Geri Schnell

Das verschwundene Schiff


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SM-Spiele. Darauf hat er nun gar keine Lust und sucht den kürzesten Weg zu seiner Kabine. Unterwegs beobachtet er die Wände und Türen. Kameras sind keine zu erkennen, aber die Türen scheinen überwacht zu werden, an jeder Türe gibt es Sensoren, die melden der Zentrale zumindest, ob sie offen oder zu ist. Reicht das aus, das Schiff zu überwachen? Jetzt gibt es noch drei Türen bis zu seiner Kabine, er will noch einen kleinen Test veranstalten, wie reagieren sie auf Ereignisse und wenn ja, wie schnell?

      Er lässt seinen Geldbeutel so fallen, dass alles Kleingeld im Gang verstreut wird, nun beginnt er es einzusammeln. Langsam füllt sich der Geldbeutel wieder, ohne dass jemand auftaucht, hat er sie überschätzt, bildet er sich das mit der Überwachung nur ein? Er steckt eben das vermeintlich letzte Geldstück ein, als ein Kleiderschrank von einem Mann im Gang erscheint.

      «Hast du ein Problem?»

      «Jetzt nicht mehr, meine Geldbörse ist mir heruntergefallen, ich denk, dass ich das Meiste wieder eingesammelt habe, es fehlen höchstens noch ein paar Cents, das ist nicht so wichtig, die Putzfrau wird sich freuen.»

      «Da ist noch ein Fünfziger!», freut sich der Riese und reicht es Reto.

      «Danke», entgegnet der und macht sich auf den Weg in seine Kabine.

      Sie sind zwar nicht die Schnellsten, doch dafür sind sie sehr furchteinflössend. Die scheinen noch mehr von diesen Supermännern an Bord zu haben, nur eigenartig, dass man sie nie an Deck sieht. Wo verbringen sie den Tag? Wer sind sie und wer ist ihr Chef? Sie machen mir nicht den Eindruck, als ob sie sich selber organisieren würden, die werden manipuliert, doch von wem?

      Nun muss er sich schnell in seine Kabine zurückziehen, sonst gerät er noch unter Verdacht, die Nummer mit dem Geldbeutel wurde ihm abgenommen, doch jetzt darf er nicht mehr auffallen.

      Im Zimmer schaut er sich unauffällig um und sucht nach Kameras und Mikrofonen. Er kann nichts finden. Immer wieder muss er an Judy denken, er kommt sich als Feigling vor, doch dann muss er sich eingestehen, dass es nicht klug währe, wenn er jetzt schon etwas unternehme würde. Man muss seinen Gegner zuerst kennen, erst dann darf man etwas gegen ihn unternehmen.

      Zurzeit geht seine Vermutung dahin, dass sich die reichen und einflussreichen Damen und Herren auf dem Oberdeck diese Reise ausgedacht haben, um ausgiebig ihre sexuellen Perversionen auszuleben. Die Meisten auf den unteren Decks wurden durch Gratistickets oder mit guten Jobs auf das Schiff gelockt. Wenn Reto den Kurs des Schiffes richtig einschätzte, so kreuzt es jetzt weit draussen im Atlantik, irgendwo zwischen Afrika und Südamerika. Sicher weit weg von Handyantennen und den wichtigsten Schifffahrtsrouten.

      Was haben diese Leute mit einem Schiff vor? Denken sie, dass sie alles kontrollieren können? Irgendwann wird sich der Widerstand formieren und dann wird es schwierig, die Kontrolle zu behalten. Soll man jetzt schon damit anfangen? Ist Reto der Einzige der gemerkt hat, was hier los ist? Soll er sich nach Leuten umsehen, welche sich ebenfalls gegen das Oberdeck stellen? Ein gefährliches Unternehmen, es muss schon gut geplant werden, deshalb wird er heute noch nichts unternehmen. Morgen wird er gespannt die Augen offen halten. Vielleicht fällt ihm ein Schwachpunkt auf oder er kann jemand finden, welcher ihn beim Widerstand unterstützt.

      Die Frau vom Oberdeck

      Am nächsten Morgen beobachtet Reto alle Leute an Bord aus einer anderen Sicht. Es geht ihm nicht mehr darum, wer sich am besten amüsiert und welches Mädchen eine tolle Figur hat. Jetzt achtet er darauf, welche Person beim Aufbau eines Widerstands gegen die Leute vom Oberdeck, nützlich sein könnte. Eben so viele Gedanken machte er sich darüber, wer ein Spitzel sein könnte, vor wem muss man sich in Acht nehmen?

      Nach dem Frühstück hat er noch keine Entscheidung getroffen, weder hat Reto jemand gefunden mit dem er über seine Befürchtungen sprechen könnte, noch hat er Personen als Spitzel identifizieren können. Vor dem Mittagessen muss er aufs Oberdeck, der Computer meldet einen Auftrag für ihn.

      Ein einen älteren Herrn möchte in die Sauna. Auf dem Oberdeck hat er den Herrn schon längst erspäht, doch er stellti sich etwas dämlich an, so hat er Zeit, das Geschehen auf dem Oberdeck noch etwas länger zu beobachten.

