wohlbekannte Stimme. Die dicke Obstfrau winkte und nickte, und als die Mutter mit den beiden Kleinen vor ihr stand, erzählte sie sehr eifrig von dem Affenkauf der beiden Kinder. »Sie haben beide ein sehr gutes Herz, das muß man sagen,« schloß sie.
Frau Hesse nickte, und ein liebes Lächeln ging über ihre Züge. »Ein gutes Herz,« wiederholte sie innig.
Bubele und Babele hatten mit weit aufgerissenen Augen der Erzählung gelauscht, und das Bubele, das noch um ein wenig dümmer als das Babele war, rief fragend: »Ischt 'n Affe was schu essen?«
»Nee, 'n Affe is was aus'm Bilderbuch,« belehrte Babele wichtig. Dann fragte sie Mutter Wicherten eindringlich: »Sitzt der Affe im Wagen drin?«
»Nein, nein, mein Babele,« erklärte diese, »'n Wagen, den gibt's nu nicht, aber ein Affe ist viel, viel schöner!«
Den Affen wollten sich Bubele und Babele schon gefallen lassen, daß es aber keinen Wagen geben sollte, das fanden sie sehr betrüblich. Sie brachen plötzlich beide in ein jämmerliches Geschrei aus, und vergeblich versuchte Mutter Wicherten sie mit einer Zuckerstange zu trösten, sie weinten immer kläglicher. Dietrich und Lieselinchen, die mit ihrem verbundenen Affen eilig zum Jahrmarkt zurückkehrten, um die Mutter mit den beiden Kleinen zu suchen, hörten schon von weitem das Geschrei und merkten auch bald, warum die Geschwister so jammerten. »Wir wollen 'n Wagen,« klagten beide. »In 'n Wagen sitzen,« heulte Babele, und Bubele fügte hinzu: »Ich will'n ziehen.«
Dietrich und Lieselinchen sahen sich erschrocken an: sie hatten den Kleinen die Freude verdorben. Denn daß es Lieselinchens Geburtstagstaler war, das kümmerte die Geschwister eben mitsammen wenig. »Unse Wagen, unse Wagen!« heulten die Kleinen.
Die Mutter wußte sie aber rasch zu beruhigen, und die beiden Großen, wie sie von Bubele und Babele genannt wurden, merkten bald, daß die Mutter nicht böse war, daß sie ihre Tat verstand. Da wurden ihnen die Herzen leicht, und eifrig erzählten sie der Mutter noch einmal alles, zeigten Joli, der ganz still mit geschlossenen Augen auf Lieselinchens Armen lag, und berichteten von dem Ausspruch des Tierarztes.
Von den Herrlichkeiten des Jahrmarktes sahen die Kinder an diesem Tage nicht viel. Joli mußte nach Hause gebracht werden, Joli brauchte Ruhe und Pflege. Selbst Bubele und Babele fanden sich darein. Vom übrig gebliebenen Geld kaufte Dietrich rasch ein paar Spielereien für die Kleinen und eine Tüte Pfefferkuchen als Wegzehrung, und dann ging es heimwärts. Joli lag in einem alten Obstkorb, den Mutter Wicherten geliehen hatte, und die Geschwister trugen ihn alle vier. Bubele und Babele hielten wenigstens die Händchen am Korb, sie wollten dem armen Joli doch auch etwas zuliebe tun.
Pläne wurden geschmiedet und lustige Luftschlösser aufgebaut, wie es werden würde, wenn Joli erst gesund war, wenn er wieder klettern und vielleicht Kunststückchen machen konnte. Immer flinker liefen die Kinderbeine. Die vier hatten es am Morgen gar nicht erwarten können, auf den Jahrmarkt zu kommen, nun eilten sie früher, als sie es gedacht hatten, seelenvergnügt heimwärts. An den Wagen dachten sie gar nicht mehr, nur an Joli und daran, was Vater zu dem neuen Hausgenossen sagen würde. O, Vater würde sich freuen, denn Vater liebte ja Tiere so, Tiere und Pflanzen.
»Wir kommen, wir kommen,« schrieen alle vier, als sie von weitem das liebe Heimathaus sahen, »wir kommen, wir kommen!«
»Und Joli kommt mit,« krähte Babele.
»Joli mit,« wiederholte Bubele vergnügt, als der Vater das Gartentor öffnete und ihnen entgegenkam.
Zweites Kapitel.
Im Gärtnerhaus.
Das Heimathaus der vier Geschwister lag vor der Stadt, vor dem Tore eigentlich, denn die kleine, altertümliche Stadt besaß noch zwei wohlerhaltene Tore mit Türmen. Die Stadtmauer aber war längst gefallen, und wo sonst ein breiter Wassergraben die Stadt umgürtet hatte, gab es jetzt eine schöne, breite Promenade.
