Fjodor Dostojewski

Fjodor Dostojewski: Hauptwerke


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Absicht hatte und nicht ohne Hintergedanken gesprochen hat.«

      »Ja, ja!« stimmten ihr die andern lachend bei.

      »Zieht ihn nicht auf, liebe Kinder; es wird vielleicht noch so herauskommen, daß er schlauer ist als ihr alle drei zusammen. Ihr werdet ja sehen. Aber warum haben Sie nichts von Aglaja gesagt, Fürst? Aglaja wartet darauf, und ich ebenfalls.«

      »Ich kann im Augenblick nichts über sie sagen. Ich werde es später tun.«

      »Warum denn? Sie scheint doch eine eigenartige Persönlichkeit zu sein.«

      »Oh ja, das ist sie. Sie sind eine hervorragende Schönheit, Aglaja Iwanowna. Sie sind so schön, daß man sich ordentlich fürchtet, Sie anzusehen.«

      »Ist das alles? Und ihre Eigenschaften?« setzte ihm die Generalin hartnäckig zu.

      »Über die Schönheit ist schwer zu urteilen; ich bin noch nicht so weit, daß ich meine Ansicht aussprechen könnte. Die Schönheit ist ein Rätsel.«

      »Damit haben Sie Aglaja ein Rätsel aufgegeben«, sagte Adelaida. »Nun rate einmal, Aglaja! Aber schön ist sie, Fürst; nicht wahr?«

      »Außerordentlich schön!« antwortete der Fürst lebhaft und blickte Aglaja ganz entzückt an. »Fast so schön wie Nastasja Filippowna, obwohl das Gesicht von ganz anderer Art ist ...!«

      Alle sahen einander erstaunt an.

      »Wie we-er?« fragte die Generalin gedehnt. »Wie Nastasja Filippowna? Wo haben Sie Nastasja Filippowna gesehen? Was für eine Nastasja Filippowna?«

      »Gawrila Ardalionowitsch hat vorhin ihr Bild Iwan Fjodorowitsch gezeigt.«

      »Wie? Er hat meinem Mann ihr Porträt gebracht?«

      »Nur um es ihm zu zeigen. Nastasja Filippowna hatte ihm heute ihr Bild geschenkt, und da brachte er es her, um es zu zeigen.«

      »Ich will es sehen!« rief die Generalin heftig. »Wo ist dieses Bild? Wenn sie es ihm geschenkt hat, so muß er es haben, und er ist gewiß noch im Arbeitszimmer. Er kommt mittwochs immer her, um hier zu arbeiten, und geht nie vor vier Uhr weg. Laßt Gawrila Ardalionowitsch sogleich herrufen! Oder nein! Ich sehne mich nicht übermäßig danach, ihn zu sehen. Tun Sie mir den Gefallen, bester Fürst, gehen Sie in das Arbeitszimmer, lassen Sie sich von ihm das Bild geben und bringen Sie es her! Sagen Sie, ich wolle es gern einmal sehen! Seien Sie so freundlich!«

      »Er ist ein guter Mensch, aber doch gar zu einfältig«, sagte Adelaida, als der Fürst hinausgegangen war.

      »Ja, gar zu einfältig«, stimmte Alexandra ihr bei, »so daß er sogar ein bißchen komisch erscheint.«

      Die eine wie die andere schien das, was sie dachte, nicht vollständig auszusprechen.

      »Mit unseren Gesichtern hat er sich übrigens gut aus der Affäre gezogen«, bemerkte Aglaja. »Er hat uns allen geschmeichelt, sogar unserer Mama.«

      »Bitte, keine Spötteleien!« rief die Generalin. »Er hat nicht geschmeichelt, sondern ich fühle mich geschmeichelt.«

      »Meinst du, daß er sich nur aus der Affäre ziehen wollte?« fragte Adelaida.

      »Mir scheint, er ist gar nicht so einfältig«, versetzte Aglaja.

      »Was redet ihr da!« ereiferte sich die Generalin. »Meiner Ansicht nach seid ihr noch komischer als er. Er ist ein schlichter Mensch und hat seinen Kopf für sich, selbstverständlich im besten Sinne. Ganz wie ich.«

      »Es war gewiß eine Dummheit, daß ich mir das von dem Bild entschlüpfen ließ«, sagte sich der Fürst, während er nach dem Arbeitszimmer ging, und fühlte dabei einige Gewissensbisse. »Aber ... vielleicht habe ich gut daran getan, daß ich davon anfing ...«

      Es ging ihm ein sonderbarer, noch nicht ganz klarer Gedanke durch den Kopf.

