Herzen, als er von seinem Vorhaben sprach.
»Die Reise ist zu anstrengend für dich und die Kinder,« sagte ihr Mann, »du wirst das Klima nicht vertragen, und dann, wo sollen unsere Kinder dort zur Schule gehen?« Die Mutter nickte traurig. Gewiß, ihr Mann hatte recht, aber der Gedanke, ihn allein in die weite Ferne reisen zu lassen, betrübte sie sehr.
Die Kinder ahnten noch nichts von des Vaters Plan. Sie lebten in sehnsüchtiger Weihnachtsfreude die Tage dahin, und Joli bekam in dieser Zeit sehr, sehr viel von dem schönen Fest zu hören.
»Er versteht es,« behaupteten sie alle.
»Er sieht immer so nachdenklich dabei aus.«
»Er freut sich,« meinte Bubele.
»Freust dich, gelt ja, süßer Joli?« fragte Babele.
»Freuen, der Affe? Auf was Unnützes ist er bedacht! Seht nur, was er für boshafte Augen hat,« schalt Lina, die den armen Joli nun einmal nicht leiden konnte.
Schwapp, flog Lina ein Tannenzapfen an den Kopf. Joli hatte gestern einige als Spielzeug bekommen. Das Äffchen merkte Linas Abneigung, und darum konnte es sie auch nicht leiden.
»Da seht ihr's,« schrie Lina erbost. »Na, ich sag's ja, der richtet noch einmal ein Unheil an. Wie sieht er denn aus? Wie ein lebendiger Teufel.«
»Aber Lina, pfui, wie kannst du unsern Joli so schelten!« riefen die Kinder entrüstet. Aber alle ihre Lobreden auf Jolis Klugheit und Possierlichkeit vermochten Lina nicht umzustimmen. Sie blieb dabei, Joli habe einen schlechten Charakter. Wo sie daher den kleinen Kerl nur erblickte, gleich schalt sie auf ihn und drohte ihm mit Besen oder Wischtuch, Kochlöffel oder Quirl, was sie gerade in der Hand hatte. Joli warf ihr dann freilich oft geschwind etwas an den Kopf, dann rief Lina beinahe triumphierend: »Na seht, ich sag's doch, er hat einen schlechten Charakter, der Satan.«
»Wenn man so ein Tier reizt, wehrt es sich,« sagte Herr Hesse oft. Aber Lina hörte nicht darauf. Ihre Abneigung gegen Joli wurde immer größer, selbst in der heiteren, traulichen Zeit vor Weihnachten war sie oft schlecht gelaunt, nur um des Affen willen. »Lina hat Affenlaune,« knurrte dann Fabian, der eine ganz besondere Vorliebe für den kleinen, drolligen Hausgenossen hatte. Er verstand es auch am besten, dem Tierchen allerlei Kunststücke beizubringen. Joli konnte sein rotes Tuchjäckchen, das Lieselinchen ihm genäht hatte, anziehen; er konnte von einem Teller essen und seine Milch aus der Tasse trinken; sagte Fabian: »Joli, lies!«, dann nahm der kleine Schelm ein altes Bilderbuch, zog ein ernsthaftes Gesicht und tat, als studiere er eifrig die Verslein unter den Bildern. Babele sagte, er würde wohl noch einen Weihnachtsvers lernen; so weit brachte es der Schelm aber doch nicht. Dafür lernten die Kinder neue Verse und Lieder, die Weihnachtsarbeiten wurden rechtzeitig fertig, und auf einmal war das liebe Fest da und schaute lachend in das Haus hinein.
»Heute is Weihnachten!« rief Bubele und purzelte in aller Morgenfrühe aus seinem Bettchen. Platsch, lag er am Boden, weil er gar zu geschwind heraus gewollt hatte. An einem gewöhnlichen Wochentag hätte Bubele sicher etwas gebrüllt, heute schaute er sich sehr vergnügt um, als er wieder auf seinen dicken, weißen Beinchen stand. Es war ja Weihnachten! Zur Morgenmilch gab es frischen Kuchen, und allerlei feine Gerüche durchzogen das Haus. Mutter kam ganz eilig herein, ein paar schimmernde Goldfädlein im Haar, und die beiden Kleinen staunten sie an, als wäre sie das Christkind selbst. Obgleich Lieselinchen, die sonst sehr geduldig war, meinte, es würde an diesem Tage wohl nie Abend werden, wurde es doch dunkel, und der Augenblick kam, da ein heller Klingelton das Haus durchzog und sich gleich darauf die Türen des Weihnachtszimmers öffneten.
Wie wunderlich das war! Das gleiche Zimmer war es, das die Kinder täglich sahen, und doch schien es, als hätte sich der ganze Raum verändert. Im Märchenglanz lag er da, flimmerhell im Kerzenschein, und auf den weißgedeckten Tischen lagen allerlei köstliche Dinge. Im ersten Staunen vergaßen die Kinder Joli ganz und gar, der mit ihnen gekommen war. Dem wurde das Fernstehen aber bald langweilig, er meinte, so schöne Sachen, wie sie auf den Tischen lagen, müßte man ansehen, und hopps! saß Freund Joli in aller Weihnachtsherrlichkeit drin, gerade neben Babeles neuer Puppe, die er mit stürmischer Zärtlichkeit in seine braunen Arme nahm.