Ein Stückchen weiter hinter den letzten Häusern der Stadt lag die Kunst- und Handelsgärtnerei von Rudolf Hesse, dem Vater der Kinder. Früher hatte das Haus einem etwas wunderlichen alten Herrn gehört, einem großen Gartenfreund und Blumenliebhaber. Der hatte Rudolf Hesse, der ein entfernter Verwandter seiner Frau war, als armes, verlassenes Waisenbüblein zu sich genommen, ihn erzogen und ihn Gärtner werden lassen. Das alte Haus mit dem Garten wurde zu einer großen Gärtnerei umgewandelt. Das hatte Onkel Dietrich noch erlebt, hatte auch noch den kleinen Dietrich aus der Taufe gehoben, dann aber war er sanft und friedlich gestorben. Er lebte aber fort in den Herzen der Seinen. Am Ende des Gartens lag sein Grab, so hatte er es selbst gewünscht, und die Blumen, die der alte Onkel so sehr geliebt hatte, blühten immer wohlgepflegt auf dem Grabe. Onkel Dietrichs Blumen zu begießen, war die liebste Beschäftigung der Kinder.
Dietrich, Lieselinchen, Babele und Bubele lebten ein glückliches Kinderleben in dem alten Haus. Wohl kam mal eine Krankheit, oder dem Vater verdarb ein Unwetter seine Pflanzungen, aber das alles waren keine allzu schweren Sorgen, sie gingen vorüber wie flüchtige Wolken, die über die Sonne ziehen, und trübten nicht lange die fröhliche Heiterkeit des Familienlebens. Von den arbeitsamen, gütigen Eltern geleitet, zwischen Blumen und Bäumen wuchsen die vier Kinder heran und waren alle Tage lustig und guter Dinge. Sie freuten sich am Wechsel der Jahreszeiten, an Alltagen und Festtagen und aßen ihr tägliches Brot mit so gutem Appetit wie den Sonntagskuchen. Sie waren auch manchmal wild und unartig und bekamen Schelte, wie es so geht. Sie waren aber doch rechte, fröhliche, gesunde Kinder. Von Vater und Mutter hatten sie es gelernt, alle Tiere und Pflanzen zu lieben, auf sie zu achten und, was ihnen gehörte, sorgsam zu pflegen.
Sie hatten daher alle vier auch keine Sorge, der Vater könnte das Äffchen scheel ansehen, und als er sich jetzt im Gartentor zeigte, rasten Bubele und Babele strahlend auf ihn zu. »Wir haben 'n Affen, Vater.« – »Einen lebendigen,« jauchzte Babele. – »Mit'm Loch im Kopf,« erklärte Bubele stolz.
Der Vater sah etwas verdutzt drein. Wenn Kinder ausziehen, einen Wagen zu kaufen, und einen Affen heimbringen, dann ist das freilich auch eine sonderbare Geschichte.
Nun schrieen auch Dietrich und Lieselinchen vergnügt: »Wir haben einen Affen, Vati, einen richtigen Affen!«
Es dauerte ein Weilchen, bis der Vater die Geschichte des Affenkaufs genau zu hören bekam, denn die Kinder redeten so durcheinander, daß endlich die Mutter die Sache erklären mußte.
»Er wird gesund,« versicherte Lieselinchen glückstrahlend, »Herr Doktor Lindner hat es gesagt.«
Es war gerade, als wollte das Äffchen zeigen, daß es Lieselinchens Worte verstanden habe, es öffnete ein wenig die Augen und stieß dann ein klägliches, winselndes Schreien aus, es klang beinahe, als weinte ein Kind.
»Tragt das Tierchen hinein,« gebot der Vater, »Fabian mag euch ein Lager zurechtmachen. Vor allem muß der kleine Kerl Wärme haben. Er ist ein südlicheres Klima gewohnt.«
»Fabian, Fabian!« riefen Bubele und Babele wie aus einem Munde und jagten in den Garten, um den langen Fabian zu suchen und ihm von dem neuen Hausgenossen zu erzählen.
Im breiten Mittelweg des Gartens trafen die Kinder Fabian. Er kam gerade, zwei mächtige Gießkannen tragend, vom Brunnen her. »Na?« knurrte er, als er die Kinder erblickte, und die wußten schon, das war eine Aufforderung, ihr Abenteuer zu erzählen.
Fabian war der Obergärtner, – so nannten ihn wenigstens die Gartenarbeiter, – eigentlich war er aber noch vieles andere. Fabian wußte im Haus und Garten Bescheid wie kein Zweiter, und wo es etwas zu tun, zu raten und zu helfen gab, immer wurde Fabian herbeigeholt. Fabian war Gärtner, Maurer, Tischler, er konnte die schönsten Sträuße winden, schadhafte Sachen ausbessern, Puppenstuben neu tapezieren, Vokabeln überhören, Gemüse auf dem Markt verkaufen, dem schwarzen Karo Künste beibringen, ja sogar dichten konnte Fabian. An Geburtstagen und Weihnachten verfaßte er Verschen für die Kinder, die sehr schön waren, worüber aber die Erwachsenen manchmal herzhaft