Isabella Stern

Du willst mich doch auch


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»Der Drachen hat selbstgemachte Kürbiscremesuppe mitgebracht, im Gefrierbeutel. Die weiß ganz genau, dass ich ein perfektes 5-Gänge-Menü beim Caterer zusammengestellt habe. Und nun tanzt sie hier mit ’ner Suppe im Beutel an. Ich dreh’ gleich durch! Martin sagt wie immer nichts. Der ist zu feige, seiner Mutter mal die Grenzen zu zeigen. Schleimt stattdessen: Ja, Mutti. Danke, Mutti. Du bist die beste, Mutti … Oh man, davon krieg ich glatt einen Hörsturz! Warum müssen Männer gegenüber ihrer Mutter immer so den Schwanz einziehen, Melly, weißt Du das?«

      »Hm, tja, naja …«, antwortete Melly unbestimmt, das war gerade nicht ihr Thema. Offenbar war Neles Frage auch eher rhetorisch gemeint, denn sie wartete keine Antwort ab und plapperte sofort weiter.

      Mellys frisch eingecremte Waden und Oberschenkel glänzten jetzt wie die Glieder einer blank polierten Porzellanputte. Sie fläzte sich in den guten alten Ledersessel und spreizte die Beine links und rechts über die Armlehnen, welche extra dafür gemacht zu sein schienen.

      Zärtlich massierte Melly den Cremerest in ihre glattrasierte Bikinizone ein.

      »Jetzt gibt es also fünf Gänge und eine Kürbiscremesuppe vornweg«, fuhr Nele sprunghaft fort. »Du hast doch einen passenden Topf, oder? Der Drache wird sonst Feuer speien und mir den Abend vermiesen. Darauf habe ich echt keinen Bock. Die rennt hier rum und zündelt mit ihrer Drachenzunge, was das Zeug hält.«

      Melly hörte der besten Freundin nur noch halb zu.

      Der andere Teil ihrer Aufmerksamkeit galt der rechten Hand, deren Fingerspitzen sich jetzt mit leichtem Druck durch das hellrosa Fleisch arbeiteten, die Knospe hervorlockten und liebkosten und sich schließlich wärmend um den Venushügel legten.

      Zu ihrer Vagina hatte Melly ein sehr liebevolles Verhältnis. Nach einem anstrengenden Tag belohnte sie sich bereitwillig mit einer intimen Streicheleinheit. Meist bevorzugte sie dabei zarte Berührungen, während sie sich von einem Lover auch gern mal härter durchnehmen ließ. Verspielt strubbelte Melly die feinen schwarzen Härchen ihrer Landebahn gegen den Strich, bis sie abstanden wie eine Punkfrisur.

      Seidenweich und widerspenstig zugleich.

      So war sie im Grunde auch.

      Nur dass im Alltag ihre widerborstige Seite mehr zur Geltung kam. Seidenweich war sie viel zu selten. Wurde Zeit, dass da mal einer auftauchte, der Mellys widerspenstige Seite etwas zähmte.

      Sie seufzte und trank einen großen Schluck vom Sekt.

      Als Nele in ihrem Monolog endlich einen Punkt setzte, grätschte Melly schnell in die Tonlücke, um den Redeschwall zu stoppen.

      »Natürlich bringe ich den Topf mit, Süße. Keine Panik. Alles wird gut, hörst du? Muss mich jetzt weiter fertigmachen, ja? Wir sehen uns gleich. Behalt die Nerven vor dem Drachen. Kusskusskuss.«

      Dann legte Sie einfach auf.

      Nach der innigen Körperpflege schlüpfte Melly in seidene Unterwäsche, zog ein knappes Cocktailkleid darüber und stieg in die Highheels.

      Dann stolzierte sie mit wiegendem Schritt in die Küche.

      Zwar kochte Melly nie etwas außer Wasser und ab und zu mal vor Wut, aber dank ihrer heißgeliebten Nana hatte sie eine perfekt ausgestattete Küchenzeile.

      Sie wählte den größten Topf aus, den sie finden konnte, nahm die zwei Champagnerflaschen aus dem fast leeren Kühlschrank und klemmte sich im Flur ihre Clutch unter den Arm.

      Melly drapierte Flaschen, Topf und Handtasche so am Körper, als probte sie gerade eine raffinierte Jonglage-Nummer. Fast hätte sie jetzt den Mantel vergessen, aber rechtzeitig fiel ihr ein, dass draußen ein Hundewetter war. Mühevoll zog sie mit einem Fuß und dem kleinen Finger die Wohnungstür ins Schloss. Na bitte, ging doch.

      Mit dem Korken einer Champagnerflasche drückte sie auf den Lift-Knopf und wartete. Man, das Ding brauchte heute wieder gefühlte Ewigkeiten. Sie hätte doch lieber eine Tragetasche nehmen sollen. Nicht, dass ihr noch der gute Schampus aus der Hand fiel.

      Melly nutzte die Wartezeit, um sich den Mantel anzuziehen.

