sehr gut habe ich Sie verstanden; aber das reicht doch noch nicht aus.«
»Zweiter Beweis: die Spur erweist sich als gefälscht, und die angegebene Adresse stimmt nicht. Eine Stunde darauf, das heißt um acht Uhr, klopfte ich schon bei Wilkin; er wohnt da in der Pjataja-Straße, und ich bin sogar mit ihm bekannt. Aber da war kein Ferdyschtschenko vorhanden. Zwar erfuhr ich von dem sehr schwerhörigen Dienstmädchen, daß vor einer Stunde tatsächlich jemand geläutet habe, und zwar so stark, daß der Klingelzug abgerissen sei. Aber das Mädchen hatte nicht geöffnet, da sie Herrn Wilkin nicht hatte wecken mögen und vielleicht auch selbst keine Lust gehabt hatte aufzustehen. Das kommt schon vor.«
»Und das sind all Ihre Beweise? Das ist wenig.«
»Aber, Fürst, bedenken Sie: wen könnte man denn sonst noch im Verdacht haben?« erwiderte Lebedjew in gerührtem Ton; aber aus seinem Lächeln schaute eine gewisse Listigkeit heraus.
»Sie sollten noch einmal in allen Zimmern und Schubfächern nachsehen!« sagte der Fürst nach einigem Nachdenken mit sorgenvoller Miene.
»Das habe ich ja getan!« versetzte Lebedjew mit noch größerer Rührung und seufzte dabei.
»Hm ...! Warum mußten Sie auch den Zivilrock mit der Uniform vertauschen?!« rief der Fürst und schlug ärgerlich auf den Tisch.
»Das ist eine Frage aus einem alten Lustspiel. Aber, großmütigster Fürst, Sie nehmen sich mein Unglück zu sehr zu Herzen! Ich bin so vieler Teilnahme gar nicht wert. Das heißt, ich allein würde nicht wert sein, daß Sie sich so beunruhigen; aber Sie leiden ja auch um des Verbrechers willen ... um dieses unbedeutenden Herrn Ferdyschtschenko willen!«
»Nun ja, ja, Sie haben mich wirklich in Unruhe versetzt«, unterbrach ihn der Fürst zerstreut und mißvergnügt. »Also was beabsichtigen Sie denn nun eigentlich zu tun ... wenn Sie so fest davon überzeugt sind, daß es Ferdyschtschenko gewesen ist?«
»Fürst, hochgeehrter Fürst, wer könnte es denn sonst gewesen sein?« erwiderte Lebedjew, mit immer wachsender Rührung sich hin und her windend. »Das Fehlen eines andern, an den man denken könnte, und sozusagen die absolute Unmöglichkeit, auf jemand außer Herrn Ferdyschtschenko Verdacht zu haben, das ist ja sozusagen noch ein Beweis gegen Herrn Ferdyschtschenko, schon der dritte Beweis! Denn ich frage noch einmal: wer könnte es sonst gewesen sein? Ich kann doch nicht Herrn Burdowski verdächtigen, hehehe!«
»Was für ein Unsinn!«
»Oder schließlich den General, hehehe?«
»Was für dummes Zeug!« rief der Fürst, beinah zornig, und drehte sich ungeduldig auf seinem Platz hin und her.
»Natürlich ist das dummes Zeug! Hehehe! Dieser Mensch, ich wollte sagen der General, hat mich ordentlich zum Lachen gebracht! Ich ging mit ihm vorhin auf der warmen Fährte zu Wilkin ... ich muß Ihnen noch bemerken, daß der General noch mehr, wie ich selbst, bestürzt war, als ich nach Entdeckung des Verlusts zuallererst ihn weckte, dermaßen bestürzt, daß er die Farbe wechselte und bald rot, bald blaß wurde und schließlich in eine so empörte, edle Aufregung geriet, wie ich sie in solchem Maß gar nicht von ihm erwartet hatte. Ein höchst edeldenkender Mensch! Er lügt zwar fortwährend, aus Schwäche, ist aber von den erhabensten Gefühlen erfüllt; und dabei ist er ein Mann von geringer geistiger Begabung, der durch seine Harmlosigkeit das größte Vertrauen einflößt. Ich habe Ihnen schon gesagt, hochgeehrter Fürst, daß ich nicht nur eine gewisse Schwäche für ihn habe, sondern ihn sogar liebe. Auf einmal blieb er mitten auf der Straße stehen, knöpfte sich den Rock auf und entblößte seine Brust: ›Visitiere mich!‹ sagte er, ›du hast Keller visitiert; warum visitierst du mich nicht? Das verlangt‹, sagte er, ›die Gerechtigkeit!‹ Dabei zitterten ihm die Arme und die Beine, und er war ganz blaß geworden; ganz grimmig sah er aus. Ich fing an zu lachen und sagte: ›Hör mal, General‹, sagte ich, ›wenn mir ein anderer das von dir sagte, dann würde ich mir gleich auf der Stelle mit eigenen Händen den Kopf abnehmen, ihn auf eine große Schüssel legen und ihn selbst auf der Schüssel zu allen Zweiflern hintragen: Hier, würde ich sagen, seht mal diesen Kopf an; also mit meinem eigenen Kopf hier verbürge ich mich für ihn, und nicht nur den Kopf will ich daransetzen, sondern auch dafür ins Feuer gehen! Siehst du‹, sagte ich, ›in dieser Weise bin ich bereit, mich für dich zu verbürgen!