Tilman Janus

Milch und Honig


Скачать книгу

den Kühen ist nicht zu spaßen, wenn sie ein Kalb führen«, erklärte er. »Die leben das ganze Jahr über frei, die sind nicht so zahm wie eure Milchkühe. Und jetzt hat dein Auto ein Loch.«

      »Das macht nichts. Es ist sowieso alt, das ist nicht die erste Beule.« Ich schaute sehnsüchtig zu ihm hoch. Sag etwas!, baten meine Augen. Lad mich ein! Nimm mich mit!

      »Wenn du Zeit hast, komm mit zum Haus«, sagte er tatsächlich. Funkelte sein Blick wirklich, oder bildete ich mir das nur ein? »Da gibt es Kaffee und Wein und Essen. Wenn du die Straße hier weiterfährst, nach dreihundert Metern rechts zweigt ein Weg ab, da siehst du schon unsere Fattoria. Ich komme nach!« Er nickte mir zu, ritt wieder zum Hügel, sah sich oben um und verschwand dann zur anderen Seite.

      Ich stand da wie im Traum. Es war anders als sonst. Ich witterte nicht nur eine interessante Story über die Cowboys der Toskana. Ich war verzaubert von Djangos naturhafter Schönheit, von seiner starken Ausstrahlung, die mich mitriss wie ein Gebirgsbach in einer Klamm. Giovanni! Django! Ich ahnte, dass er schwul sein könnte. Nein, wenn ich ehrlich war, ahnte ich es nicht, sondern hoffte es nur. Aber selbst wenn er es nicht war – sein Anblick allein konnte mich schon beglücken. Wie seine ledergeschützten Schenkel den Pferdeleib umklammerten …

      Rasch klemmte ich mich wieder hinters Steuer und grübelte darüber nach, ob meine Vorliebe für Italien daher kam, dass es in diesem Land besonders viele schwarzhaarige, gut aussehende Männer gibt. Ich selbst bin blond und habe blaue Augen. Vermutlich sehe ich nicht schlecht aus, jedenfalls hatte ich nie Schwierigkeiten, Männer kennenzulernen.

      Als ich die Anhöhe umrundet hatte, sah ich Django in der Abenddämmerung über das trockene Grasland reiten. Er trieb mehrere der urzeitlichen Kühe und Kälber vor sich her. Sein Pferd bewegte sich flüssig und gelassen. Django saß wie mit ihm verschmolzen im Sattel. Er wirkte erfahren und ruhig. Ich spürte, dass mein Schwanz wuchs. Dabei ist der gar nicht so ein Stehaufmännchen, das bei jeder Gelegenheit die Hose ausbeult, er will schon richtig rangenommen werden. Aber Django, Django hatte ihn wohl verzaubert – so wie mich.

      Ich fuhr zur Fattoria. Mehrere gelblichbraune, lang gestreckte Gebäude lagen dicht gedrängt zwischen eingezäunten Grasflächen. Die braunen Maremmen-Pferde, die Maremmanos, weideten dort. Daneben gab es ein paar Ställe und Pferche. Eine blecherne Windmühle lieferte Strom und betrieb eine Wasserpumpe. Alles wirkte etwas heruntergekommen. Dies war keine Touristenfarm, es handelte sich offenbar um eine ursprüngliche Fattoria, in der noch die alte, wehrhafte Rinderrasse der Maremma gezüchtet wurde. Nichts war fein gemacht. Allerlei Gerätschaften, Wagenräder und leere Tonnen standen herum. Ich parkte auf einem Sandplatz, auf dem bereits zwei alte Kleinwagen standen. Mein verbeulter Fiat passte ganz ausgezeichnet hierher.

      Ein älterer Mann kam auf mich zu, ähnlich gekleidet wie Django.

      Ich grüßte höflich und stellte mich vor. »Ich bin ein Neuling in der Maremma. Giovanni, also Django, hat mich vor einer wilden Kuh gerettet. Er meinte, ich könnte hier etwas zum Abendessen bekommen.«

      Der Alte lachte, wobei sich seine Zahnlücken zeigten. »Setz dich zu uns, Paolo. Ich bin Tito, der Vormann. Django ist mein bester Buttero. Er kommt sicher auch bald. Er sollte noch die versprengten Kühe auf die westliche Weide zurückbringen.«

      »Buttero?« Ich sah den Alten fragend an.

      »Ja, so heißen die Kuhhirten hier. Wie sagt ihr? Cowboys?« Er lachte wieder und schob mich ins Haus.

