Siebe Josephine

Joli - Eine lustige Affengeschichte


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aber lange nicht einschlafen; es war ihr, als liefen huschende Schritte an ihrer Kammer vorbei, es knisterte und knasterte im Haus, und in ihrem Haß gegen Joli dachte sie wieder: »Daran ist nur der braune Satan schuld. Ich habe immer gesagt: Das Tier ist unheimlich, es wird noch mal 'n Unglück ins Haus bringen.«

      Lieselinchen schlief auch in dieser heiligen Nacht so tief und sanft wie sonst. Doch plötzlich wurde sie in einem heiteren Traum gestört. Jemand hatte sie angefaßt und schüttelte sie. Erschrocken fuhr sie auf, sie fühlte etwas Weiches, Haariges neben sich.

       »Joli!« rief die Kleine erschrocken.

      Das Äffchen stieß einen kurzen, ängstlichen Schrei aus, und davon wurde Lieselinchen ganz wach.

      »Joli, was hast du?« fragte sie ängstlich.

      Im Schein der Nachtlampe, die das Mädchenstübchen matt erhellte, sah sie, daß ihr kleiner Freund ganz verstört aussah. Er zitterte vor Angst und stieß klagende, flehende Schreie aus. Und dann merkte Lieselinchen noch etwas: es roch so seltsam im Zimmer, und durch die Türe, die offen stand, zogen weißliche, dicke Wolken.

      Feuer! Lieselinchen saß wie erstarrt da. Feuer! War das möglich? Aber da zerrte und zog Joli an ihrem Hemdchen, er strich mit seiner kleinen Pfote über ihr Gesicht und jammerte laut, als wollte er bitten: »Rette dich doch, rette dich doch!«

      Dies brachte Lieselinchen zur Besinnung. Mit beiden Beinchen sprang die Kleine aus dem Bett heraus, stolperte in das Schlafzimmer der Eltern und schrie: »Feuer! Feuer! Vaterle, es brennt!«

      Eine Minute später hatte Herr Hesse die Gefahr erkannt, in der alle schwebten; das ganze Treppenhaus war bereits in Qualm gehüllt. Da gab es kein Besinnen mehr, und zum Glück war er ein ruhiger, entschlossener Mann, der in der Gefahr nicht den Kopf verlor. Er nahm Bubele und Babele, die ganz verschlafen waren, hüllte sie noch in eine Bettdecke und eilte mit ihnen hinaus. Die Mutter, Dietrich und Lieselinchen folgten. Jedes hatte noch schnell nach seinen Sachen gegriffen. Der Vater aber rief eilig: »Vorwärts, vorwärts! Kümmert euch nicht um die Sachen!«

      Er ging die Treppe hinunter in den dicken Qualm hinein, nur drei Stufen, dann schrie er: »Umkehren!« Er sah, daß es unmöglich war, durchzukommen, schon schlugen aus dem Wohnzimmer die hellen Flammen heraus.

      »Am Spalier hinab!« keuchte der Vater und schob die Seinen zurück ins Schlafzimmer. Dort an der Rückwand des Hauses zog sich fast bis zu den Fenstern ein Weinspalier hinauf. An ihm schwang sich Herr Hesse hinunter, Dietrich folgte geschwind, und beide schleppten rasch eine Leiter herbei, auf der die Mutter und die andern Geschwister folgen konnten.

      »Seid ruhig!« tröstete der Vater die weinenden Kinder.

      »Meine Puppe, meine neue Puppe!« jammerte Babele, aber da war sie schon unten, und durch den beschneiten Garten ging es mit lauten Rufen nach dem einige Schritte entfernt liegenden Warmhaus.

      An Lieselinchens Hals hing Joli. Der hatte nicht einen Augenblick seine kleine Herrin verlassen, so fest hielt er sie aber umschlungen, daß diese ihn gar nicht zu halten brauchte.

      Fabian war durch Karos klagendes Bellen aufgewacht, da hatte er seine Kammer in vollem Feuerschein gesehen, und auch er war rasch aufgesprungen und kam nun den Geretteten entgegen, Bartel, der Lehrling, hinter im drein.

      »Lina, wo ist Lina?« rief Frau Hesse.

      Ihr Mann tröstete: »Geht nur alle ins Gewächshaus, in das letzte; hier werden die Scheiben springen. Wir holen Lina,« und mit Fabian stürzte er zurück, um Lina aus dem brennenden Hause zu retten.

      Kaum schien das noch möglich. Schon schlugen aus den Fenstern heraus die hellen Flammen, und eine dicke, schwere Rauchwolke stieg zum nächtlichen Himmel empor. In ihrer Kammer aber lag Lina in tiefem, festem Schlaf; der eindringende Rauch hatte sie schon bewußtlos gemacht, und sie hörte nichts von dem Lärm, sie hörte nicht das angstvolle Rufen, sie wußte auch nicht, daß Fabian ihr Fenster einschlug und rauchgeschwärzt in ihre Kammer eindrang. Die Rettung kam im letzten Augenblick. Denn kaum hatte Fabian mit der Bewußtlosen sich wieder zum Fenster hinaus geflüchtet, da stürzte mit donnerndem Gepolter ein Teil der Mauer ein. Nun rasten die Flammen, durch nichts mehr gehindert, durch das Haus und verzehrten gierig alles, was sie fanden. Jedes Stück des Hausrates wurde ihre Beute. Das Weihnachtszimmer mit all seiner Märchenherrlichkeit war zuerst ausgebrannt; nichts blieb von all den hübschen Dingen übrig, auf die die Kinder sich wochenlang sehnsüchtig gefreut hatten. Und so manches liebe Stück, das noch aus der Großeltern Hause stammte, verbrannte. Nichts wurde gerettet.

