Geri Schnell

Das verschwundene Schiff


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abgeschlossen werden.

      «In Narbonne, das ist in Südfrankreich.»

      «Ich weiss wo das ist», entgegnet er etwas ungehalten, schliesslich ist Geografie seine Stärke, «ich habe da eine andere Idee, wie wäre es, wenn ihr zwei nach Südfrankreich fährt und euch ein bisschen umschaut?»

      «Also mit der Idee könnte ich mich sofort anfreunden», erklärt Andrea, «aber leider bin ich auf das Geld angewiesen, das Studium dauert noch lange.»

      «Du müsstest mir einfach jeden Tag etwas brauchbares für die Zeitung schreiben, zum Beispiel ein Interview mit einem Touristen, ein paar Fotos und einen kurzen Bericht über eine Sehenswürdigkeit, so unter dem Motto, Ferienzeit könnten wir eine kleine Serie starten. Was meint ihr, schafft ihr so was?»

      Die beiden Mädchen schauen sich fragend an, hat der Chef schon zuviel getrunken? Andrea ist verunsichert, «ja, aber wie ist es mit den Spesen, so eine Reise kostet Geld.»

      «Ich denke für die Kosten eines Campingplatzes könnten wir aufkommen und etwas zu essen wird auch nicht zu teuer. Ich denke, das würde ich hinkriegen.»

      «Aber wir müssen doch Alfonso suchen!», meint Di, «zudem muss ich abends bedienen, auch ich brauche das Geld.»

      «Halt, halt, ihr wollt mich ausnehmen, so geht das nicht!», wehrt sich Karl, «den Lohn für eine Serviertochter kann ich nicht auch noch drauflegen, aber pro Spalte gibt es noch eine Prämie und auch für jedes gute Foto, du kannst doch fotografieren? Ich brauch jeden Tag zumindest ein Bild von Andrea, aber über Alfonso wird erst berichtet, wenn ihr etwas Konkretes herausgefunden habt, im Vordergrund stehen die Sehenswürdigkeiten.»

      «Ja und wie kommen wir da hin?», fragt Di.

      «Kannst du Autofahren?»

      «Ja, den Ausweis habe ich seit einem Jahr, so jung bin ich auch nicht mehr!»

      «Gut, dann muss ich schnell telefonieren.»

      Nach einem Anruf bei der Versicherung ist auch das Transportproblem gelöst, eine Vollkaskoversicherung auf den Kleinwagen seiner Frau kann abgeschlossen werden, auch der temporäre Halterwechsel ist kein Problem, das Gürkli, wie seine Frau den kleinen Wagen wegen seiner grünen Farbe nennt, kann für die Ferienfahrt benutzt werden.

      Rea

      Nachdem Reto die Kabine von Claire verlassen hat, legt er sich bis zum Mittagessen in seiner Kabine aufs Bett und versucht etwas zu schlafen. Die Bemerkung von Claire geht ihm nicht aus dem Kopf. Was meint sie damit, kannst du Schmerz ertragen?

      Er war so überrascht ob dieser Frage, dass er glatt vergessen hat, sie mit einem klaren Nein zu beantworten. Aber Claire liess ihm auch keine Zeit dazu, da hat er sich wirklich auf eine aussergewöhnliche Frau eingelassen, auch wenn vermutlich nicht alles stimmt was sie erzählt hat, so ist sie doch Besonders.

      Nach dem Mittagessen steigt am Pool bereits wieder eine Party. Die Münchnerinnen denken schon wieder ans Feiern und Abtanzen. Gut, die wissen nicht was Judy letzte Nacht aushalten musste. Reto wird sich hüten, es jemandem zu erzählen. Er will ihnen die Party nicht verderben, ausserdem kann er keinem trauen, noch ist nicht klar, wer alles als Spitzel angestellt ist.

      Erfolglos hält er nach Judy Ausschau, er kann sie nirgends entdecken. Schmort sie in irgendeiner Kabine, wird sie gefangen gehalten, oder traut sie sich einfach nicht mehr unter die Leute.

      Reto ist froh, dass der Nachmittag bald gelaufen ist. Die drei Einsätze auf dem Oberdeck dauern nicht lange. Nun kann er sich vor dem Abendprogramm noch etwas erholen. Zu seiner Verwunderung hat er Claire am oberen Pool nicht gesehen. Sie hat vermutlich den Nachmittag in ihrer Kabine verbracht.

      Bereits gegen fünf Uhr erscheint auf dem Computer das heutige Abendprogramm. Anzug eins, dazu die Bemerkung Sommernachtsball mit Galadiner! Beginn bereits um acht Uhr, es wird also pick fein heute Abend.

      Bis der Anzug eins hergerichtet ist, dauert es etwas länger. Um viertel vor acht ist Reto bereit, herausgeputzt wie ein Königspinguin mache er sich auf zum Oberdeck.