      Wir betraten eine riesige Wohnküche. In der Mitte stand ein großer, dunkler Holztisch, der Jahrhunderte alt zu sein schien. Auch die Stühle wirkten sehr rustikal. An der Wand gegenüber der Tür befand sich ein antikes, massiges, fast schwarzes Buffet. Links gab es einen gewaltigen Kachelherd wie aus Uromas Zeiten, allerdings nun mit Propangas-Kochstellen aufgerüstet. Der Fußboden bestand aus den typischen roten Tonfliesen. Die weiß getünchte Decke wurde von mächtigen, dunklen Balken getragen. Eine einsame, nackte Glühbirne baumelte von dort herab. An der rechten Wand hingen alte Fotos und Gemälde. Reiter waren darauf abgebildet, die Häuser der Fattoria, die Menschen, die sie seit Generationen bewohnt hatten, die Pferde, die Rinder.

      Ein junger Mann wirtschaftete am Herd. Es duftete nach gebratenem Gemüse mit Zwiebeln. Er drehte sich um, als wir eintraten.

      »Wir haben einen Gast, Lessio! Das ist Paolo!«, rief ihm Tito zu. »Mach ein bisschen mehr Wasser ins Essen!« Er lachte schallend über seinen Witz.

      Ich ging zu Lessio hin und schüttelte ihm die Hand. Er war sehr jung, höchstens neunzehn. Er grinste mich freundlich an. »Hallo, Paolo! Die nutzen mich hier immer als Küchenmädchen aus!« Dabei schnitt er blitzschnell noch mehrere Tomaten klein und warf sie in die große Pfanne.

      »Wie viele Leute seid ihr auf der Fattoria?«, erkundigte ich mich.

      »Nur wir drei«, sagte Lessio.

      »Und wie viele Kühe müsst ihr hüten?«

      »Viele!«, gab Lessio zurück, und Tito ergänzte: »Sehr viele! Der Patron lebt in Grosseto, er will immer nur sparen, sparen, sparen, und wir müssen sehen, wie wir fertig werden.«

      Sofort hatte ich eine Idee. »Ich suche eine Unterkunft für ein paar Tage … oder länger. Ich zahle natürlich dafür.«

      Titos müde Augen wurden plötzlich groß bei der Aussicht auf Bares. »Aber natürlich kannst du hier wohnen! So lange wie du willst!«

      Wir einigten uns auf einen Preis, und schon war ich einen Schritt weiter – ich hatte ein Quartier in Djangos unmittelbarer Nähe gefunden!

      In diesem Moment wurde die Küchentür aufgerissen – Django trat ein. Ich wusste sofort, warum sie ihn Django nannten. Es war wie in einem Italo-Western. Die Ahnungslosen standen im Saloon, und der furchtlose Revolverheld kam herein, groß, stark, gut aussehend, in staubbedeckten Stiefeln, die Beine leicht gegrätscht.

      Er schleuderte seinen Hut auf einen Haken an der Wand, fuhr mit den Fingern durch seine dichten, schwarzen Locken, sah sich in der Küche um, entdeckte mich und ließ ein Lächeln über sein schönes Gesicht huschen. Das unterschied ihn deutlich von einem Kopfgeldjäger, zum Glück.

      »Kommst du endlich, Django!«, meckerte Lessio. »Die Zucchini sind schon total zerkocht.«

      »Wenn jemand mal die Löcher im Zaun an der Westweide reparieren würde, müsste ich nicht immer abends die Kühe suchen«, fauchte Django zurück.

      »Vielleicht kann ich euch helfen mit dem Zaun«, warf ich ein. Ich hatte keine Ahnung von dieser Arbeit, aber zusammen mit Django würde ich alles machen.

      »Suchst du einen Job, Paolo?«, fragte Django und lachte. Der Streit mit Lessio war schon vergessen.

      »Ich wohne jetzt hier!«, verkündete ich.

      Leuchteten Djangos Augen auf? Ich konnte es in der funzligen Beleuchtung nicht richtig erkennen.

      »Kannst du reiten?«, fragte Tito mich.

      »Klar!«, gab ich zurück und hoffte, meine mäßigen Reitkünste würden ausreichen.

      »Also gut«, sagte Tito. »Morgen wirst du mit Paolo den Zaun reparieren, Django, und ich werde mit Lessio den Kühen Ohrmarken verpassen, die noch keine haben.«

      Mein Herz schien in der Brust zu singen!

      Wir setzten uns an den bäuerlichen Tisch und aßen. Zu dem Gemüseragout gab es das typisch italienische Weizenbrot und luftgetrockneten Schinken. Alles schmeckte besser als im teuersten Restaurant.

      Ich erfuhr von den Männern vieles über ihre Arbeit, denn in Italien redet man gerne und viel beim Essen. Zwischendurch himmelte ich möglichst unauffällig Django an. Eine Flasche mit Wein aus der Maremma wurde leer getrunken.

      Tito gähnte. »Du kannst in dem Zimmer schlafen, wo früher unser vierter Mann gewohnt hat«, erklärte er mir. »Aber sehr komfortabel ist es nicht.«

      »Das stört mich nicht«, erwiderte ich. Wo würde Django schlafen?

      Tito führte mich durch den langen, dunklen Flur zu