      Als der Morgen graute, war das freundliche, behagliche Gärtnerhaus, in dem die Hesses so viele glückliche Stunden verlebt hatten, nur noch ein rauchender Trümmerhaufen. Auch die Gewächshäuser waren zum Teil zerstört, die Scheiben gesprungen, nur eines, das etwas abseits am Gartenende stand, war unversehrt. In diesem saßen die Abgebrannten an diesem trübseligen Morgen des ersten Feiertages.

      »Wir müssen in der Stadt ein Unterkommen suchen,« sagte der Vater niedergeschlagen, als er sah, daß aller Kampf vergeblich war und das Feuer sich nicht dämmen ließ. Traurig fuhren alle auf einem Leiterwagen in die Stadt. In Decken gehüllt, notdürftig gekleidet, so kauerten die Kinder schluchzend zusammen. Die Kleinen weinten um die verbrannte Weihnachtspracht, die Großen aber verstanden schon mehr den Kummer der Eltern. Joli saß dicht neben Lieselinchen; der kleine Kerl zitterte immerzu und warf manchmal böse Blicke auf Lina. Das Mädchen weinte, seit sie wieder zu sich gekommen war, unaufhörlich; so verzweifelt war ihr Klagen, daß Frau Hesse, der ihr Herz doch selber bitter schwer war, sie noch zu trösten versuchte. Vergeblich, Lina hörte gar nicht auf die sanften Worte, sie schluchzte und klagte, als sei es ihr Haus gewesen, das verbrannt war.

      Wie sie so miteinander in dem frühen, grauen Morgen dahinfuhren, an Häusern vorbei, in denen die Menschen noch friedlich und festtagsruhig schliefen, sagte Herr Hesse nachdenklich: »Wie mag nur das Feuer entstanden sein? Ich grüble und grüble und kann keine Erklärung finden. Das Licht war doch im ganzen Hause überall ausgelöscht?«

      »Im Weihnachtszimmer hat es anscheinend angefangen. Gewiß ist beim Baumanzünden oder beim Auslöschen ein Fünkchen irgend wohin geflogen und hat gezündet,« sprach Frau Hesse.

      Ihr Mann schüttelte trüb den Kopf. »Ich habe so genau nachgesehen.« Plötzlich sah er die weinende Lina an, die ganz zusammengesunken dasaß. »Warst du noch einmal im Weihnachtszimmer?« fragte er.

      »Nein, nein,« schrie das Mädchen, »daran ist ganz gewiß der Affe schuld. Ich habe immer gesagt, mit dem Tier kommt Unglück ins Haus!«

      »Joli hat mich aber doch gerettet,« verteidigte Lieselinchen ihren Liebling, »er hat mich geweckt.«

      »Dich gerettet?« riefen alle erstaunt. Im ersten Entsetzen hatte niemand gefragt, wie es gekommen war, daß Lieselinchen zuerst aufgewacht war. Nun erzählte die Kleine, und immer erstaunter schüttelte Herr Hesse den Kopf.

      »Seltsam,« murmelte er, »wie konnte das Tierchen die schwere Küchentüre aufklinken? Eure Schlafzimmertür, ja, die geht leicht auf, aber die Küchentüre bringt ja selbst unser Bubele noch nicht auf.«

      »Warst du noch einmal in der Küche?« fragte Frau Hesse Lina und sah das Mädchen forschend an.

      »Nein,« murmelte diese und schluchzte weiter. Das Herz war ihr schwer ob der Lüge, aber es war fürchterlich, die Wahrheit zu bekennen, denn dann würden alle sagen, sie sei schuld am Feuer. »Du bist es auch, du bist es auch,« klang eine Stimme in ihr. Sie schloß zitternd die Augen und sah sich plötzlich wieder mit dem flackernden Lichtlein durch das Zimmer eilen.

       »Ach mein Gott, ich hab' doch das Feuer angezündet,« murmelte sie verzweifelt.

      »Sagtest du was, Lina?« fragte Frau Hesse, die die Weinende beobachtete.

      »Nee,« schluchzte Lina. »Ach mein Gott, der Affe, der Affe ist an allem schuld, er alleine, er alleine!«

      Die Kinder konnten Joli nicht noch einmal verteidigen, dem Wagen entgegen kamen jetzt rasch Leute geeilt, und den Abgebrannten tönten herzliche Rufe entgegen: »Kommt zu uns, wir haben Platz!« – »Wir auch!« – »Seid