Siebe Josephine

Joli - Eine lustige Affengeschichte


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halten, er war ein gar gewandter Kletterer. Etliche Buben versuchten, an den luftigen Wänden der Bude hinaufzuklettern, doch diese geriet so ins Schwanken, daß entsetzt ein paar verständige Männer die Buben packten und zurückhielten, sonst wäre vielleicht die ganze Menagerie zusammengefallen.

      »Joli, Joli, süßer Joli!« flehte die Menageriedame. »Komm doch wieder, mein Liebling, du bekommst auch Zucker!« »Haue bekommst du, du Biest!« schrie der Hanswurst, der auf einmal gar nicht mehr lustig, sondern wütend und böse aussah.

      »Vor dem Hanswurst kann man sich fürchten,« flüsterte Lieselinchen ihrem Bruder ängstlich zu.

      »Der arme kleine Affe,« murmelte der, »wenn sie ihn fangen, bekommt er Schläge.«

      »Man muß die Feuerwehr holen und den Ausreißer tüchtig naß spritzen lassen, dann kommt er schon zurück,« riet ein Mann.

      In diesem Augenblick sah Dietrich neben sich zwei boshaft funkelnde Augen, hörte ein hämisches Lachen, und schon sauste ein Stein über die Köpfe der Menge hinweg nach dem Dach der Bude. Ein vielstimmiger Schrei ertönte, einige Leute duckten sich, andere flohen unwillkürlich, von oben herab aber rollte ein kleiner brauner Körper in die Menge hinunter – das Äffchen.

      »Aber John, o John, was hast du getan!« schrie die Menageriefrau. Sie stürzte auf das Tierchen zu und hob es schluchzend auf.

      Der Hanswurst lachte: »Ach was, der Denkzettel schadet dem unnützen Kerl nichts, er hat mich genug geärgert!«

      »Pfui, aber pfui, so ein schlechter Mensch!« rief Mutter Wicherten hinter ihren Obstkörben hervor. Andere Stimmen fielen ein, und alle schalten auf den Hanswurst. Die Frau aber klagte: »Er stirbt, unser Joli stirbt! Ach, woher bekomme ich nur gleich einen andern Affen!«

       Dietrich und Lieselinchen waren aufgeregt bis dicht an die Bude getreten, und Lieselinchen streckte unwillkürlich dem verwundeten Tier eine goldgelbe Birne hin, die sie in der Tasche hatte. Einige Sekunden lang öffnete Joli, dem das Blut über das Körperchen rann, seine Augen und sah mit einem unbeschreiblich traurigen Blick die Kinder an, ohne die Birne anzurühren.

      »Geben Sie ihn uns, wir wollen ihn gesund pflegen,« rief Dietrich mitleidig. Blitzschnell dachte er daran, daß er daheim schon einmal einen kranken Hund gesund gepflegt und daß niemand darüber gescholten hatte. Er und Lieselinchen hatten auch schon einmal einen halbtoten Raben heimgenommen, den sie auf dem Felde gefunden hatten, und der war auch gesund geworden. Ach, vielleicht würde es ihnen hier auch gelingen.

      »Das nützt nichts mehr, Bube,« sagte der dicke Schulze aus Oberheudorf, der sich durchgedrängt hatte und nun breitbeinig vor der Bude stand.

      »Vielleicht doch,« flüsterte Lieselinchen, der die hellen Tränen über die Backen liefen.

      Dem Hanswurst war seine rasche Tat längst leid geworden; er bereute, was er im Zorn getan hatte, nicht aus Mitleid, sondern weil ihm das Geld leid tat, das ein neuer Affe kosten würde.

      »Vielleicht kauft das kleine Fräulein unsern Joli, wir geben ihn billig ab,« sagte er etwas spöttisch.

      »Haha, das ist ein Spaß!« lachte der Oberheudorfer Schulze. »Was soll er denn kosten? Ist 'ne Million genug?«

      »Drei Mark,« rief der Hanswurst rasch und schaute sich um. Vielleicht war jemand so töricht und gab das Geld für das halbtote Tier.

      Die Leute lachten. Ein kleiner, frecher Bube rief: »Einen Löwen kriegt man wohl zu und 'n Kamel auch, Herr Hanswurst?«

       Dietrich und seine Schwester hatten sich angeblickt, und Lieselinchen nickte: »Ich will, wenn du es willst!«

      »Es ist dein Taler,« sagte Dietrich zögernd. »Du hast dich so auf den Wagen gefreut. Willst du wirklich?«

      »Ich will die drei Mark bezahlen,« rief auf einmal Lieselinchen; sie wurde dabei rot wie eine Feldmohnblume, weil alle Leute sie ansahen.

