segelt eine Faust gegen seine Schläfe. Er taumelt. Der Schmerz, den sein Körper vorausschickt, tritt schneller ein als die Erkenntnis, was gerade geschehen ist. Die Frauen und Männer um ihn herum schreien und jubeln, als er zu Boden geht. „Das hast du jetzt davon, Felix, wenn du immer mit den Obrigkeiten in die Pause gehst.“ Ein heftiger Tritt fährt in Felix’ Magengrube und lässt ihn sich auf dem Boden krümmen. „Na Felix, wie gefällt dir das? Jetzt ist nicht mehr der große, starke Paul Barens da, der dich beschützen wird, was?“ Ein zweiter Tritt folgt und dem ein dritter und vierter. Felix’ Kopf dröhnt und irgendetwas in ihm schaltet auf Automatik. Er schließt die Augen und lässt es geschehen. Doch nachdem der fünfte Tritt sein Schienbein trifft, hören die Schreie plötzlich auf, es scheint, als wäre einer aus der Meute hervorgetreten, um für Felix einzuspringen, als wäre einer gegen das, was da gerade geschieht, und würde nicht nur zusehen und es geschehen lassen. Die Kerle, die zuvor noch auf Felix eingedroschen haben, lassen von ihm ab und drehen sich in die Richtung, aus der der Einwand gekommen ist. Es folgen einige hitzige Worte, die Felix über das Dröhnen in seinem Kopf nicht verstehen kann. Dann ein wildes Wortgefecht und ehe er sich versieht, liegt er inmitten einer riesigen Schlägerei. Panisch beginnt er sich zwischen der trampelnden Horde nach vorne zu ziehen, immer ein kleines Stück weiter, ganz langsam, ganz vorsichtig. Hier und da tritt ihm jemand auf die schmerzenden Finger oder fällt versehentlich über ihn, aber irgendwann, nach einer schieren Ewigkeit, hat Felix die blaue Tür erreicht, durch die Paul früher am Tag mit dem zerknüllten Brief von Dukjon gerauscht ist. Mit zitternden, gekrümmten Fingern lässt er sie vorsichtig und so leise wie möglich ins Schloss fallen, lehnt sich mit pochendem Gesicht gegen sie, um sie wenigstens mit seinem Gewicht zuzuhalten, und hofft, so stark er kann, dass er als Einziger dieses Versteck wählen wird. Ihm wird schwarz vor Augen, der Raum um ihn herum beginnt sich zu drehen, schneller und schneller, bis er es nicht mehr schafft seinen Magen zurückzuhalten. Er lehnt sich zur Seite, eine Hand in der Magengegend, die andere zur Stütze auf den Boden, und erbricht sich. Nach der kurzen Erleichterung, die darauffolgt, überkommt ihn die Müdigkeit. Eine Müdigkeit, die so bleiern auf seine Augenlider drückt, dass es unmöglich scheint sich gegen den Drang zu wehren, die Augen nicht doch für einen kurzen Moment zu schließen. Kurz bevor sein Körper sich krampfhaft nimmt, nach was er verlangt, denkt Felix noch das Adrenalin lässt nach, doch dann ist er bereits zur Seite gekippt und fällt in einen unruhigen Schlaf, der wenig Erholung bringen soll.
Ist es der stechende Qualm oder dieses erschreckend laute Geräusch? Er kann es nicht sagen, aber irgendetwas reißt ihn aus seinem Schlaf. Abrupt stemmt er sich vom Boden hoch und stellt sich auf seine Beine. Sein Körper, der auf das unsanfte Erwachen und das damit einhergehende plötzliche Erheben nicht vorbereitet ist, schickt Felix sogleich die Quittung. Seine Augen rollen nach oben, ihm wird wieder schwarz vor Augen, sein Magen krampft sich schmerzend zusammen und versucht sich erneut zu entleeren. Felix hustet die Galle auf den Boden des Büros, mit einer Hand hält er sich an der Kleiderstange fest, die ohne Pauls Jacke erstaunlich viel Stabilität bietet. „Scheiße!“, ruft er. „Verdammte Sch…“ Er verstummt, irgendetwas stimmt nicht, im Flur ist es still, viel zu still für Felix’ Geschmack. Er stolpert leicht hinkend auf den mit Rauch gefüllten dunklen Flur und fällt beinahe über den Körper, der regungslos vor der Tür am Boden liegt. Schockiert beugt er sich zu ihm herunter. Auf den ersten Blick sieht er unverletzt, beinahe schlafend aus, wenn da nicht das viele Blut wäre, das aus seinem Rücken dringt und von einer Wunde stammen muss, die Felix nicht lokalisieren kann. Vorsichtig tippt Felix dem Mann mit seinem Zeigefinger auf die Wange und fährt erschrocken zur Seite. Die Wange des Mannes ist trotz der Hitze des Flurs eiskalt. Felix, der sich konzentriert versucht zusammenzureißen, schiebt den Arm des auf dem Rücken liegenden Mannes unter seinen Bauch und zieht dann von der anderen Seite kraftvoll an seinem Handgelenk. Dank Hebelwirkung rollt der Bewusstlose erst zur Seite, dann auf seinen Rücken. Seine Augen sind merkwürdig aufgerissen. Einer Vorahnung folgend schiebt Felix Zeige- und Mittelfinger unter das Kinn des Mannes und tastet nach seinem Puls. Vergebens greift er auch nach Schläfe und Knöchel, doch auch dort fühlt er nicht das erhoffte Pochen. Die Erkenntnis seiner Informationen folgt sogleich und lässt Felix gefrieren. Der Mann hat keinen Puls und der Körpertemperatur nach ist das schon eine ganze Weile so. Wieder krampft sich Felix’ Magen unangenehm zusammen, dieses Mal widersteht er aber dem Bedürfnis sich zu übergeben und presst sich stattdessen eine Hand auf den Mund. „Hilfe! Hilfe, ich brauche Hilfe!