und retten mich hoffentlich aus den Fängen meines Angreifers. Weit gefehlt. Dafür weiß ich auf einmal, woher der Wind weht. Das hier ist gar keine Bank. Ich bin in einem Krankenhaus.
Mama hat mich ganz oft davor gewarnt. ›Niemals in eine Klinik‹, hat sie gesagt. ›Dort ist alles nur weiß und kahl. Die Wände, der Boden, das Licht, die Kittel. Einfach schrecklich.‹ Und sie hatte recht. Ich bin an einen Ort des Grauens gelangt.
Plötzlich wickelt der seine Wurstfinger um meine Fußgelenke und lässt mich kopfüber nach unten baumeln. Helft mir, will ich schreien, doch dazu komme ich gar nicht. Unvermittelt erfahre ich bisher noch nie erlebte Schmerzen. Ich werde brutal und rücksichtslos verdroschen. Vermutlich haben meine Eltern vergessen, die Krankenversicherung zu zahlen. Zum Glück trete ich noch mal weg und muss diese Demütigung nicht länger über mich ergehen lassen.
Als ich wieder zu mir komme, geht es weiter mit der Tortur. Ein anderer Maskierter schlägt ununterbrochen auf meinen Brustkorb ein. Gleichzeitig drückt der Typ, der danebensteht, so ein Plastikdings auf mein Gesicht. Ich nehme an, es dient allein dazu, um meine Schreie zu unterbinden, falls ich mich dagegen wehre.
Verdammte Hacke. Was habe ich denen getan, dass die mich um die Ecke bringen wollen? Das Einzige, was mir dazu einfällt, ist, weil ich nun alles spitzbekommen habe und ihre Tarnung aufgeflogen ist. Ich glaube, bei Geheimdiensten ist es so üblich, dass sie einen foltern und anschließend abmurksen.
Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Endlich sind die Folterknechte befriedigt und lassen mich in Ruhe. Ich habe Glück, ich lebe noch. Leise heule ich vor mich hin.
Kurz danach wird mir klar, ich habe mich geirrt. Das war doch noch nicht alles. Ich muss in ein Nest geraten sein. Denn ein Nächster mit Maske erscheint, packt mich und wirft mich in eine Schale. Hinter der Tarnkleidung verbirgt sich eine Frau, das höre ich an ihrer Stimme.
»Drei Komma acht Kilo und fünfzig Gramm«, ruft sie. Dann legt sie mir ein Stirnband an, nimmt es aber sofort wieder ab. Findet mich damit wohl nicht hübsch genug. Gleich darauf probiert sie einen neuen Look. Sie versucht das Band von den Zehenspitzen über meinen Kopf zu ziehen, was natürlich nicht funktioniert. So ein Dummerchen.
»Kopf sechsunddreißig, Länge zweiundfünfzig«, brüllt sie dem Schreiberling zu und reicht mich an den nächsten Maskierten weiter.
Ich werde untersucht. Keine Ahnung, was der zu finden glaubt. »Und? Schon mal ’nem nackten Mann in die Tasche gegriffen?«, frage ich kess.
Keine Antwort. Höflich ist der nicht gerade. O nein, jetzt packt er meinen Dumbo bei den Ohren. Ohne zu fragen. Was fällt dem denn ein? Erschrocken überlasse ich meinem Rüssel das Wort und pinkle dem Typ in hohem Bogen auf die Maske.
Ha, na das hat gesessen. Sofort lässt er los und schnappt sich ein Tuch. Damit würgt er Dumbo ab und versteckt ihn schnell darunter.
Den Trick werde ich mir für später merken.
Jetzt nimmt er einzeln nacheinander jeden meiner Füße, jede Hand und beginnt zu zählen.
»Überraschung«, rufe ich. »Es sind immer fünf.«
Hätte ich ihm gleich sagen können. Hab ich schon vor Wochen alles überprüft, aber mit mir will ja dieser unhöfliche Typ nicht reden.
Nachdem sie mich nun genug gedemütigt haben, sperren sie mich in eine durchsichtige Plastikkiste mit winzigen Fenstern. Muss eine Art Gefängnis aus der Neuzeit sein, komplett ohne Gitterstäbe. Die wollen wahrscheinlich sichergehen, dass ich nicht weglaufe. Dabei weiß ich nicht einmal, wie das geht. Ich habe bisher immer nur Purzelbäume geschlagen.
Hier in dem Knast geht die Überwachung weiter. Ich werde an Kopf und Brust verkabelt und meine Hände und Füße werden gefesselt. Zumindest schlingen sie mehrere Drähte drum.
Eins steht fest, später, wenn sie mal nicht hinsehen, dann befreie ich mich.
