Sarah Glicker

Seal Team 9


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es mich ein wenig.

      Schon wegen meines Berufes muss ich immer wissen, was der andere denkt, damit ich seine Schritte vorhersehen kann. Doch gerade ist genau das nicht so einfach. Allerdings muss ich zugeben, dass es mir gefällt. Ich sehe es als eine Art Herausforderung an, damit ich sie besser kennenlerne.

      „Hi“, gibt sie schließlich von sich und stellt ein Glas Wasser und einen Kaffee auf den Tisch, der sich zwischen uns befindet. „Wie geht es dir?“

      Kurz höre ich in mich hinein. Dabei stelle ich jedoch fest, dass es mir nach einer durchgemachten Nacht schon einmal schlechter ging. Klar, ich habe Kopfschmerzen. Doch ich bin mir sicher, dass sie im Laufe des Tages wieder verschwinden werden und nicht so wie die letzten Male, zwei oder drei Tage anhalten werden.

      „Nicht so schlimm, wie ich es erwartet habe“, gebe ich also zurück und zucke mit den Schultern.

      Einen Moment betrachtet sie mich, als würde sie davon ausgehen, dass da noch etwas kommt. Doch schließlich lächelt sie sanft.

      In diesem Moment könnte ich mir in den Arsch treten, weil ich sie so behandelt habe. Sie hat mir nichts getan, eigentlich wollte sie sich mir nur vorstellen, da wir nun Nachbarn sind. Doch ich habe sie wie keine Ahnung was behandelt. Das heißt, ich habe schon eine Ahnung, ich ziehe es jedoch vor, dies nicht auszusprechen.

      „Danke, dass ihr hier schlafen konnte“, erkläre ich also und erwidere ihr Lächeln.

      Ich hoffe, dass ich so wenigstens etwas mein Verhalten ihr Gegenüber wieder gut machen kann. Doch die Wahrheit sieht so aus, dass ich nicht weiß, ob mir das auch gelingt.

      „Kein Problem. Sollte das in Zukunft aber öfter vorkommen wäre es nett, wenn du mich warnen würdest. Dann würde ich erst gar nicht ins Bett gehen. Es ist leichter wach zu bleiben, als mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt zu werden.“

      Ein freches Funkeln ist in ihren Augen zu erkennen. In diesem Moment wird mir bewusst, dass sie ihren Satz nicht so ernst meinte, wie sie ihn gesagt hat. Doch ich meine es ernst, als ich ihr nun antworte.

      „Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, das wird es nicht.“

      In den letzten Monaten habe ich mich öfter besoffen und jedes Mal habe ich mir am nächsten Morgen geschworen, dass es das letzte Mal war. Allerdings spüre ich, dass ich es nun ernst meine. Woher der Sinneswandel kommt weiß ich nicht, doch gerade ist mir das auch egal. Ich bin einfach nur froh, dass er endlich da ist.

      „Ich muss gleich zur Arbeit“, stellt sie nun fest und sieht dabei auf die Uhr, die an der Wand neben dem Fenster hängt.

      „Ich werde auch verschwinden. Ich muss dringend unter die Dusche und mich um ein paar Dinge kümmern.“

      Einige Sekunden sehe ich sie einfach nur an. Doch dann gehe ich um den Tisch herum und drücke ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Überrascht zieht sie die Augenbrauen ein Stück nach oben, nachdem ich mich wieder ein Stück von ihr entfernt habe.

      „Wofür war der denn?“

      „Dass du mich abgeholt und hier hast schlafen lassen. Das hättest du nicht machen müssen und ich hätte es verstehen können, wenn du es nicht gemacht hättest.“

      Ihr Mund öffnet sich, doch bevor sie etwas sagen kann, verschwinde ich durch die Küchentür.

      Ein leichtes Grinsen erscheint auf meinen Gesichtszügen, während ich mich meinem Haus nähere und die Schlüssel aus meiner Hosentasche ziehe.

      In diesem Moment beschließe ich, dass ich es darauf ankommen lassen werde.

      8

      Kendra

      Während der nächsten drei Tage sehe ich ihn leider nicht. Ja, leider. Ich kann nicht einmal genau sagen, wieso ich es so schlimm finde, doch es ist so. Ein paar Mal habe ich darüber nachgedacht, ob ich nach der Arbeit bei ihm vorbeischauen soll. Als Vorwand hätte ich vorbringen können, dass ich nach ihm sehen will, ob es ihm nach seinem Besäufnis gut geht. Doch ich musste nur einen Blick auf sein Haus zu werfen, um diese Idee wieder über den Haufen zu werfen.