      Auf dem Weg zum Ballsaal wird er von Scot abgefangen, der gibt ihm noch ein paar Anweisungen. Daraus kann er den Schluss ziehen, dass er sich die Einladung fürs Galadiner mit dem Walzer tanzen verdient hat, er soll die Damen in dieser Hinsicht nicht enttäuschen. Aus einer kurzen Zwischenbemerkung entnimmt er, dass auch das Intermezzo mit Claire an der Bar dazu beigetragen hat, dass er heute in der erlauchten Gesellschaft dinieren darf. Dann übergibt ihm Scot noch eine Einladungskarte, die braucht es heute, um überhaupt in den Saal zu kommen. Heute sind nur wenige Animateure eingeladen.

      Reto stelle sich in die kurze Schlange, welche sich vor dem Eingang zum Ballsaal gebildet hat. Der Stuart führt jeden Gast persönlich an seinen Platz, vornehm zieht er den Stuhl zurück und lässt die Gäste absitzen, das braucht etwas Zeit, die andern Gäste warten geduldig.

      Nun ist Reto an der Reihe, ihm wird die gleiche Aufmerksamkeit zuteil, wie den andern Gästen, er fühlt sich als einer von Ihnen.

      «Bittschön der Herr», erklärt der ChefstuartChef Stuart, offensichtlich ein Österreicher, «das ist Clementine, sie kennen sie ja schon, die Dame gegenüber heisst Mira, sie werden sie noch kennen lernen. Ich wünsche einen schönen Abend.»

      Reto begrüsse die beiden Damen mit einem Handkuss und setze sich. Es beginnt ein lockeres Gespräch. Mira ist eine italienische Schauspielerin, sie spielt nur selten in Filmen mit, sie ist mehr auf Schauspielbühnen zuhause und spielt dort grosse Rollen. Leider kennt sich Reto da nicht aus und die zwei Beispiele welche sie aufzählte, sagen ihm nichts, er lässt es sich aber nicht anmerken. Mira spricht italienisch und das in einem solchen Tempo, dass Reto Mühe hat, alles zu verstehen. Dass er Mira doch noch beachtet, hat sie ihren wunderschönen braunen Augen und dem umwerfenden Ausschnitt zu verdanken. Wenn er nach links schaut, hat er den Eindruck, dass Sophia Loren, in ihren besten Jahren, neben ihm sitzt.

      Am gleichen Tisch wird noch eines der seltenen Ehepaare platziert. Sie sind Spanier, dazu kommt noch der kleine Gino, er kann sich jetzt um Mira kümmern. Reto freut sich schon auf das Bild, welches das Paar abgeben wird, sollten sie zusammen tanzen, Gino wird keine Chance haben, ihr in die Augen zu sehen. Ihr Busen wird genau auf seiner Augenhöhe liegen.

      Inzwischen ist der Saal gut gefüllt, es kommen nur noch vereinzelte Nachzügler, welche sich offensichtlich verspätet haben. Es wird immer noch Aperitif serviert. Die Band spielt sanfte Musik und die Kellner beginnen mit dem Servieren der Vorspeise. Es gibt kleine Häppchen Hummer garniert mit etwas Kaviar, alles sieht sehr schön aus, nur gegen den Hunger ist es nichts. Der Weisswein ist sicher sündhaft teuer. Reto versucht sich zurückzuhalten und genehmigt sich öfter ein Schluck Mineralwasser.

      Während die Teller der Vorspeise weggeräumt werden, spielt die Band einen ersten Walzer. Clementine will auf keinen Fall darauf verzichten. Elegant führt Reto sie übers Parkett, es gibt genügend Platz, es sind nur drei Paare auf der Tanzfläche. So kann man den Walzer richtig geniessen.

      Der nächste Gang wird serviert. Diesmal ist es ein feiner Fisch an einer dezenten Sauce. Dazu gibt es erlesene Salate. Es schmeckt wirklich hervorragend. Während Mira beim Gespräch mit Gino öfters in Gelächter ausbricht, ist Retos Unterhaltung mit Clementine etwas ruhiger. Sie bemühen sich, auch das Ehepaar in das Gespräch einzubeziehen. Dazu muss auf Französisch umgestellt werden, was anderseits Clementine einige Probleme bereitet. Reto muss oft übersetzen und erklären, wenn sie etwas nicht genau verstanden hat. Nun von grosser Bedeutung ist es nicht, die Gespräche enthalten keinen grossen Tiefgang. Das Ehepaar repräsentiert den spanischen Adel, so viel haben sie inzwischen herausgefunden, doch was sie genau machen, bleibt unklar. Es wird nur über Wohltätigkeitsbälle und ähnliche Anlässe berichtet.

      Nach einem Tango, einem Fox und einem Englischwalzer ist der grosse Moment gekommen, mit viel Pomp wir das Chateaubriand serviert. In den verdunkelten Saal werden die brennenden Plateaus getragen. Das zarte Fleisch schmeckt hervorragend. Wie es sich gehört, wird beim Essen nicht viel geredet. Reto nutze die Gelegenheit, sich im Saal umzuschauen.