Fjodor Dostojewski

Fjodor Dostojewski: Hauptwerke


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sollten. Und ich gedenke, diese Einrichtung durch Stiftung eines Kapitals zu einer dauernden zu machen. Nun also, das ist alles. Ich wiederhole, daß ich vielleicht sonst noch viel Übles in meinem Leben begangen habe; aber diese Handlung halte ich, wie ich auf mein Gewissen versichere, für die häßlichste meines ganzen Lebens.«

      »Und statt der häßlichsten haben Euer Exzellenz eine der besten Handlungen Ihres Lebens erzählt; Sie haben Ferdyschtschenko geprellt!« bemerkte dieser.

      »Wirklich, General, ich hätte nicht gedacht, daß Sie ein so gutes Herz hätten; es ist ordentlich schade!« sagte Nastasja Filippowna in lässigem Ton.

      »Schade? Wieso?« fragte der General mit freundlichem Lachen und trank nicht ohne Selbstgefälligkeit von seinem Champagner.

      Aber nun war die Reihe an Afanasi Iwanowitsch, der sich ebenfalls vorbereitet hatte. Alle sahen voraus, daß er sich nicht weigern werde wie Iwan Petrowitsch, erwarteten aus gewissen Gründen seine Erzählung mit besonderer Neugier und blickten zugleich Nastasja Filippowna forschend an. In einer sehr würdevollen Weise, die durchaus zu seinem stattlichen Äußern paßte, begann Afanasi Iwanowitsch mit leiser, freundlicher Stimme eines seiner »netten Geschichtchen«. (Beiläufig sei folgendes bemerkt: er war eine ansehnliche Erscheinung, stattlich, hochgewachsen, etwas kahlköpfig, mit etwas angegrautem Haar, ziemlich wohlbeleibt, mit weichen, roten, etwas herabhängenden Backen und falschen Zähnen. Er trug bequeme, elegante Kleider und wundervolle Wäsche. Seine fleischigen, weißen Hände anzusehen war ein Genuß. Am Zeigefinger der rechten Hand steckte ein kostbarer Brillantring.) Nastasja Filippowna betrachtete während seiner ganzen Erzählung unverwandt den Spitzenbesatz an ihrem Ärmel und zupfte daran mit zwei Fingern der linken Hand, so daß sie den Erzähler auch nicht einen Augenblick anblickte.

