euch freuen zu hören, dass wir die Glückliche Bettina zu unseren Inventar begrüßen dürfen. Ich meine, Personal. Vergebt mir.“ Er massierte sich die Schläfen. „Das Fürstentum im Norden bedauert Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir heute geschlossen haben.“
„Fein, fein.“ Claudile scharrte mit den Füßen. „Ich… gehe dann nach oben.“
„Aber ohne Korporal Axel!“
„Was? Nein.“
„Eure Ladyschaft! Es reicht!“
Claudile malte mit den Kiefern und gab klein bei. „Wer ist hier eigentlich die Fürstin? Schön, ist ja gut.“ Sie wandte sich ihrer Begleitung zu. „Du hast es gehört. Wir sehen uns morgen.“
Beide sahen sich an. Ein Kuss wurde ausgetauscht. Dann verschwand Korporal Axel und winkte ihr lächelnd zu.
„Es freut mich, dass Ihr wenigsten Freude an diesem ereignisreichen Tag hattet.“ Francesco trat näher heran und legte seinen Arm um sie. „Hütet Euch vor der Liebe. Sie kann verbrennen oder erkalten.“
Sie setzen sich an den Kamin.
„Fassen wir zusammen“, begann Francesco nach einer Weile. „Der Baron verliebt sich in ein Mädchen, wird krank vor Liebe und tötet die Familie des Mädchens. Weil er sie in den Flammen umkommen sieht, wird er beinahe verrückt vor Kummer und betrinkt sich. Er trinkt viel, unser Baron. Er wird übellaunig, ungerecht und tyrannisiert die Bewohner. Er kümmert sich nicht mehr um den Wald und die Leute. Rechnungen werden nicht bezahlt. Er verfällt in eine trübsinnige Stimmung. Er wird wahnsinnig vor Kummer und lässt alles hinter sich. Versteckt sich in eine Silbermiene, was gewiss schmerzhaft ist. Habe ich etwas vergessen?“
Claudile starrte in die Flammen. „Nein, das ist alles.“ Alexandra Häberlein bleibt tot. Vergib mir, mein Freund, aber ich habe es versprochen.
„Ihr habt Ihn nicht erwischt?“
„Die Spur führte zur Silbermiene, aber nicht von dort fort. Ich konnte nicht runtergehen und nachschauen.“
„Aus offensichtlichen Gründen. Gut gemacht.“
„Es ging eben nicht.“
„Schon gut, das war keine Kritik. Vergessen wir ihn.“
Sie blickte auf, holte ihr Notizbuch hervor und schlug es auf. „Von jetzt an sollte es einfacher werden. Hast du Fritz gesehen?“
Bei dem Gedanken an den kleinen Mann zog Francesco seine Stirn in Falten. „Ich habe ihn nicht mehr seit heute Mittag gesehen. Er sagte, er wolle seine Tante besuchen.“
Sie nickte ernst. „Hast du sein Gesicht gesehen? Er kennt das Buch, das der Baron gelesen hat.“
„Da wäre noch eine Kleinigkeit, Eure Ladyschaft“, begann Francesco ernst. „Ich habe es bislang nicht für nötig erachtet, Euch darauf hinzuweisen, aber es gibt gewisse Dinge, die ich ansprechen muss. Ich habe Verpflichtungen nicht nur Euch gegenüber, sondern auch Eurer Mutter. Sie würde es nicht gutheißen, wenn die Dinge ungesagt im Raum stehen würden. Wir sind allein in einem Land, das uns nicht braucht. Das ist Fakt. Sind wir uns da einig?“ Er blickte streng zu ihr. „Wir müssen von nun an wirklich zusammenhalten und das Reich ganz im Sinne des Khans regieren. Fehler, wie sie Baron Lyren beging, sollten Euch nicht passieren.“
Mucksmäuschenstill saß sie da und knabberte unruhig an ihren Fingernägeln. Feine Schweißperlen breiteten sich auf ihrem Gesicht aus. Er weiß es. Oh, ich Schaf! Natürlich weiß er es. Er ist Francesco de Palma, einer der schlausten Männer, die ich kenne und natürlich…
Francesco griff zu einem Becher Wein und betrachtete die rote Fläche. „Die Gefahr einer Revolte liegt in der Luft. Meint Ihr nicht auch?“
Sofort entspannte sie sich. „Oh, ja. Natürlich.“
„Woran habt Ihr gedacht?“
„Nichts.“ Sie mahlte mit dem Kiefer. „Was würde im schlimmsten Falle passieren?“
