ich Sie hinführen; sonst kennen Sie ja nicht einmal Straße und Haus.«
»Warten Sie, Fürst«, sagte Aglaja, die sich plötzlich von ihrem Stuhl erhob; »Sie sollen mir noch etwas in mein Album schreiben. Papa hat gesagt, Sie seien ein Kalligraph. Ich werde es Ihnen gleich bringen.«
Sie verließ das Zimmer.
»Auf Wiedersehen, Fürst; ich gehe auch weg«, sagte Adelaida.
Sie drückte dem Fürsten fest die Hand, lächelte ihm freundlich und herzlich zu und ging hinaus. Den dabeistehenden Ganja sah sie gar nicht an.
»Das ist Ihr Werk!« rief zähneknirschend Ganja, der, sowie alle hinausgegangen waren, auf den Fürsten losstürzte. »Sie haben ihnen ausgeplaudert, daß ich heiraten will!« murmelte er hastig im Flüsterton, mit wütendem Gesicht und zornig funkelnden Augen. »Sie sind ein schamloser Schwätzer!«
»Ich versichere Ihnen, daß Sie sich irren«, antwortete der Fürst ruhig und höflich. »Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie heiraten wollen.«
»Sie haben vorhin gehört, wie Iwan Fjodorowitsch sagte, heute abend werde sich alles bei Nastasja Filippowna entscheiden, und das haben Sie weitergeredet! Sie lügen! Woher hätten die Damen es sonst wissen können? Wer, zum Teufel, konnte es ihnen mitteilen außer Ihnen? Hat mir die Alte etwa nicht zu verstehen gegeben, daß sie davon weiß?«
»Sie müssen am besten wissen, wer es den Damen mitgeteilt hat, wenn Sie der Ansicht sind, daß man Ihnen dergleichen zu verstehen gegeben hat; ich habe kein Wort davon gesagt.«
»Haben Sie mein Billett übergeben ...? Ist eine Antwort da?« unterbrach ihn Ganja, vor Ungeduld glühend.
Aber gerade in diesem Augenblick kam Aglaja zurück, und der Fürst hatte nicht mehr Zeit zu antworten.
»Hier, Fürst«, sagte Aglaja, indem sie ihr Album auf ein Tischchen legte. »Suchen Sie sich eine Seite aus und schreiben Sie mir etwas hinein! Hier ist eine Feder, noch dazu eine ganz neue. Es macht doch nichts aus, daß es eine Stahlfeder ist? Ich habe mir sagen lassen, die Kalligraphen schrieben nicht mit Stahlfedern.«
Während sie mit dem Fürsten sprach, schien sie gar nicht zu bemerken, daß Ganja ebenfalls da war. Aber während nun der Fürst die Feder in Ordnung brachte, eine Seite aussuchte und sich zum Schreiben bereit machte, trat Ganja zu dem Kamin heran, wo Aglaja unmittelbar rechts neben dem Fürsten stand, und sagte zu ihr mit zitternder, stockender Stimme aus nächster Nähe:
»Ein einziges Wort, nur ein einziges Wort von Ihnen – und ich bin gerettet.«
Der Fürst wandte sich rasch um und sah sie beide an. Auf Ganjas Gesicht lag der Ausdruck echter Verzweiflung; er schien diese Worte ohne jede Überlegung hervorgestoßen zu haben. Aglaja blickte ihn ein paar Sekunden lang mit ganz demselben ruhigen Erstaunen an wie eine Weile vorher den Fürsten, und es schien, daß dieses ruhige Erstaunen, diese Verwunderung, diese anscheinende völlige Verständnislosigkeit für das, was zu ihr gesagt war, in diesem Augenblick für Ganja schrecklicher war, als es die stärkste Verachtung hätte sein können.
»Was soll ich denn schreiben?« fragte der Fürst.
»Ich werde es Ihnen gleich diktieren«, erwiderte Aglaja, sich zu ihm wendend. »Sind Sie bereit? Nun, dann schreiben Sie: ›Ich lasse mich nicht auf Handelsgeschäfte ein.‹ Setzen Sie jetzt das Datum darunter! Zeigen Sie her!«
Der Fürst reichte ihr das Album hin.
»Vorzüglich! Sie haben es erstaunlich schön geschrieben; Ihre Handschrift ist eine ganz wundervolle! Ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen, Fürst ... Warten Sie«, fügte sie hinzu, als ob ihr plötzlich etwas einfiele, »kommen Sie mit; ich will Ihnen etwas zum Andenken schenken.«
Der Fürst folgte ihr; als sie jedoch ins Eßzimmer kamen, blieb Aglaja stehen.
»Lesen Sie das da!« sagte sie, ihm Ganjas Billett reichend. Der Fürst nahm das Billett und blickte Aglaja erstaunt an.