      Dafür stellte sie den Topf ab und klemmte sich die Clutch und die Flaschen zwischen ihre Schenkel. Fuck, dachte Melly, die Pullen waren eiskalt! Ein Gefühl, als würden die Schenkelinnenseiten einfrieren.

      Endlich glitt die Fahrstuhltür vor ihr auf.

      Überraschenderweise war die enge Kabine bereits halb gefüllt mit einem riesenhaften Kontrabass. Daneben stand ein gut aussehender Enddreißiger, der sie in Sekundenbruchteilen mit dem typischen Männer-Abcheck-Blick von oben bis unten durchleuchtete. Offenbar hatte Melly den Test bestanden, denn seine Mundwinkel zogen sich zu einem Lächeln nach oben und er bat sie herein.

      »Kommen sie, wir werden uns schon bis ins Erdgeschoss vertragen.«

      Charmebolzen, dachte Melly. Sie überlegte kurz, ob sie nicht doch die Treppe nehmen sollte. Fahrstühle, die zu voll oder zu eng waren, versuchte sie zu meiden. Aber sie trug ihre unpraktischen Highheels und war bepackt wie ein Lastesel. Was soll’s.

      Also lächelte sie höflich zurück, bedankte sich knapp und tauchte für einen kurzen intensiven Moment in das glitzernde Dunkelblau seiner Augen ein. Tatsächlich ein attraktiver Mann. Sie war ihm noch nie begegnet, hatte aber schon öfters den satten Klang des Streichinstruments gehört, wenn er tagsüber probte.

      Ein sehr maskulines Instrument, fand Melly, und sie fragte sich unwillkürlich, wie es sich anfühlen mochte, wenn es so männliche Töne von sich gab. In ihrer Fantasie presste sie den Körper an den Kontrabass, während er mit dem Bogen darüber strich. Welches Gefühl würden diese Vibrationen wohl auf der Haut auslösen? Melly schob den verlockenden Gedanken so rasch beiseite, wie er gekommen war und betrat die enge Kabine.

      Als sich die Türen schlossen, kehrte sie dem Fremden instinktiv den Rücken zu. Die wenigen Kubikmeter Raum, gut gefüllt mit zwei Menschen und einem Rieseninstrument boten zu wenig Abstand. Für einen Augenblick grübelte Melly, was denn eigentlich üblich war an Distanz zwischen Männern und Frauen.

      Sie malte sich aus, wie der Unbekannte hinter ihr lüstern den Jasminduft ihres Nackens und ihrer Haare einsog und dass sein Gehirn davon Signale an den Unterleib senden würde.

      Melly sah sich gern als Objekt männlicher Begierde und zugleich war es ihr auch ein bisschen unheimlich. Sie war sexuell eher devot, was nicht ausschloss, dass sie sich in der Hitze körperlicher Erregung auch einfach mal nahm, was sie wollte. Nach Mellys Meinung verstand sich ein guter Liebhaber darauf, das eigene Begehren anzuheizen, indem er ihre Bedürfnisse erkannte und befriedigte. Sich der Lust eines Mannes hinzugeben, war daher immer mit einem Vertrauensvorschuss verbunden. Ihre Seele wollte gevögelt werden, nicht nur ihr Körper. Ob ein Mann sich als Sexgott erwies oder als egoistischer Bettsportler, wusste man jedoch erst hinterher.

      Bei solcherlei Gedankengängen spürte Melly, wie sich die Härchen im Nacken automatisch aufstellten, erregt von intensiven Vorstellungen.

      Sie biss sich auf die Unterlippe, wartete darauf, endlich das Erdgeschoss zu erreichen und genoss dennoch die prickelnde unschickliche Nähe zu einem Fremden.

      Man, sie war eindeutig untervögelt. Warum zum Teufel musste sie sonst dauernd an Sex denken? Noch einmal schwor sich Melly, die Party heute definitv nicht allein zu verlassen. Schon als Ausgleich zum Herbstwetter brauchte sie Liebe, Streicheleinheiten und nicht zuletzt einen richtig guten Fick. Sie leckte sich über die Lippen und spürte den attraktiven Mann hinter sich.

      Melly ordnete ihn einer Frau zu, mit der sie sich mal unterhalten hatte, einer etwas unterkühlten Zahnärztin. Das Paar hatte sich ein Loft im Dachboden ausgebaut. Melly war in das Haus gezogen, als sie die Wohnung ihrer Oma übernahm, die sich entschieden hatte, in eine Seniorenresidenz zu ziehen.

      »Da ist wenigstens Leben in der Bude«, meinte Nana und jetzt, da Melly selbst in dem Kasten wohnte, musste sie der Großmutter Recht geben. Sogar ein Mausoleum wäre lebhafter als dieses spießige Mietshaus. Sie selbst und die luxussanierten Loft-Nachbarn senkten den Altersdurchschnitt gewaltig.

      Ständig hingen im Hausflur Schwaden von 4711 und Zigarrenrauch, gepaart mit dem Geruch von Bohnerwachs, Kohlrouladen und, nun ja, alter Mensch. Trotzdem hatte es Vorteile