      Ich will mein Glück nicht herausfordern und ein wenig kommt es mir so vor, als würde ich genau das tun. Noch weiß ich nämlich nicht, wieso er sich plötzlich so freundlich mir gegenüber verhalten hat. An diesem Morgen habe ich mich nicht lange genug mit ihm unterhalten, um einschätzen zu können, ob er es wirklich ernst meint, oder nicht. Und solange ich das nicht weiß, ist es wahrscheinlich besser, wenn ich nicht plötzlich vor seiner Tür stehe.

      Auch wenn ich zugeben muss, dass es mir schwerfällt, genau das nicht zu machen.

      Seufzend lasse ich mich auf das Sofa sinken, nachdem ich mein Haus betreten habe. Doch in dem Moment, in dem ich nach der Fernbedienung greifen will, höre ich, wie ein lautes Klingeln durch mein Haus dringt. Erschrocken, da ich nicht damit gerechnet habe, richte ich mich wieder auf und werfe einen prüfenden Blick auf mein Handy.

      Es ist bereits nach acht Uhr. Auch wenn es nicht sonderlich spät ist, kenne ich niemanden, der mich jetzt noch besuchen würde. Weder meine Schwester, noch eine Freundin. Und meine Eltern wohnen zu weit entfernt, um diese Uhrzeit noch zu einem Überraschungsbesuch hier aufzutauchen.

      „Moment“, rufe ich und stehe wieder auf. Dabei kann ich jedoch ein leises Seufzen nicht für mich behalten.

      Mit wenigen Schritten bin ich bei der Tür und öffne sie ein Stück. Dabei gehe ich trotz besseres Wissens davon aus, dass es meine Schwester ist, die doch noch vorbeikommt. Als ich jedoch die Person erblicke, die sich auf der anderen Seite befindet, ziehe ich überrascht die Luft ein. Mit ihr habe ich eindeutig nicht gerechnet.

      Es ist nicht meine Schwester und auch keine Freundin, die da vor mir steht und mich frech angrinst.

      Nein, es ist Brady.

      Für einige Sekunden bin ich so überrascht, dass ich keine Ahnung habe, wie ich reagieren soll. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken.

      Geduldig wartet er darauf, dass ich mich wieder fange. Dabei lässt er mich jedoch keine Sekunde aus den Augen. In diesem Moment bin ich mir sicher, dass ihm nichts entgeht. Und dabei ist es egal, dass er mich genauso wenig kennt, wie ich ihn. Gerade kommt es mir so vor, als wäre ich ein offenes Buch für ihn.

      „Hi“, begrüße ich ihn schließlich, als ich meine Sprache wieder gefunden habe.

      Gleichzeitig bin ich froh darüber, dass ich überhaupt in der Lage bin, einen Ton von mir zu geben.

      „Ich hoffe, ich störe dich nicht“, verkündet er und sieht mich dabei prüfend an.

      Während er spricht, erkenne ich, dass er einen Blick an mir vorbei ins Wohnzimmer wirft. Ein wenig macht es den Anschein auf mich, als würde er sichergehen wollen, dass ich alleine bin. Schnell mache ich einen Schritt zur Seite und signalisiere ihm so, dass er ruhig hineinkommen kann.

      „Nein, ich habe nur nicht mit dir gerechnet. Ich bin gerade erst nach Hause gekommen“, murmle ich ausweichend.

      Als er an mir vorbeigeht, werfe ich einen prüfenden Blick auf meine Klamotten. So will ich sichergehen, dass sie auch sauber sind, was allerdings der Fall ist.

      „Was kann ich für dich tun?“, frage ich ihn, nachdem ich die Tür geschlossen habe.

      Langsam dreht er sich zu mir herum. Sein Blick gleitet über meinen Körper und sorgt dafür, dass mein Magen zu kribbeln beginnt. So gut es geht, versuche ich das vor ihm zu verheimlichen. Doch ich bin mir nicht sicher, dass mir das auch wirklich gelingt.

      „Du könntest meine Einladung annehmen“, stellt er schließlich fest und sieht mich unverwandt an.

      „Deine Einladung?“

      Ich bin irritiert und das kann ich auch nicht für mich behalten. In diesem Moment habe ich keine Ahnung, wovon er spricht.

      Einige Sekunden sehe ich ihn schweigend an, während ich darauf warte, dass er weiterspricht.