      Gawrila Ardalionowitsch saß noch im Arbeitszimmer und war in seine Papiere vertieft. Er schien in der Tat sein Gehalt von der Aktiengesellschaft nicht ohne Gegenleistung zu beziehen. Er wurde furchtbar verlegen, als der Fürst nach dem Bild fragte und erzählte, auf welche Weise die Damen von diesem Bild etwas erfahren hatten. »Donnerwetter! Wozu brauchten Sie davon zu schwatzen?« rief er in grimmigem Ärger. »Sie verstehen ja nichts davon ... So ein Idiot!« murmelte er vor sich hin. »Verzeihung, ich habe es gesagt, ohne mir etwas dabei zu denken. Das Gespräch kam zufällig darauf. Ich sagte, Aglaja sei fast ebenso schön wie Nastasja Filippowna.«

      Ganja bat ihn, ihm über das Gespräch Genaueres mitzuteilen, und der Fürst erzählte. Ganja sah ihn wieder spöttisch an.

      »Ich möchte wissen, was Sie sich um Nastasja Filippowna ...«, murmelte er, versank aber, ohne den Satz zu beenden, in Gedanken.

      Er war in sichtlicher Unruhe. Der Fürst erinnerte ihn an das Bild.

      »Hören Sie, Fürst«, sagte Ganja auf einmal, wie wenn ein plötzlicher Gedanke in seinem Kopf aufleuchtete, »ich habe eine große Bitte an Sie ... Aber ich weiß wirklich nicht ...«

      Er wurde verwirrt und sprach den begonnenen Satz nicht zu Ende. Es schien, als ob er einen Entschluß fassen wolle, aber mit sich selbst kämpfe. Der Fürst wartete schweigend. Ganja sah ihn noch einmal mit einem forschenden, durchdringenden Blick an.

      »Fürst«, begann er von neuem, »man ist dort auf mich augenblicklich ... infolge eines ganz sonderbaren Umstandes ... an dem ich keine Schuld trage ... nun, kurz, das gehört nicht hierher ... man ist dort auf mich, wie es scheint, ein wenig böse, so daß ich für einige Zeit nicht ohne besondere Aufforderung hingehen möchte. Ich muß jetzt aber ganz notwendig mit Aglaja Iwanowna sprechen. Ich habe hier für jeden Fall ein paar Worte an sie geschrieben« (er hatte auf einmal einen kleinen, zusammengefalteten Zettel in der Hand) »und weiß nun nicht, wie ich sie ihr zugehen lassen soll. Möchten Sie es nicht übernehmen, Fürst, dieses Blättchen an Aglaja Iwanowna abzugeben, jetzt gleich, aber nur an Aglaja Iwanowna allein, das heißt so, daß es niemand sieht, verstehen Sie? Es handelt sich nicht um irgendwelche arge Heimlichkeit, es ist nichts Derartiges ... aber ... wollen Sie es tun?«

      »Die Sache ist mir nicht sehr angenehm«, antwortete der Fürst.

      »Ach, Fürst, ich bin in der äußersten Notlage!« bat Ganja. »Sie wird vielleicht antworten ... Seien Sie versichert, daß nur die dringende Notwendigkeit, die allerdringendste Notwendigkeit mich veranlaßt, mich an Sie zu wenden ...! Durch wen sollte ich es sonst hinschicken ...? Die Sache ist sehr wichtig ... außerordentlich wichtig für mich ...«

      Ganja war in größter Angst, der Fürst könnte es ihm abschlagen, und blickte ihm, furchtsam bittend, in die Augen.

      »Nun, meinetwegen, ich werde es übergeben.«

      »Aber ja nur so, daß es niemand bemerkt!« bat der erfreute Ganja. »Und noch eins, Fürst: ich kann mich doch wohl auf Ihr Ehrenwort verlassen, nicht wahr?«

      »Ich werde es niemandem zeigen«, erwiderte der Fürst.

      »Das Billett ist nicht versiegelt, aber ...« Ganja merkte, daß er in seiner übergroßen Sorge zuviel sagte, und hielt verlegen inne.

      »Oh, ich werde es nicht lesen«, versetzte der Fürst ganz schlicht, nahm das Bild und verließ das Arbeitszimmer.

      Als Ganja allein geblieben war, griff er sich an den Kopf.

      »Ein Wort von ihr, und ich ... und ich breche vielleicht wirklich diese Beziehungen ab ...!«

      Vor Aufregung und gespannter Erwartung war er nicht imstande, sich wieder an seine Papiere zu setzen, sondern schritt im Arbeitszimmer von einer Ecke nach der andern.

      Der Fürst ging sehr nachdenklich zurück; der Auftrag war ihm unangenehm; unangenehm war ihm auch der Gedanke, daß Ganja mit Aglaja in Korrespondenz stand. Aber als er noch zwei Zimmer zu passieren hatte, um wieder in den Salon zu gelangen, blieb er plötzlich stehen, als ob ihm etwas einfiele, blickte ringsum, trat ans Fenster, recht nahe an das Licht, und begann