      »So ein Unsinn!« schalt eine Frau, und Mutter Wieherten zeterte aus ihrer Ecke hervor: »Aber Kinder, seid ihr närrisch geworden? Ihr wolltet euch doch einen Wagen kaufen. Das Tier stirbt euch ja unter den Händen!«

      Der Hanswurst aber hatte geschwind das Äffchen in einen alten Lappen gewickelt und es Lieselinchen auf den Arm gelegt. »Hier, mein kleines herzensgutes, zuckersüßes Fräulein,« sagte er schrecklich freundlich. »Es ist ein Glück, daß es noch gute, mitleidige Menschen gibt.«

      »Das ist eine bodenlose Dummheit! Man sollte es nicht erlauben,« brummelte der Oberheudorfer Schulze. Andere Leute mischten sich auch ein, und es entstand ein großes Geschrei: man wollte es nicht zulassen, daß die Kinder das Tier kauften. Da wurde der Hanswurst wieder wütend und drohte, er werde das Äffchen auf der Stelle totschlagen. Wieder sahen sich die Geschwister an, und wieder nickten sie einander zu. Rasch zog Dietrich den blanken Geburtstagstaler aus der Tasche und reichte ihn dem Hanswurst. Der steckte das Geld, obgleich die Leute um ihn herum heftig schalten, vergnügt in die Tasche und schoß plötzlich einen Purzelbaum. Wie ein Rad kollerte er vor der Menagerie hin und her, schnitt Grimassen, stellte sich auf den Kopf und erreichte mit seinen Kunststücken, daß die Zuschauer für einige Augenblicke das Äffchen vergaßen.

      Dietrich und Lieselinchen benutzten das allgemeine Erstaunen und liefen mit dem halbtoten Tier davon. Sie schämten sich beinahe, daß so viele Leute ihr gutes Werk mit angesehen hatten.

      »Na, sagte ich's nicht, ein Wagen wird es doch nicht?« sagte Mutter Wicherten, als die Kinder an ihr vorüberkamen. »Nun ist's sogar ein Affe geworden. Ein Kaffeegeschirr wäre besser gewesen.« Sie nahm dann ein paar weiße und rote Zuckerstangen, die sie auch feilhielt, und steckte sie den beiden zu. »Was tut ihr denn jetzt mit dem armen Tier?«

      »Wir gehen zum Herrn Tierarzt Lindner,« sagte Dietrich rasch, »nicht wahr, Lieselinchen? Vielleicht verbindet er uns Joli.« Lieselinchen nickte und sah den Bruder strahlend an. Wie klug der aber auch war! Gleich wußte er einen Ausweg.

       »Das ist vernünftig,« lobte Mutter Wicherten und steckte Dietrich noch rasch die Taschen voll Johannisbrot. »Geht nur geschwind, vielleicht wird der arme Schelm noch gesund.«

      

Vorläufig lag Joli freilich ganz still auf Lieselinchens Arm, und die Kleine klagte auf dem Weg zum Tierarzt: »Er stirbt gewiß. Ach, hoffentlich ist Herr Lindner zu Hause!« Der war zu Hause; er hörte freundlich den Bericht der Kinder an, und als Dietrich schüchtern sagte, sie hätten aber nur noch eine Mark, sagte er lachend: »Ich will euch euren Joli schon ganz umsonst kurieren, hoffentlich gelingt es mir.«

      Er nahm das Tierchen, legte es auf einen Tisch und untersuchte die Wunde. Dabei wurde sein Gesicht immer fröhlicher, und während er das Äffchen sorgsam verband, sagte er zu den Geschwistern, die sein Tun angstvoll beobachteten: »Er wird wohl gesund werden. Hoffentlich habt ihr auch recht viel Freude an ihm. Affen sind manchmal recht unnütze Hausgenossen, ich mag sie freilich trotzdem gut leiden.«

      Es war, als hätte Joli dies verstanden; er öffnete seine dunklen Augen und sah wieder mit einem tieftraurigen Blick die Kinder an, just als wollte er sagen: »Habt mich nur lieb, ich will schon folgsam sein!«

      Da streichelte ihn Lieselinchen sacht und flüsterte: »Armer, kleiner, lieber Joli, du wirst gewiß nicht böse sein.«

      Inzwischen war Frau Hesse, die Mutter der beiden Kinder, mit Bubele und Babele, so wurden der vierjährige Max und die fünfjährige Barbara genannt, auch auf dem Jahrmarkt angelangt. Sie hielten alle drei Umschau nach Dietrich und Lieselinchen und wunderten sich, daß ihnen die nicht schon mit dem neuen Wagen entgegenkamen.

      »Ich setz' mich in'n Wagen,« erklärte Bubele.

      »Ich auch,« rief Babele, »und Mutti auch,« fügte sie rasch hinzu.

      Die Mutter lachte: »Na, so groß