Kat v. Letters

Always Differently


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Baby-Schatz. Denk erst mal nach. Das ist doch genau das, was die wollen. Ich soll raus aus meinem Apartment. Ich glaube, die versuchen mich eiskalt auszutricksen. Bestimmt lauern die am Ausgang der Riesenrutsche auf mich. Oje, was wenn die mich verhaften wollen? Vielleicht soll ich gar nicht ausziehen, weil ich nicht mehr trainiere, sondern weil ich bis jetzt noch keine Miete bezahlt habe.

      Ach du heiliger Furz, schießt es mir durch Kopf und Gedärm und zischt am hinteren Ende meines zarten Körpers mit leisem Pfiff und dezenter Duftnote wieder heraus.

      Na denen werde ich einen schönen Strich durch die Rechnung machen. Damit kommen die nicht durch. Mit ihren radikalen Methoden werden sie keinen Erfolg haben, dafür sorge ich. Ab sofort reiße ich mich zusammen und bleibe, wo ich bin. Egal, wie viele Stinkbomben sie nach mir werfen. Wir werden ja sehen, wer länger durchhält.

      Ich glaube, meine Mama ist ein Fakir. Vielleicht gehört sie auch einer Sekte an, aber das finde ich noch heraus. Sie ist zusammen mit Papa gerade bei einem Treffen. Die sitzen dort alle im Kreis auf dem Boden. Frauen und Männer, Mama neben Papa. Die haben jede Menge echte Nadeln im Körper stecken. Mann, ist das krank. Aber nur die Frauen, die Männer sind wahrscheinlich zu feige. Wird Zeit, dass ein richtiger Kerl wie ich herzukommt. Seitdem sitzen sie steif da und meditieren, sieht zumindest so aus, eben wie bei ’ner Sekte.

      Verrückte Welt. Möchte mal wissen, warum meine Mama das mitmacht. Ha, ich hab’s. Die steht womöglich drauf.

      Sollte ich mich irgendwann doch entschließen, meine Wohnung zu verlassen, das kann allerdings noch eine Weile dauern, werde ich das mal ausprobieren und sie ordentlich kneifen. Vielleicht bringt mir das ein paar Pluspunkte.

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      Ich bleibe noch ’n Weilchen

      Beinah hätte ich laut losgelacht, aber ich habe meinen Mund mal wieder voll mit fruchtigem Wasser. Also steigen nur ein paar Blubberblasen auf, die meine Mama im Bauch kitzeln. Sie kratzt sich dann immer, genau wie eben.

      Meine Eltern, das ist eine kleine Gruppe von Menschen. Quasi eine Minderheit, denn sie besteht nur aus zwei Personen, nämlich meiner Mama und meinem Papa.

      Die beiden denken tatsächlich, nur weil ich mein Apartment nicht verlasse, will ich einen Rekord aufstellen und als Baby Nummer fünftausend zur Welt kommen. Echt jetzt? Wer bitteschön glaubt denn so einen Scheiß? Darüber kann ich nur lachen. Und die wollen erwachsen sein.

      Bisher war ich immer schwer davon überzeugt, die Lulatsche – so nenne ich die Erwachsenen manchmal, das klingt lustig – wären intelligent und handeln überlegt. Inzwischen weiß ich es besser. Sie tun eigenartige Dinge, sprechen seltsam und benehmen sich auch so. Sagen nein, wenn sie ja meinen, oder putzen das Haus, bevor sie sich Gäste einladen, die dann wieder alles schmutzig trampeln. Und die Frauen, die sind vielleicht komisch. Die haben ganz lange, dünne Stäbchen an ihren Schuhen, auf denen sie nicht einmal richtig laufen können. Könnte ich allerdings auch nicht. Und was noch verrückter ist, die schmieren sich Farbe ins Gesicht. Wozu? Weiß ich nicht. Ich denke, die sind inkognito unterwegs. Aber wehe, wenn du als Kind ihre Wände bunt malst, voll unfair.

      Ehrlich gesagt, es gibt einen triftigen Grund, warum ich nicht aus meiner Bude ausziehen will. Er ist nur nicht so spektakulär, wie meine Eltern glauben. Simpel ausgedrückt, ich fühle mich einfach nur sauwohl da, wo ich bin. In letzter Zeit hocke ich hier drin zwar wie ein Knödel in seiner Verpackung, aber dafür ist es umso gemütlicher.

      Heute ist mir was passiert. Und das hat mich beinah dazu veranlasst, meinen aktuellen Wohnsitz aufzugeben. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich hatte Durchfall. Jetzt ist mein Wasser so übel verdreckt, dass ich kaum noch atmen kann, vom Geschmack ganz zu schweigen. Wodurch das passiert ist? Na ja, das liegt doch völlig klar auf der Hand. Schuld daran ist dieses eklige Zeug, was meine Mama immerzu trinkt, diese Stinkbomben. Sie rührt da Rizinus mit hinein und davon bekommt man Durchfall, schon mal gehört?

