war sehr viel, denn lange Reden hielt er nicht gern. Fabian, der, wie er selbst sagte, so lang wie der Johannistag war, nahm einfach den Korb mit dem Affen auf den Arm und schritt dem Gewächshause zu. Dort gab es eine kleine, immer wohlig warme Kammer, die ihm als Affenwohnung recht passend erschien. Soviel Dietrich und Lieselinchen unterwegs auch darüber nachgedacht hatten, wo Joli wohnen könnte, diese Kammer war ihnen natürlich nicht eingefallen. An diese dachte nur Fabian.
Der machte auch geschwind ein weiches, warmes Heulager zurecht. Die Mutter kam und brachte eine alte wollene Decke, in die Joli wie ein kleines Kind gewickelt wurde, und dann kauerte das Tierchen still auf seinem Lager. Es schien ihm ganz gut zu gefallen; wohl winselte und stöhnte es bei jeder Berührung, aber plötzlich streckte es Lieselinchen seine kleine Pfote hin, als wollte es sagen: »Danke schön!«
»Er ist süß!« schrie Lieselinchen begeistert.
»Süß!« wiederholten Bubele und Babele und stürmten etwas ungestüm auf Joli los. Doch der fletschte da auf einmal wütend die Zähne, sah mit bitterbösen Augen auf die beiden Kleinen und kreischte laut.
Bubele und Babele flüchteten schreiend, und weil Babele zu weinen anfing, schluchzte Bubele mit. Da wurde plötzlich das Gesicht des Affen wieder sanft und traurig, und er streckte noch einmal seine Pfote aus, als wollte er reumütig sagen: »Ich hab' es doch nicht so bös gemeint!«
So war der Friede wieder hergestellt. Von diesem Augenblick an aber gingen zur großen Beruhigung der Mutter Babele und Bubele doch immer in einem großen Bogen etwas ängstlich um den neuen Hausgenossen herum. Frau Hesse war nicht ganz zufrieden mit dem Gast, sie wußte, daß Affen manchmal recht boshaft und bissig sind, und in der ersten Zeit beobachtete sie Joli immer besorgt. Würde er den Kindern nichts tun? – Doch Joli zeigte sich anfangs sehr friedsam. Er ließ sich pflegen und verwöhnen, selbst als der Tierarzt kam und nach seiner Wunde sah, war er nicht ungebärdig. Die Wunde heilte überraschend schnell, und schon nach wenigen Tagen konnte Joli allerlei Kletterkünste ausüben. Da zeigte er denn bald, daß er eigentlich ein rechter Schelm war und auf allerlei Dummheiten ausging. Er nahm Lieselinchens geliebtem Puppenkind Ninette den allerbesten Sonntagshut weg, schmückte sich damit und zerknüllte und zerzauste das hübsche Hütchen so, daß es niemand Ninette verdenken konnte, wenn sie den Hut nicht mehr tragen wollte. Die Wahrheit des alten Wortes, daß der Affe sehr possierlich ist, zumal wenn er vom Apfel frißt, bewahrheitete auch Joli. Seine Mahlzeiten waren für die Kinder ein Hauptvergnügen, und der Schelm merkte ihre Freude; je mehr sie lachten, desto tollere Grimassen schnitt er, desto emsiger zerzupfte er mit seinen braunen Händen die Speisen. Er leckte und schleckte, drehte sich und wand sich, daß die Kinder allemal in ein helles Lachen ausbrachen.
»Er ist ordentlich eitel, der kleine Kerl,« sagte der Vater. »Seht nur, er will immer bewundert sein.« Und es war wirklich so. Joli wollte Beifall haben für seine Taten. Als Fabian einmal mit den Kindern einer Mahlzeit zusah und etwas grimmig sagte: »Macht's ihm nur nicht nach! Schön sieht's nicht aus, wie er frißt,« warf ihm Joli einen angebissenen Apfel an den Kopf.
»Na, nu schlägt's dreizehn,« brummte Fabian. »So'n Frechling!«
Die Kinder lachten lustig, ihr Lachen aber reizte Joli erst recht, und schwapp! flog dem armen Fabian eine Mohrrübe an den Kopf. Das war dem aber doch zu viel: er stellte sich breitbeinig vor Joli hin und hielt dem Affen mit seiner tiefen Stimme eine lange Strafpredigt. Es war gewiß die längste Rede, die Fabian jemals in seinem Leben gehalten hatte. Sie ließ sogar die Kinder verstummen, die waren einfach paff über Fabians Sprachleistung, und Bubele riß sein Mäulchen so weit auf, als wollte er mindestens ein Vierpfundbrot verschlingen. Anfangs wollte Joli noch etliche andere Reste seiner Mahlzeit folgen lassen, aber jedesmal erhob Fabian drohend seine Stimme, dann kauerte sich das Äffchen erschrocken zusammen. Zuletzt fing es an zu greinen und zu klagen wie ein kleines Kind, und Fabian sagte befriedigt: »Es hat geholfen!«
Und es hatte wirklich geholfen. Joli hatte fortan einen ausbündigen Respekt vor Fabian. Er folgte ihm aufs Wort, anfangs etwas ängstlich und verschüchtert, nach und nach wurde er aber zutraulicher, und bald liebte er den langen Burschen genau so wie die Eltern und die Kinder. Denn Joli liebte wirklich die Familie, die ihn aufgenommen hatte; er war zutraulich zu allen, am meisten aber zu Lieselinchen. Es war, als ahnte er, was die Kleine für ein Opfer für ihn gebracht hatte. Kam sie, dann verklärte sich sein braunes Affengesicht ordentlich, und er streichelte manchmal mit seinen kleinen Pfötchen liebkosend Lieselinchens zarte Wangen. Er saß auch still auf ihrem Schoß und legte liebkosend seine Arme um seiner kleinen Herrin Hals. Solange Joli noch krank war, blieb er in seiner warmen Kammer am Gewächshaus, nachher durften ihn die Kinder mit hinaus nehmen in den Garten. Herr Hesse hatte ein Halsband mit einer feinen, langen Kette besorgt, das bekam der kleine Schelm umgelegt, damit er nicht ausriß oder im Garten vielleicht Unheil anrichtete.