Babele schrie gellend auf. Bubele schrie zur Gesellschaft mit, Lina kreischte los, und einen Augenblick sah es aus, als sollte durch Joli alle Weihnachtsfreude zerstört werden. Doch da war der Vater schon am Tisch und packte den kleinen Missetäter, noch ehe dieser des neuen Puppenkindes goldblonde Lockenperücke zerzausen konnte.
»Pfui, Joli, böser Joli!« schimpfte Babele noch immer tief erschrocken, als ihr der Vater nun das Püppchen in den Arm legte. »Pfui, Joli!« schalten auch die Geschwister, als aber Joli wieder seine traurigen Augen machte und ordentlich niedergeschlagen vor seinem Weihnachtsplätzchen hockte, da schwand aller Groll, es hieß bald wieder »süßer Joli«, und selbst Babele streichelte wieder zärtlich den kleinen Wildling.
Nur Lina brummte und schmollte. »Der braune Satan verdirbt mir alle Weihnachtsfreude,« behauptete sie, biß dabei aber doch eifrig an einem großen Pfefferkuchen herum. »Der richtet sicher noch einmal Unheil an.«
Trotz Linas Groll verlief der Weihnachtsabend aber doch in Lust und Freude, und Joli trug viel zur allgemeinen Freude und Heiterkeit bei. Er ließ sich geduldig in den neuen, blauen Wagen setzen, der nun viel prächtiger, als die Kinder sich ihn geträumt hatten, mitten unter dem Christbaum stand. Joli versuchte, die Trommel zu schlagen, und machte ein so dumm verwundertes Gesicht, als Lieselinchen die kleine Spieldose, die sie bekommen hatte, aufzog, daß selbst Lina ein ganz klein wenig lachen mußte. –
Es ist nun mal so dumm, daß Weihnachtsabende auch vorübergehen, und viel zu früh erklang den Kindern der Ruf: »Zu Bett!« Sie behaupteten, sie wären noch kein bißchen müde, und Bubele sagte: »Ich brauche gar nicht zu schlafen.« Nach fünf Minuten schlief er aber schon fest und tief, und die Geschwister folgten ihm geschwind ins lustige, bunte Traumland nach. Joli durfte heute im warmen Herdwinkelchen in der Küche bleiben, obgleich Lina darüber schalt.
»Er wird schon brav sein,« versicherte ihr Frau Hesse, der der kleine Kerl, der doch von seiner Heimat her ein wärmeres Klima gewöhnt war, leid tat; der Herdwinkel war doch noch behaglicher als Jolis Kammer. Draußen war es bitter kalt, und so brauchte das Äffchen nicht mehr bis zum Gewächshaus zu laufen.
Lina zog sich brummend mit ihren Weihnachtsschätzen in ihre Stube zurück. Ihre Herrin mahnte: »Geh auch zu Bett! Vergiß nicht, die Lampe auszulöschen!«
Das Mädchen versprach es, und Frau Hesse, die von allen Festvorbereitungen ermüdet war, ging auch schlafen; sie freute sich auf die ruhevollen Feierstunden der kommenden Tage. Bald schliefen alle im Hause, nur ein Fenster war noch erleuchtet. Über dem Anschauen der Geschenke hatte Lina das Zubettgehen vergessen. Sie band sich die neuen Schürzen um, steckte sich eine Schleife vor, überlegte, wie sie das neue Kleid machen lassen wollte, und schmauste dabei vergnügt Pfefferkuchen. Auf einmal fiel es ihr ein, daß sie den Kasten mit dem schönen, rosaroten Briefpapier noch im Weihnachtszimmer hatte stehen lassen. Ei, den mußte sie doch noch holen. Sie nahm die Lampe und lief flugs hinüber in das Weihnachtszimmer. Unterwegs aber löschte ihr vom raschen Gehen die Lampe aus, und ein Weilchen stand sie ganz verdattert im Dunkeln da. Dann tappte sie sich nach der Küche, suchte dort Streichhölzer und zündete sich, da die Lampe noch heiß war, ein Licht an.
Joli lag in seiner Ecke und blickte Lina mit seinen klugen, dunklen Augen so unverwandt an, daß es dieser ganz unheimlich wurde. »So'n Tier,« murrte sie, »fürchten kann man sich vor ihm.« Sie lief rasch hinaus und vergaß in der Eile, die Küchentür fest zu schließen. Sie wäre auch beinahe wieder umgekehrt, es war so seltsam im Hause in der tiefen Stille der heiligen Nacht.
Allerlei Märchen fielen Lina ein, die sie gehört hatte, auch daß die Tiere in der heiligen Nacht sprechen können wie die Menschen. »Brrr, wenn das Joli tut,« dachte sie geängstigt und suchte hastig auf dem Tisch nach ihrem Kasten. Da war er. Sie ergriff ihn schnell, nahm das flackernde Lichtlein und rannte aus dem Zimmer hinaus, ohne sich noch einmal umzuschauen. Auch an der Küchentüre lief sie vorbei,