      Ich verstehe Hebamme, Hebamme-Hanni oder nur Hanni nicht. Ich dachte bisher, sie ist auf meiner Seite. Warum musste sie dann meiner Mama ausgerechnet Rizinus einreden? Warum nicht Haselnuss, Nutella oder Milchschnitte? Ist zudem viel gesünder.

      Vom dauernden Kopfschütteln über die Lulatsche erleide ich noch irgendwann ein Schleudertrauma.

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      Zwangsräumung, ich werde obdachlos

      Mein Wasser ist der reinste Modder. Ich will mich ja nicht beschweren, denn Schlammbäder sind grundsätzlich gut für die Haut, lösen Verspannungen und helfen gegen Stress. Im Prinzip also gerade richtig in meiner derzeitigen Situation. Ist nur blöd, wenn du das Zeug die ganze Zeit schlucken musst und auch noch einatmest, so wie ich.

      Mein Hals fühlt sich an wie zugeschnürt und ich bekomme kaum noch Luft. So sieht’s im Moment aus bei mir. Und das Einzige, was aktuell bei mir perfekt läuft, ist mein Durchmarsch.

      Ich bewege mich nicht mehr, um meine Körperfunktionen auf dem untersten Level zu halten. Das spart Energie und kostbare Atemluft. Darum liege ich die meiste Zeit nur rum und schlafe.

      »Was ’n jetzt los?«

      Plötzlich werde ich aus meinem Schlaf gerissen und schrecke hoch. Ein Höllenlärm bricht um mich herum aus. Wer ist denn das?

      »Menschenskinder, ich will schlafen!«

      Aber außer mir interessiert das niemanden. Erst einmal versuche ich zu mir zu kommen. Solch eine Hektik bin ich nicht gewöhnt. Was ist da draußen bloß los? Ich verstehe kein Wort bei dem ganzen Gegacker. Bin ich hier etwa in einen Hühnerstall geraten? Das würde dieses Chaos jedenfalls erklären. Halt! Nein! Ich habe mich geirrt. Das sind keine Hühner. Ich höre Stimmen. Verdammt. Stimmen sind gar nicht gut. Kann gewaltig nach hinten losgehen, wenn du davon jemandem erzählst.

      Gerade habe ich den Namen Doktor gehört. Was macht der denn schon wieder hier? Obwohl, bei den Erwachsenen heißt sowieso jeder Zweite Doktor.

      Warum reden die bloß alle so durcheinander? Das hält doch kein Mensch aus. Trotz dieses furchtbaren Lärms schnappe ich ein paar Wortbrocken auf. Das darf nicht wahr sein, denke ich, und verliere soeben das letzte Quäntchen Vertrauen in die da draußen. Diese hinterhältigen Lulatsche wollen mich gewaltsam aus meiner Wohnung zerren, und zwar jetzt!

      Vor Schreck bekomme ich wieder Durchfall. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ruhig zu bleiben, da ich sowieso kaum noch atmen kann. Aber daran ist im Augenblick nicht zu denken. Ich bin total panisch und schlucke versehentlich eine große Menge von dem verdreckten Modder, der mal mein Fruchtwasser war. Lang ist’s her.

      Der Mensch gewöhnt sich normalerweise an so einiges, nur ich bin noch ein Baby, na ja fast. Deshalb haut es mich prompt um und ich werde ohnmächtig. Das war dann doch etwas zu viel von dem Zeug.

      Das Nächste, was ich mitbekomme, das Dach meiner Wohnung ist verschwunden. Es ist scheißkalt und ich friere. Rasch versuche ich, meine Augen zu öffnen, aber mehr als einen Spaltbreit bekomme ich sie nicht auf. Sie sind total mit Modder verklebt.

      Aus dem kleinen Augenschlitz heraus sehe ich über mir zwei Maskierte. Ach du Scheiße, denke ich, bin ich nun auch noch in einen Banküberfall geraten? Der eine hat ein Messer in der Hand. Jetzt bloß nicht bewegen. Doch die beiden starren mich nur an. Bin ich etwa ansteckend? Wissen die denn nicht, dass ich aus einer keimfreien Zone komme?

      Verdammt, am Ende sind die selber infiziert. Scheiß Corona. Soeben fällt mir ein, vielleicht sind die aber auch sauer, weil ich noch keinen Test gemacht habe. Um Himmels willen! Na das gibt garantiert Knast.

      Ich versuche aus der Situation das Beste herauszuholen und stelle mich besser tot. Nicht dass dem noch einfällt, mich abzustechen. Mein Plan funktioniert, denn mit einem Mal legt er das Messer zur Seite. Was nun kommt, ist allerdings auch nicht besser. Er packt mich am Genick und zerrt mich nach oben.

      Die Gelegenheit