Es waren gar wundervolle Herbsttage. Der Sommer schien noch einmal zurückgekehrt zu sein, um sich an der Farbenpracht und Früchtefülle des Bruders Herbst zu freuen, so warm und sonnenhell war es. Auf den Beeten blühten die Herbstblumen in greller Buntheit. Die Rosen hatten sich noch einmal mit kostbaren, duftenden Blüten geschmückt, und die Obstbäume schienen die Menschen förmlich zu bitten, doch ihren Reichtum zu nehmen, so tief neigten sie ihre Äste. In der Hesseschen Gärtnerei gab es alle Hände voll zu tun. Das Obst mußte abgenommen und für den Verkauf eingepackt werden. Von besonders köstlichen Sorten, die an Spalieren gezogen wurden, bekam jede Frucht eine Umhüllung von Seidenpapier. »Ein Sonntagskleidchen,« nannte es Lieselinchen. Die Kinder mußten in ihren Freistunden alle helfen, selbst Bubele und Babele suchten eifrig unter den Bäumen nach vorwitzig herabgefallenen Früchten.
Das Haus durchzog ein süßer Obstgeruch, und wenn eine Hausfrau kam, Blumen oder Früchte zu kaufen, dann atmete sie wohl tief den köstlichen Duft ein, und manche sagte auch: »Hier möchte ich wohnen.« Das fanden die Kinder begreiflich genug, denn auch ihnen gefiel es gut daheim, und wenn sie aus der Stadt kamen, in die sie zur Schule gingen, waren sie allemal froh, wenn sie schon von ferne den heimatlichen Garten sahen. Und Joli gefiel es auch gut. In der Menagerie hatte er oft hungern müssen, da waren verkrüppelte, halbschlechte Äpfel schon Leckerbissen gewesen, und hier gab es täglich die prächtigsten Früchte. Der kleine Kerl schmauste nach Herzenslust, er wurde gesund und frisch dabei und immer übermütiger. »Laßt nur den Joli nicht hinaus, er hat so listige Augen,« mahnte der Vater oft, »er sieht aus, als möchte er gern viele dumme Streiche machen.«
Dietrich und Lieselinchen verteidigten dann immer lebhaft ihren Schützling; das Äffchen war in ihren Augen ein richtiger kleiner Tugendspiegel, ein Wunder an Klugheit und Gelehrsamkeit. Der Kinder Schulkameraden bekamen jeden Tag von Joli erzählt, und Joli war in Dietrichs und Lieselinchens Klasse eine sehr bekannte Persönlichkeit. Manch ein Bube, manch ein Mädel ging in diesen sonnigen Herbsttagen zur Gärtnerei hinaus, um Joli zu sehen. Manche Mutter wunderte sich auch wohl, wie flink jetzt ihre Kinder dabei waren, von Hesses allerlei Obst oder Gemüse zu holen.
Auch Mutter Wicherten, die eine gute Kundin war, kam, um Joli zu sehen. Pustend und stöhnend, von dem weiten Wege etwas außer Atem, betrat sie Jolis Kammer. Der Affe hing gerade an einer Schaukel, die Fabian für ihn zurecht gemacht hatte. Nachdenklich betrachtete ihn die Obstfrau, dann schüttelte sie den Kopf und sagte etwas wegwerfend: »Nee, Kinder, so'n kleines Scheusal könnte mir partout nie nich gefall'n. Akkrat wie'n kleiner Teufel sieht das Biest aus!«
Der arme Joli aber meinte, gegen Gäste müßte man besonders höflich sein. Als besondere Höflichkeit nun erschien es ihm, Mutter Wicherten etwas näher anzuschauen. Dies wollte er auch ausführen, und hops! saß er der guten Alten auf der Schulter. Die Obstfrau stieß einen durchdringenden Schrei aus. Fabian stürzte herzu und nahm Joli fort, der ganz verstört in eine Ecke kroch und ängstlich kreischte.
»Du meine Güte, so'n Untier,« schimpfte Mutter Wicherten zornig und entfloh eilig. Draußen behauptete sie dann: »Mich bringen nicht hundert Pferde mehr da hinein. Schafft ihn ab, Kinder, schafft ihn ab! 'n Wagen ist allemal besser als 'n Affe. Glaubt mir's, das nimmt kein gutes Ende.«
Das war aber zu viel für Lieselinchen, so schlecht war ihr Liebling nicht. Weinend