„Die Unzufriedenen rotten sich zusammen, es werden Stimmen laut und dann greifen die ersten zu Steinen und Messern. Sobald sie die Hemmung verloren haben, werden sie in einer Meute den Schuldigen suchen und ausfindig machen. Und sie werden einen Schuldigen finden!“ Er blickte gedankenverloren ins Feuer. „Es herrschten vor langer Zeit sogenannte Pogrome in einigen Städten. Andersartige wurden aus ihren Häusern gezerrt und gesteinigt. Ein Mob von sagen wir ein Dutzend Leuten ist zu allem fähig. Sobald sich Frust und Zorn Luft machen, können selbst Ritter in ihrer Rüstung mit Schild und Schwert kaum etwas ausrichten. Ihr seid ein Werwolf, Herrin, aber gegen einen Mob kommt auch Ihr nicht an.“
Sie zog die Beine eng an ihren Körper. „Du wärst überrascht…“
„Nein, Claudile“, sagte er leise. „Ich wäre in dem Moment äußerst enttäuscht, denn wir haben es jetzt in der Hand. Stellt euch eine Mutter vor, die ihr Kind verloren hat und ihr Mann schließt sich solch einem Aufstand an, und stirbt. Sie würde niemals Eure dargereichte Hand entgegennehmen. Und wenn nur zum Schein. Wir müssen handeln. Nicht mit Härte. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir es gut meinen. Ihr wollt von allen geliebt werden? Das ist nur natürlich, aber dann müssen wir den armen Menschen das geben, was sie am meisten begehren…“
„Geld.“
„Würde“, verbesserte er. „Ich erinnere mich an den Ausspruch eines Zwergenkönigs: Wenn wir nicht unsere eigenen Gesetze einhalten, sind wir nicht besser als die Schlimmsten. Wir müssen ihnen ein Vorbild sein. Noch heute Abend sollten wir ihnen die Hand reichen. Leider“, er trank aus und beugte sich weit vor, „muss ich Euch um einen Gefallen bitten. Es wird hart sein, fürchte ich. Wir reden mit ihnen auf ihrem Boden und reichen unsere Hand. Selbst wenn sie auf sie spucken, müssen wir es von Neuem versuchen. Wieder und wieder.“
„Ich bin… Fürstin. Sollten sie nicht das tun, was ich Ihnen befehle?“
„Was hat es ihnen bis jetzt gebracht? Einen Werwolf als Baron, der sie tyrannisierte. Sie werden sich daran erinnern, glaubt mir. Aber wenn Eure Ladyschaft es versucht, werden sie sich auch daran erinnern. Werdet ein besserer Herrscher. Und ich weiß, Ihr könnt gar nicht anders.“
„Du denkst sehr menschlich“, meinte sie lauernd. „Es gibt in meiner Familie Personen, die dagegen waren, dass du mein Privatlehrer wirst.“
„Wir dürfen nicht zu lange warten, Herrin“, mahnte Francesco. „Wenn es eine Revolte geben wird, wird sie sich um den Pater herumbilden. Da bin ich mir sicher. Ich schlage vor, dass wir ihn aufsuchen und ihn auf unsere Seite ziehen. Für alle sichtbar und auf eine Art, die jeden zufriedenstellen wird. Keine Gewalt, sondern mit einem Trick. Und viel Bargeld.“
Claudile stöhnte gequält auf. „Wir sollen ihn kaufen? Ich glaube nicht, dass er es zulässt.“
Er grinste breit. „Wie gut könnt Ihr Kartenspielen?“
„Bitte?“ Claudile verstand kein Wort. „Ziemlich gut. Was hast du vor?“
Er erklärte es ihr.
Claudile massierte sich den Nacken und stöhnte genervt auf.
2
Fritz steuerte sein Pferd zu den äußeren Wegen westlich des Sägewerks an, passierte den Waldlauf zum Morast und hielt eine halbe Stunde im Galopp auf die Berge zu, bis er den kleinen Trampelweg verließ und das Pferd am Zügel durch das Dickicht des Waldes führte. Hierher verirrten sich wenig Männer des Sägewerks, denn die Kiefern, die hier wuchsen waren noch zu jung und zu dünn und wurden vom Ostwind der Berge klein gehalten. Tatsächlich war er sich sicher, dass niemand die Stelle kannte. Die kleine Berghütte war verfallen, lag im Schatten eines Findlings und roch nach Moder und schlechtem Stroh. In Sichtweite der Hütte band er das Pferd mit den Zügeln an einem Baum und machte vorsichtshalber einen Doppelknoten. Das Pferd scheute immer, wenn der Wind den Geruch des einzigen Bewohners herüberwehte.