eines ist aber sicher, es kommt eine Menge Kohle rein», schliesst Kay seinen Vortrag.

      Sein breites Grinsen bestätigt seine unsympathische Geschichte.

      «Nicht besonders sympathisch, dieser Herr», meint Clementine.

      Mit einem kurzen Kopfnicken bestätige Reto ihre Meinung, er will aber eine grössere Diskussion vermeiden, die bringt nichts. Trotzdem ist er erfreut, dass Clementine noch ein gesundes Verständnis für die Gerechtigkeit hat.

      «Wir sind der Meinung, dass Kay für seine offene Schilderung eine tolle Belohnung verdient hat, doch die wird er erst nach dem Dessert geniessen. Ich wünsche viel Vergnügen bei einem reichlichen Dessertbuffet, bitte bedient euch.»

      Während nun der Run auf das Buffet beginnt, spielt die Band leichte Unterhaltungsmusik. Reto lässt den ersten Ansturm vorbeigehen, bevor er sich an der nun kürzeren Kolonne anstellt. Er hat sich eben eingereiht, als sich Claire direkt hinter ihm anstellt.

      «Recht interessante Gesellschaft», meint sie flüsternd, so dass es, ausser Reto niemand verstehen konnte.

      «Soll ich dich einmal zum Tanz auffordern», frage er.

      «Nein, lass das, wir dürfen nicht auffallen, ausserdem ist es gegenüber deiner Tischdame eine Provokation, ich werde dich im Verlauf des Abends noch brauchen. Es wird dich jemand abholen.»

      «Gut, wenn es keine Provokation gegen meine Tischnachbarin ist, bin ich einverstanden.»

      «Das werden wir schon gut hinkriegen, keine Angst!»

      Während er das Dessert geniesst, wird die Zeit durch eine nichts sagenden Unterhaltung mit dem spanischen Adel überbrückt. Dann übernimmt wieder Benny die Kontrolle über das Geschehen.

      «So, wir zieh die nächste Nummer», wieder tippelt eine knapp bekleidete Schönheit zum Moderator hin und der zieht einen Zettel aus dem hingestreckten Sack.

      «Diesmal ist es René, - René vom Tisch neun.»

      Die Wahl wird mit einem Applaus bedacht und alle Augen richten sich auf den älteren Herrn, welcher jetzt vom Tisch neun aufsteht. René ist eins fünfundsiebzig gross und in seiner dichten dunklen Haarpracht ist noch kein graues Haar auszumachen, der Herr, auch wenn er eindeutig über Fünfzig ist, hat sich gut gehalten. Man ist gespannt, was er zu bieten hat.

      «Hallo, ich bin René aus Belgien. Ich vertrete mein Land im EU-Parlament. Bis ich soweit war, gab es einige Hürden zu nehmen, das kann ich ihnen versichern.»

      Nun erzählt er Anekdoten seiner politischen Karriere, zuerst das Übliche, bis zu den regionalen Ämtern reichte es, sich zu engagieren, doch für höhere Funktionen genügt das nicht mehr. Man braucht Unterstützung und dies finanziell und durch Parteien, welche sich solche Unterstützungen gerne teure bezahlen lassen. Meine Chance kam, als eine Grossmetzgerei sich eine neue Fabrik bauen wollte. Dieses Projekt stiess bei vielen Anwohnern auf Widerstand, ein solches Industrieunternehmen ist bekanntlich mit erheblichen Geruchsbelästigungen verbunden. Meine Aufgabe bestand nun darin, die Hauptpersonen des Widerstands zu ermitteln und geeignete Massnahmen einzuleiten. Aus diesem Grunde schloss ich mich als Regionalpolitiker, dem gegnerischen Komitee an.

      Nach einiger Zeit hatte ich drei Männer ausgemacht, die waren die treibenden Kräfte, wenn die ausgeschaltet sind, dann wird es wesentlich leichter. Nach einer Versammlung bot ich den Herren an, bei einem guten Freund den Abend noch etwas locker ausklingen zu lassen. Ich brachte die drei Männer in eine Villae etwa dreissig Kilometer entfernt, wir fuhren in meinem Auto, so dass sie keine Möglichkeit mehr hatten, selber zu entscheiden, wann der Abend zu Eende gehen soll.

      In der kleinen Villa war ein privater Club untergebracht, in welchem nur exklusive Leute verkehren. Beim Betreten erhielt jeder von mir eine Karte, die zur freien Konsumation ermächtigt. Allerdings steht sehr klein gedruckten, dass es sich nur auf Getränke, nicht aber auf den Verkehr mit Damen bezieht. Wie ich erwartet hatte, wurde von keinem der Männer dieses Kleingedruckte gelesen.

      Nun übernahmen hübsche willige Damen den Rest. Sie flirteten mit den Herren und bald verzogen sie sich auf die hinteren Räume, dort wurde ein Swingerclub betrieben. Um in diese Region zu gelangen, braucht man allerdings die Begleitung von Damen, sonst ist diese Region tabu. Es waren noch allein stehende Damen im Lokal, welche sich bereiterklärten, die Herren zu begleiten, ich versicherte den drei, dass sie echt etwas verpassen würden, wenn sie da nicht hingehen, ich erwarte noch eine Freundin und werde etwas später nachkommen. Natürlich machte ich mich anschliessend sofort aus dem Staub.

      Drei Tage später erhielt ich vom ersten einen Anruf, er bat mich um Hilfe, wenn seine Frau die grosse Summe auf der Kreditkartenabrechnung bemerkt, weiss er nicht was geschieht, vermutlich würde es zur Scheidung führen. Natürlich zeigte ich mich hilfsbereit, ich verschaffte ihm Kontakte zu einer Agentur, welche solche Probleme lösen konnte. Nach vier Tagen waren auch die andern Männer dieser Agentur verpflichtet, welche für ihre Diskretion ihre Bedingungen stellte. Nun war ich raus, im Verband konnte ich mich weiter für die Umweltschützer einsetzen, doch die andern drei Herren überstimmten mich, ich hatte keine Chance, sie beschlossen den Einspruch so einzureichen, dass er nach rechtlichen Kriterien scheitern musste. Jedenfalls wurde die Grossmetzgerei gebaut und ich hatte einen potenten Wahlkampfhelfer im Rücken, so war die Wahl kein Problem, sogar die Grünen unterstützen meine Kandidatur, auch wenn ich nicht mehr auf ihrer Liste stand, da ich nach dem Scheitern des Rekurses erbost meinen Rücktritt aus der Partei gab.

      «Danke René», meldet sich jetzt Benny, «wir unterbrechen hier, ehe du uns noch einen Mord gestehst, wir wollen noch andere zu Wort kommen lassen. Du wirst deine Belohnung bekommen, wir wissen schon, was dir gefällt, lass dich überraschen.»

      «Auch nicht sehr sympathisch», flüstertet Reto Clementine zu, sie ist wieder gleicher Meinung. Danach setzen sie sich an die Bar. Nun erkennt Reto auch den Vorteil, den der lange Schlitz in ihrem