»Ich weiß ja, daß Sie es nicht gelesen haben und nicht der Vertraute dieses Menschen sein können. Lesen Sie; es ist mein Wunsch, daß Sie es lesen.«
Das Billett war augenscheinlich in großer Eile geschrieben:
»Heute wird mein Schicksal entschieden werden; Sie wissen, in welcher Weise. Heute werde ich unwiderruflich mein Wort geben müssen. Ich habe keinerlei Anrecht auf Ihre Teilnahme und wage nicht, irgendwelche Hoffnungen zu hegen; aber Sie haben früher einmal ein Wort ausgesprochen, nur ein einziges Wort, und dieses Wort hat die ganze dunkle Nacht meines Lebens erhellt und ist für mich ein Leuchtfeuer geworden. Sagen Sie jetzt noch ein solches Wort – und Sie werden mich damit vom Untergang erretten! Sagen Sie nur zu mir: ›Brich alle Beziehungen ab!‹, und ich tue es noch heute. Oh, was kostet es Sie, dieses eine Wort zu sagen! Ich erbitte dieses Wort nur als ein Zeichen Ihrer Teilnahme und Ihres Mitleids mit mir – nur in diesem Sinne! Weiter soll es nichts sein, nichts! Ich wage nicht, irgendwelche Hoffnung zu hegen, weil ich solcher Hoffnung nicht würdig bin. Aber wenn Sie dieses Wort gesprochen haben werden, werde ich von neuem meine Armut auf mich nehmen und meine verzweifelte Lage mit Freuden ertragen. Ich werde in den Kampf eintreten; ich werde mich seiner freuen und in ihm neue Kraft gewinnen!
Senden Sie mir dieses Wort der Teilnahme (ich werde es nur als ein Wort der Teilnahme betrachten, das schwöre ich Ihnen!). Zürnen Sie nicht über die Kühnheit eines Verzweifelnden, Ertrinkenden, der eine letzte Anstrengung zu machen gewagt hat, um sich vor dem Untergang zu retten! G.I.«
»Dieser Mensch versichert«, sagte Aglaja scharf, als der Fürst zu Ende gelesen hatte, »daß das Wort ›Brechen Sie alle Beziehungen ab!‹ mich nicht kompromittieren und zu nichts verpflichten solle, und er gibt mir, wie Sie sehen, hierin, in diesem Billett, eine schriftliche Garantie dafür. Beachten Sie, wie naiv er einige Worte unterstrichen hat und in wie plumper Weise seine geheime Absicht hervorschaut! Er weiß übrigens, daß, wenn er alle Beziehungen abbräche, aber von selbst, allein, ohne auf ein Wort von mir zu warten und ohne mit mir auch nur davon zu reden, und ohne jede Hoffnung auf meine Hand, daß ich dann meine Gefühle gegen ihn ändern und vielleicht seine Freundin werden würde. Das weiß er genau! Aber er hat eine niedrige Gesinnung: er weiß es und kann sich doch nicht entschließen; er weiß es und verlangt doch Garantien. Er ist nicht imstande, auf Treu und Glauben einen Entschluß zu fassen. Er möchte, daß ich ihm, als Ersatz für die hunderttausend Rubel, die Hoffnung auf meine Hand gäbe. Was aber jenes frühere Wort anlangt, von dem er in seinem Billett spricht und das angeblich sein Leben erhellt hat, so lügt er frech. Ich habe ihm einfach einmal meine Teilnahme ausgesprochen. Aber er ist dreist und unverschämt; ihm ist damals sogleich der Gedanke durch den Kopf gegangen, da sei für ihn eine Hoffnung möglich; ich habe das sofort bemerkt. Seitdem hat er angefangen, auf mich Jagd zu machen; und so sucht er mich auch jetzt zu fangen. Aber genug davon; nehmen Sie dieses Billett und geben Sie es ihm zurück, unmittelbar, nachdem Sie unser Haus werden verlassen haben, selbstverständlich nicht früher!«
»Und welche Antwort soll ich ihm ausrichten?«
»Natürlich gar keine. Das ist die beste Antwort. Sie wollen also in seinem Haus wohnen?«
»Iwan Fjodorowitsch hat es mir vorhin selbst empfohlen«, antwortete der Fürst.
»Dann nehmen Sie sich vor ihm in acht; ich warne Sie; er wird es Ihnen jetzt nicht verzeihen, daß Sie ihm sein Billett zurückbringen.«
Aglaja drückte dem Fürsten leicht die Hand und ging hinaus. Ihr Gesicht war ernst und finster, und sie lächelte nicht einmal, als sie dem Fürsten zum Abschied zunickte.
»Ich bin sogleich bereit; ich will nur mein Bündel holen«, sagte der Fürst zu Ganja. »Dann können wir gehen.«
Ganja stampfte vor Ungeduld mit dem Fuß. Sein Gesicht wurde ganz dunkel vor Wut. Endlich traten beide auf die Straße, der Fürst mit seinem Bündel in der Hand.
»Und die Antwort? Die Antwort?« bestürmte ihn Ganja. »Was hat sie Ihnen gesagt? Haben Sie ihr meinen Brief übergeben?«
Der Fürst