      »Was mir meine Aufgabe am meisten erleichtert«, begann Afanasi Iwanowitsch, »das ist die unbedingte Verpflichtung, nichts anderes zu erzählen als die schlechteste Handlung meines ganzen Lebens. In einem solchen Fall ist selbstverständlich kein Schwanken möglich: das Gewissen und das Gedächtnis geben einem ohne weiteres ein, was man zu erzählen hat. Ich bekenne mit tiefem Schmerz, daß unter all den vielleicht zahllosen leichtfertigen und unbedachten Handlungen meines Lebens eine ist, die in meinem Gedächtnis einen außerordentlich peinlichen Eindruck hinterlassen hat. Die Sache begab sich vor ungefähr zwanzig Jahren; ich befand mich damals auf dem Land zu Besuch bei Platon Ordynzew. Er war soeben zum Adelsmarschall gewählt worden und mit seiner jungen Frau auf sein Gut gefahren, um dort die Winterfeiertage zu verleben. In dieselbe Zeit fiel auch gerade Anfisa Alexejewnas Geburtstag, und so sollten denn zwei Bälle gegeben werden. Damals war der entzückende Roman des jüngeren Dumas ›La dame aux camélias‹ außerordentlich in Mode und hatte eben angefangen, in der vornehmen Welt Aufsehen zu erregen, ein Geisteswerk, das meines Erachtens weder dazu bestimmt ist, jemals zu vergehen, noch auch zu altern. In der Provinz waren alle Damen davon enthusiasmiert, wenigstens diejenigen, die das Buch gelesen hatten. Der Reiz der Erzählung, die eigenartige Stellung der Hauptperson, diese verlockende Welt, die aufs feinste analysiert wird, und endlich all diese bezaubernden Details, die durch das ganze Buch verstreut sind (zum Beispiel die Bemerkung darüber, unter welchen Umständen man Bukette aus weißen und roten Kamelien abwechselnd verwendet), mit einem Wort, all diese entzückenden Einzelheiten und das prächtige Ensemble machten eine ganz gewaltige Sensation. Kamelien wurden große Mode. Jedermann wollte Kamelien haben, jedermann suchte welche zu bekommen. Nun frage ich Sie: war es wohl möglich, viele Kamelien in einer Kreisstadt aufzutreiben, wenn alle Leute welche für die Bälle beschaffen wollten, auch wenn die Bälle nicht sehr zahlreich waren? Petja Worchowskoi, der arme Kerl, war damals in heißer Liebe zu Anfisa Alexejewna entbrannt. Ich weiß wirklich nicht, ob zwischen den beiden irgendein Verhältnis bestand, ich meine, ob er irgendeine ernstliche Hoffnung hegen durfte. Der arme Mensch war fast verrückt geworden in dem Bemühen, zum Ballabend für Anfisa Alexejewna Kamelien zu beschaffen. Die Gräfin Sozkaja aus Petersburg, die bei der Frau des Gouverneurs zu Besuch war, und Sofja Bespalowa wollten, wie bekannt geworden war, mit Buketten aus weißen Kamelien kommen. Anfisa Alexejewna wünschte sich, um damit einen besonderen Effekt hervorzubringen, rote. Der arme Platon wurde beinah zu Tode gehetzt, wie das den Ehemännern bekanntlich so geht; er hatte ihr hoch und heilig geschworen, ihr ein Bukett zu verschaffen; aber was geschah? Am Tage vor dem Ball schnappte Frau Katerina Alexandrowna Mytischtschewa, die in allen Dingen Anfisa Alexejewnas furchtbare Rivalin war und mit ihr auf höchst gespanntem Fuß lebte, ihr die Blumen weg. Natürlich folgte nun ein Weinkrampf, eine Ohnmacht. Platon war ganz zu Boden geschmettert. Man begreift: wenn Petja es auf irgendeine Weise fertig bekommen hätte, in diesem kritischen Augenblick ein Bukett zu beschaffen, so wären seine Wünsche dadurch natürlich sehr wesentlich gefördert worden; denn die Dankbarkeit einer Frau kennt in solchen Fällen keine Grenzen. Er läuft umher wie ein Besessener; aber es war eben ein Ding der Unmöglichkeit; absolut nichts zu machen! Auf einmal treffe ich ihn am Tag vor dem Geburtstag und Ball (es war schon elf Uhr abends) bei Marja Petrowna Subkowa, einer Gutsnachbarin Ordynzews. Er strahlt. ›Was ist dir?‹ – ›Ich habe welche gefunden! Heureka!‹ – ›Na Bruder, das setzt mich in Erstaunen! Wo denn? Wie denn?‹ – ›In Jekschaisk‹ (das war ein kleines Städtchen, zwanzig Werst entfernt; es lag nicht in unserm Kreis), ›da ist so ein großbärtiger, reicher Kaufmann namens Trepalow; der wohnt da mit seiner alten Frau, und statt der Kinder haben sie lauter Kanarienvögel. Die beiden sind große Blumenfreunde; der hat Kamelien.‹ – ›Aber ich bitte dich, das ist doch eine sehr unsichere Sache; wenn er sie nun nicht hergibt?‹ – ›Ich werde auf die Knie fallen und mich vor seinen Füßen so lange umherwälzen, bis er sie mir gibt; ohne die Blumen weiche ich nicht vom Platz!‹ – ›Wann fährst du denn?‹ – ›Morgen ganz früh, um fünf Uhr.‹ – ›Na, viel Glück!‹ Ich freute mich sehr für ihn, wissen Sie; ich kehrte zu Ordynzew zurück; es war schon zwei Uhr; aber die Geschichte ging mir gar nicht aus dem Kopf, wissen Sie. Ich wollte mich schon schlafen legen, da kommt mir plötzlich ein ganz origineller Gedanke! Ich schleiche mich unverzüglich in die Küche und wecke den Kutscher Saweli: ›Fünfzehn Rubel, wenn du in einer halben Stunde angespannt hast!‹ In einer halben Stunde steht natürlich der Schlitten vor der Tür; Anfisa Alexejewna hatte, wie mir gesagt wurde, Migräne, fieberte und phantasierte. Ich stieg ein und fuhr los. Um fünf Uhr war ich in Jekschaisk in einer Herberge; ich wartete, bis es hell wurde, und begab mich dann sofort um sieben Uhr zu Trepalow. ›Soundso, hast du Kamelien? Väterchen, teuerster Wohltäter, hilf mir, rette mich, ich verbeuge mich vor dir bis zum Erdboden!‹ Es war, wie ich sah, ein hochgewachsener, grauhaariger, finsterer alter Mann; ein furchtbar strenges Gesicht machte er. ›Nein, nein, unter keinen Umständen; das tu ich nicht!‹ Ich warf mich ihm, batz! zu Füßen! Lang auf dem Boden streckte ich mich aus! ›Was tun Sie, mein Verehrter; was tun Sie da?‹ rief er erschrocken. – ›Es handelt sich hier um ein Menschenleben!‹ schrie ich. – ›Wenn's so ist, dann nehmen Sie sie; in Gottes Namen!‹ Da schnitt ich mir einmal rote Kamelien ab! Wundervolle, entzückende Blumen; er hatte ein ganzes kleines Treibhaus voll. Der Alte seufzte schwer dabei. Ich nehme hundert Rubel heraus. ›Nein, bester Herr, Sie werden mich doch nicht so kränken wollen.‹ – ›Nun, wenn's so steht, Verehrtester, so nehmen Sie diese hundert Rubel für das hiesige Krankenhaus zur Verbesserung der Unterkunft und Verpflegung!‹ – ›Das ist etwas anderes, lieber Herr!‹ sagte er; ›das ist ein gutes, edles, Gott wohlgefälliges Werk; ich werde das Geld in Ihrem Namen abliefern.‹ Wissen Sie, er gefiel mir wirklich, dieser alte Russe, sozusagen ein Stockrusse, de la vraie souche. Ganz entzückt, daß es mir so gut gelungen war, machte ich mich sogleich auf den Heimweg; wir fuhren im Bogen zurück, um Petja nicht zu begegnen. Als ich ankam, gab ich die Blumen ab, damit sie der Hausfrau gleich bei ihrem Erwachen überreicht würden. Sie können sich ihr Entzücken, ihre Dankbarkeit, ihre Tränen der Dankbarkeit vorstellen! Platon, der tags zuvor noch tiefunglücklich und halbtot gewesen war, Platon schluchzte nun an meiner Brust. So geht es ja leider allen Ehemännern seit der Erschaffung der Welt ... oder seit der Einrichtung der legitimen Ehe! Ich habe nichts weiter hinzuzufügen, als daß die Aussichten des armen Petja durch diesen Vorfall völlig zerstört waren. Ich dachte anfangs, er würde mich umbringen, sowie er den Hergang erführe, und traf für die Begegnung mit ihm schon alle Vorbereitungen; aber die Sache entwickelte sich in einer Weise, die ich nicht erwartet hatte: er fiel in Ohnmacht, phantasierte am Abend und bekam am andern Morgen ein hitziges Fieber, in dem er wie