“, schreit er in den dunklen Rauch hinein, so laut, dass er fühlt, wie seine Stimmbänder beben. Er schreit weiter, noch lauter als zuvor, aber keiner kommt die schmale Treppe nach oben, keiner wird ihm helfen. Keiner. „Okay Felix, behalte die Nerven, es wird keiner kommen, aber hey, egal, wer braucht schon Hilfe? Ich? Nein. Ich brauche …, ich brauche …, ja ich brauche Licht“, wispert er hysterisch zu sich selbst. Vorsichtig erhebt er sich und läuft mit dem Blick zum Boden gerichtet den Flur entlang, bis er die schmale Treppe erreicht. Mit zitternden Knien, die bei jedem Schritt drohen unter seinem Gewicht nachzugeben, nimmt er Stufe für Stufe, bis ihn der klobige Schreibtisch am Weitergehen hindert. Der untere Flur ist noch dichter vom Rauch durchzogen und schickt immer wieder dicke Rauchwolken über Felix’ Kopf hinweg den Treppenaufgang nach oben. Mit seinen Händen stützt er sich bedacht auf den Schreibtisch und rüttelt einige Male fest an ihm. Er bewegt sich keinen Zentimeter, er bleibt fest eingekeilt zwischen Holzgeländer und Wand. Langsam und immer noch skeptisch zieht er seine Knie auf die schräge Tischplatte und lässt sich langsam über die akten- und papierlose Platte gleiten. Auf der anderen Seite angekommen, versucht er auf den letzten Stufen Halt zu gewinnen und betet inständig zu einem Gott, an den er nicht glaubt, dass Paul seine seit Jahren gleiche Ordnung nicht geändert hat. Mit schweißnassen Fingern und halbwegs stabilem Stand greift er zu der schweren Holzschublade und zieht sie mit einem kräftigen Zug zu sich heran. Mit einem Scheppern folgt sie dem Zug und kracht, dank Felix’ flinken Reflexen, nicht auf seine Füße, sondern auf die letzte Treppenstufe. Schnell, als könne ihm der Inhalt entkommen, beugt sich Felix zu ihr herunter und kramt einige Sekunden lang in der Unordnung der Schublade, bis er findet, wonach er gesucht hat. Die kleine schwarze Taschenlampe, die er zum Vorschein bringt und die den Sturz von der Treppe glücklicherweise überlebt hat, klemmt er sich zwischen die Zähne, um die Hände weiter frei zu haben. Mit Bedacht klettert er zurück über den Schreibtisch und folgt dem Treppengeländer nach oben.
Am Absatz angekommen schaltet er die Taschenlampe ein und seine Augen folgen dem kegelförmigen Lichtstrahl durch den Raum. Da liegt doch noch jemand im Flur? Gebannt kneift er seine Augen zusammen und blinzelt durch den Rauch hindurch. Ja, da liegt noch jemand im Flur. Mit sicheren, aber hastigen Schritten springt er über den reglosen Körper, den er zuvor untersucht hat, und krabbelt auf allen Vieren zu der bewegungslosen Person, die er am Boden entdeckt hat. Es ist eine Frau, Felix leuchtet ihr ins Gesicht, sie ist bewusstlos. Ihre Nasenlöcher sind durch den Ruß der Luft dunkel gefärbt, das heißt, dass sie atmet oder es zumindest vor wenigen Minuten noch getan hat. Felix’ Finger wandern diesmal direkt an ihren Hals. Sie spüren den leichten Puls ihrer Adern. Erleichterung. Hektisch schreit Felix die am Boden liegende an und rüttelt an ihren Schultern. Er ist nicht allein, hier ist noch jemand. „Hallo, hallo, hören Sie mich? Sie müssen aufwachen, ich brauche ganz dringend Ihre Hilfe, bitte kommen Sie, werden Sie wach!“ Nichts rührt sich. Felix wird immer nervöser, eine Träne rollt ihm über sein mit Ruß gefärbtes Gesicht. „Ganz ruhig Felix, denk nach, denk einfach nach, was machst du jetzt? Oder, was würdest du machen, wenn du nicht völlig in Panik ausbrechen würdest?“ Eine kleine, über das Dröhnen in seinem Kopf kaum hörbare Stimme schreit in ihm leise, aber stetig: „Renn weg! Rette deinen eigenen Arsch, du hast zwei Kinder und einen Partner zu Hause, keiner würde es dir übelnehmen.“ Felix schüttelt den Kopf. Nein, das ist keine Alternative, er würde, wenn er das tut, nie wieder in den Spiegel sehen können, das ist ihm trotz des Chaos der Situation wohl bewusst. Angespannt packt Felix den Kopf der Frau, dreht ihn zur Seite und greift instinktiv mit der freien Hand in ihren Mund. Wie zur Bestätigung fühlt er etwas Schleimiges an seinen Fingern. Er formt seine Hand zur Schaufel und schiebt das kühle Erbrochene aus dem Hals der Frau. Sein Magen krampft, aber die Konzentration der Situation lässt ihn den Würgereflex unterdrücken. Als er den Atemweg der Frau befreit hat, zieht er ihren Kopf nach oben und drückt ihre Nase mit zwei Fingern so zu, dass beim Beatmen über den Mund, die Luft nicht entweichen kann. Dabei versucht er möglichst wenig durch seine Nase zu atmen, um dem süßlichen Geruch des Erbrochenen zu entgehen. Diesmal