Am Ende dieses Tages muss ich einsehen, meine Gutgläubigkeit an die Erwachsenen hat sich nun leider als falsch erwiesen. Mit denen ist nicht zu spaßen.
Ich glaube, meine Chancen lagen von Anfang an bei null. Es ist eingetreten, wovor ich mich immer gefürchtet habe. Sie haben mich total rücksichtslos aus meiner Wohnung gezerrt und letztlich ihr Ziel damit erreicht. Im Anschluss bin ich verprügelt, gefoltert, hin- und hergeschubst worden und danach haben sie mich in eine Zelle geworfen. Ich bin also gezwungenermaßen hier angekommen.
Rückblickend muss ich sagen, die ersten Minuten waren meine schlimmste Erfahrung. In der Zeit hatte ich nur einen einzigen Gedanken: Diese Welt ist kalt und grausam. Seither frage ich mich: Wie konnte es passieren, dass ich ausgerechnet hier gelandet bin?
Der Neue aus der 1B
Eine der vermummten Gestalten karrt mich mit samt meinem Gefängnis in ein anderes Zimmer, das vollgestopft ist mit modernster Technik. Ich bin stark überwältigt und glaube schon, auf einem fremden Planeten gelandet zu sein. Hier hängt ein Apparat neben dem anderen an der Wand und blinkt oder piept. Für einen Moment vergesse ich glatt meinen Kummer, aber nur kurz. Denn selbstverständlich dient dieser ganze Kram auch nur der Überwachung.
Wie es weitergeht, mal sehen. Da kann ich nur abwarten.
Die Vermummte geht aus dem Raum und lässt mich allein zurück. Doch ich bin gar nicht allein. Vor mir gab es schon einmal ein Opfer. Der Wicht ist in etwa so groß wie ich und liegt ebenso gefesselt im Kerker. Seine Zelle hat die Nummer 1A, meine die 1B.
Ich möchte wetten, dass der auch aus seinem Apartment geflogen ist. Der liegt da wie tot. Wahrscheinlich wurde der genauso verprügelt und gefoltert wie ich. Hab versucht, ihn danach zu fragen, aber der gibt keinen Mucks mehr von sich. Den haben sie echt platt gemacht.
Wie ich sehe, bin ich in meiner Zelle nicht der Einzige. An meinem Fußende sitzt ein Knirps. Der ist noch kleiner als ich. Dafür hat er wesentlich mehr Haare. Ich dachte, ich hab schon jede Menge davon. Natürlich nur auf dem Kopf. Doch der hat überall welche, sogar im Gesicht. Voll die Fellfresse. Einen Knopf im Ohr hat er auch. Ist vielleicht so was wie ’ne Häftlingsnummer.
Ich glaube, ich weiß jetzt, warum der so viele Haare hat. Er ist nämlich echt alt, obwohl er kleiner ist als ich. Der hat schon Stimmbruch. Hab ihn nach seinem Namen gefragt. Den hat er mir in einem ganz tiefen Bass zugebrummt. Er heißt Teddy und ist jetzt mein Freund.
In der anderen Ecke hockt noch jemand. Eine Birne. Die ist aus Plüsch und hat riesengroße Augen. Freundlich ist sie auch, denn sie singt ein Lied für Teddy und mich. La-Le-Lu oder so ähnlich. Das finde ich nett, macht nur entsetzlich müde.
Ich bin noch keine fünf Minuten hier, da geht die Tür auf und so eine Tante im weißen Kittel kommt herein. Sie hat jemanden im Schlepptau. Die beiden schauen in meine Richtung und steuern dann direkt Zelle 1B an. Na prima.
Sie tragen zum Glück keine Masken und ich sehe, die Tante lächelt mich an. Ich fühle mich gleich viel wohler. Prügel gibt es demnach keine.
Die andere Person ist ein Mann. Ich mustere ihn von oben bis unten. Er trägt keinen weißen Kittel und ist mir deshalb sofort sympathisch. Mein Blick bleibt an seinem Gesicht hängen. Boah, das ist triefend nass. Hat der vergessen sich abzutrocknen? Nee. Stopp mal. Der heult, oder?
»Hallo, mein kleiner Schatz«, würgt er hervor.
Moment! Die Stimme kenne ich. Das ist doch dieser Typ. Etwa mein Papa?
»Ich bin dein Papa.«
Ich hab’s gewusst. Aber warum hört er nicht mit dieser Heulerei auf? Ist doch albern. Ich überlege. Hat er vielleicht vorhin schon geheult, als er ins Zimmer kam? Nein, hat er nicht. Erst, als er mich gesehen hat. Es muss demzufolge an mir liegen. Oje, mir schwant Schlimmes. Bin ich etwa so hässlich?
»Gebt