‹ Da umarmte er mich mitten auf der Straße, brach in Tränen aus, fing an zu zittern und drückte mich so fest an seine Brust, daß ich heftig husten mußte. ›Du‹, sagte er, ›bist der einzige Freund, der mir in meinem Unglück geblieben ist!‹ Er ist ein gefühlvoller Mensch! Nun, selbstverständlich erzählte er mir sofort unterwegs eine auf diesen Fall passende Geschichte, wie er ebenfalls, noch als junger Mensch, einmal des Diebstahls von fünfhunderttausend Rubeln verdächtigt worden sei; aber er habe sich gleich am folgenden Tag in die Flammen eines brennenden Hauses gestürzt und den Grafen, der ihn verdächtigt habe, sowie Nina Alexandrowna, die damals noch Mädchen gewesen sei, aus dem Feuer herausgeschleppt. Der Graf habe ihn umarmt, und auf diese Weise sei seine Ehe mit Nina Alexandrowna zustande gekommen; gleich am nächsten Tag aber habe man in den Brandruinen auch die Schatulle mit dem vermißten Geld gefunden; es sei eine eiserne Schatulle gewesen, von englischer Arbeit, mit einem Geheimschloß, und sie sei auf irgendeine Weise unter den Fußboden geraten gewesen, so daß niemand sie habe bemerken können und sie nur durch diese Feuersbrunst wieder zutage gekommen sei. Alles die reine Lüge! Aber als er auf Nina Alexandrowna zu sprechen kam, da schluchzte er sogar. Nina Alexandrowna ist eine höchst edeldenkende Dame, obwohl sie auf mich böse ist.«
»Sind Sie mit ihr bekannt?«
»So gut wie gar nicht; aber ich würde es von ganzem Herzen wünschen, wenn auch nur um mich vor ihr zu rechtfertigen. Nina Alexandrowna ist auf mich schlecht zu sprechen, weil sie meint, ich richte ihren Gatten durch Verführung zum Trinken zugrunde. Aber weit entfernt ihn zu verführen, zähme ich vielmehr diese seine Leidenschaft; ich halte ihn vielleicht von verderblicherer Gesellschaft zurück. Zudem ist er mein Freund, und ich bekenne Ihnen, ich werde ihn jetzt nicht mehr verlassen, das heißt, sogar im allereigentlichsten Sinne: wo er hingeht, da werde ich auch hingehen, weil man nur durch Einwirkung auf seine Gefühle etwas mit ihm anfangen kann. Jetzt besucht er sogar seine Hauptmannsfrau gar nicht mehr, wiewohl es ihn im geheimen zu ihr hinzieht und er sogar manchmal nach ihr stöhnt, namentlich alle Morgen, wenn er aufsteht und sich die Stiefel anzieht; ich weiß nicht, warum gerade zu dieser Zeit. Geld besitzt er nicht, das ist das Malheur; und ohne Geld kann er sich bei dieser Frau nicht blicken lassen. Hat er Sie nicht um Geld gebeten, hochgeehrter Fürst?«
»Nein, das hat er nicht getan.«
»Er schämt sich. Er wollte es schon tun; er hat mir sogar gestanden, daß er Sie mit seiner Bitte belästigen wolle; aber er schämt sich, weil Sie ihm erst unlängst behilflich gewesen sind und er überdies glaubt, Sie würden ihm nichts geben. Er hat mir als seinem Freund sein Herz ausgeschüttet.«
»Und Sie geben ihm kein Geld?«
»Fürst! Hochgeehrter Fürst! Diesem Menschen würde ich nicht nur Geld geben, sondern ich würde für ihn sozusagen sogar mein Leben hingeben ... übrigens nein, ich will nicht übertreiben, das Leben nicht; aber wenn es sich darum handelte, etwa ein Fieber oder ein Geschwür oder sogar einen Husten zu ertragen, so bin ich, weiß Gott, bereit, das zu tun, vorausgesetzt, daß es sehr nötig ist; denn ich halte ihn für einen bedeutenden, aber heruntergekommenen Menschen! So steht es; also es handelt sich nicht nur um Geld!«
»Also Geld geben Sie ihm?«
»N-nein, Geld habe ich ihm nicht gegeben, und er weiß selbst, daß ich ihm keines geben werde; aber das geschieht einzig und allein, um ihn an Enthaltsamkeit zu gewöhnen und ihn zu bessern. Jetzt hat er sich an mich gehängt, um mit mir nach Petersburg zu fahren; ich fahre nämlich nach Petersburg, um Herrn Ferdyschtschenko abzufassen, solange die Fährte noch warm ist; denn ich weiß sicher, daß er schon dort ist. Mein General kocht nur so vor Entrüstung; aber ich vermute, daß er sich in Petersburg von mir wegschleichen wird, um die Hauptmannsfrau zu besuchen. Ich gestehe, ich will ihn sogar absichtlich von mir weggehen lassen, und wir haben auch schon verabredet, bei der Ankunft in Petersburg uns sogleich zu trennen und nach verschiedenen Seiten zu gehen, um Herrn Ferdyschtschenko