      «Leistest du mir noch etwas Gesellschaft», fragt eine weibliche Stimme.

      Er erkennt die Stimme der Dame. Als er sich umdreht erkennt er Claire, die Lady an der Bar von gestern Abend.

      «Geht das», fragt Reto, «ich muss einen Herrn in die Sauna führen.»

      «Dann kommst du nachher wieder zurück, ich werde an der Bar warten.»

      Schnell liefert er den Herrn in der Sauna ab.

      Als Reto wieder hochsteigt, erwartet ihn Claire bereits auf der Treppe: «Komm, wir gehen auf meine Kabine, da sind wir ungestört, keine Angst, ich werde dich nicht verführen, ich will nur mit jemand normalem reden.»

      Die Gedanken jagen Reto durch den Kopf, werden sie dabei beobachtet? Handelt es sich um eine Falle? Muss ihn die Lady ausspionieren? Nun, ist ja nichts dabei, die Dame ist vom Oberdeck und gehört zur herrschenden Klasse. Vielleicht kann er so etwas mehr erfahren, er macht ja nur seinen Job, schliesslich ist es seine Aufgabe, der gehobenen Gesellschaft, ihre Wünsche zu erfüllen, für Reto kein Risiko, wenn jemand in Schwierigkeiten bekommt, ist es Claire selber.

      Er folgt ihr die zwei Treppen hoch und einen langen Gang entlang. Wau, das nennt man Luxus. Das Appartement ist sehr gross und ist in drei Räume aufgeteilt, welche durch Vorhänge abgetrennt werden können. An der Schiffsaussenwand hat die Kabine einen Balkon. Der ist allerdings klein geraten, zu jeder Kabine gibt es nur wenig Aussenfläche. Auf diesem Balkon haben nur zwei Liegestühle und ein kleiner Tisch für einen Drink Pplatz.

      Aus der Zimmerbar bringt sie zwei Drinks, er will eigentlich ablehnen, doch es zeigt sich, dass die schön servierten Drinks keinen Alkohol enthalten, sondern nur verschiedene Fruchtsäfte mit Eis. Der Saft ist sehr erfrischend. Sie prosten sich zu, dann machen sie es sich auf den Liegestühlen gemütlich. Reto trägt nur eine knappe Badehose und sie einen noch knapperen Bikini. Die leichte Brise des Fahrtwinds sorgt für ein angenehmes Klima, auch wenn die Stühle im Schatten stehen, ist es draussen sehr heiss.

      Claire ist sehr schlank und hat einen kleinen festen Busen, dass sie in südlichen Gefilden unterwegs sind, sieht man nicht, sie ist noch sehr bleich.

      «Ich vertrage die Sonne sehr schlecht», erklärt sie entschuldigend. Vermutlich ist ihr aufgefallen, dass er sich über ihre weisse Haut wunderte. Nun beginnt sie, ihr Leben zu erzählen, Reto hört nur interessiert zu, ohne sie zu unterbrechen.

      «Meine Mutter war Schauspielerin und Fotomodell. Ich war das Ergebnis eines Liebesfilms, in welchem meine Mutter mitwirkte, noch bevor das Happy End im Kasten war, war meine Mutter schwanger. Es reichte eben noch, den Film fertig zu drehen, danach musste sie eine lange Babypause einschalten. Mein Vater, leider wie meine Mutter nur mit einer Nebenrolle bedacht, verschwand in Richtung Hollywood, wo er sich eine grosse Kariere erhoffte, aus der dann allerdings nie etwas wurde.

      Natürlich machten die Grosseltern zuerst ein Drama aus der Schwangerschaft, doch als ich da war, wurden sie die wichtigsten Bezugspersonen für mich, sie schlüpften in die Rolle der Eltern. Meine Mutter kämpfte sich als Schauspielerin zurück und bekam immer bessere Rollen. Wenigstens drehte sie jetzt ihre Filme, ohne ein Souvenir mit nach Hause zu bringen, in dieser Beziehung hatte sie etwas dazugelernt.»

      «Als ich bereits vier Jahre alt war», fährt sie fort, «stellte sie mir ihre grosse Liebe vor. Ein zugegeben recht gut gebauter Mann aus der Chefetage einer Bank. Wir zogen von der Provinz nach Genf in die Stadt. Nun musste ich mich an die neuen Eltern gewöhnen, eine Umstellung die mir und auch meiner Mutter schwer zu schaffen machte. So ruhig wie bei den Grosseltern ging es nicht mehr zu und her. Es gab oft Streit um Kleinigkeiten. Dabei war Geld ausreichend vorhanden, das Einfamilienhaus war sehr schön und hatte für Genfer Verhältnisse, einen schönen Garten. Alles hätte so schön sein können, wenn nur die Eifersucht meiner Mutter und der Jähzorn meines Stiefvaters nicht gewesen währe. Sie traute ihm nicht und er sah in jedem Mann einen Nebenbuhler und wenn er eine Situation nicht im Griff hatte,