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REENA H E R A
DAS VOLLWEIB
„Manchmal muss man durch die Hölle, um zur Weisheit zu gelangen.“
Ich komme zu dieser Erkenntnis, da ich im tiefsten Inneren meiner Seele erfahren durfte, dass all die Esoterik-Seminaren und Weisheiten, mit denen ich mich beschäftigt hatte, mir das Gefühl vermittelten, ich müsste mich verändern.
Damit suggerierte ich meinem Unterbewusstsein, dass ich unvollkommen war. Ich durfte in meinem Leben schmerzhaft erlernen, was das für Folgen hat. Deshalb musste ich zuerst einmal durch die Hölle. Ich zensuriere in diesem Buch nichts, auch nicht die teils sehr erregenden erotischen Szenen. Sexualität ist etwas von Gott Gewolltes, also warum sollte ich sie unter den Tisch kehren.
Liebe Leserin, lieber Leser, sollte das für dich die Hölle bedeuten, dann wünsche ich dir, dass du nach dem Buch wie ein Phoenix aus der Asche steigst und fliegen kannst, denn was an Sexualität unterdrückt oder gar kompensiert wird, macht uns früher oder später krank. Solltest du aber nach diesen Zeilen die Erkenntnis erlangen, dass du die Venus in dir ausleben darfst, und dich das glücklicher macht als so mancher Esoterik Kurs und so mancher Gesundheitstrend, dann habe ich einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft geleistet.
Nicht nur ein Apfel, auch an orgasm a day, keeps the doctor away!
Tja … das war’s dann wohl …
Ich war vor wenigen Sekunden ins Wasser gesprungen und meine Yacht ging hinter mir mit Unmengen an schwarzem Rauch in Flammen auf. Ein ohrenbetäubender Krach hatte mir zunächst die Haare zu Berge gestellt. Oder war es nur die elektrische Ladung des Blitzes gewesen? Einerlei, der beißende Qualm, der vom Inneren meiner Yacht zu mir an den Steuerstand quoll, ließ keine Zweifel aufkommen.
»Schon wieder vom Blitz getroffen worden«, schoss es mir durch den Kopf.
Zuvor hatte ich es noch geschafft, aus dem Cockpit nach hinten zur Backkiste mit dem darin verstauten Feuerlöscher zu springen, und war gleich der Länge nach über den Traveller gestürzt. Mit einer blutigen Nase, den Feuerlöscher in der Hand, war ich Sekunden später zurück am Niedergang, doch die gewaltige schwarze Rauchwolke und die Flammen, die mir entgegenschlugen, erstickten meinen Löschversuch im Keim.
»Verdammt, das Handfunkgerät ist auch noch unten am Ladegerät«, ging es mir durch den Kopf. Ich ließ den Feuerlöscher in die Flammen fallen, warf den wasserfesten Notfallkoffer über Bord und sprang hinterher. Gerade noch rechtzeitig, denn unmittelbar hinter mir schoss eine gewaltige Flammenwand in die Höhe.
Ich war in etwa 1700 Seemeilen von der Küste entfernt, im indischen Ozean unterwegs, um über das Chagos Archipel nach Madagaskar zu gelangen.
Der Gewittersturm tobte jetzt schon seit weit mehr als einer Stunde über mir. Ich hatte die ganze Zeit die Yacht nur mit Mühe auf Kurs halten können, und versucht, das Boot bei Hand zu steuern. Wobei „steuern“ nicht der richtige Ausdruck war, für das, was ich in Wirklichkeit tun konnte.
Während ich mit meiner Yacht über die baumhohen Wellen ritt, und immer wieder in die dazwischen liegenden Täler hinab jagte, war es mir gerade noch möglich gewesen, das Ruder überhaupt zu halten.
Und nun trieb ich im aufgewühlten und brodelnden Wasser eines endlosen Ozeans. Alles andere als beruhigend in meiner Situation war auch die kurz zuvor blutig geschlagene Nase, ein Umstand, der so weit entfernt vom Ufer, sicher nicht zur Entspannung meiner Lage beitrug. Haie sollen Blut in millionenfacher Verdünnung noch über viele Seemeilen Entfernung wahrnehmen.
„Bloß nicht zu sehr strampeln“, ging es mir durch den Kopf, als ich versuchte mein Schlauchboot mit dem Notfallkoffer zu erreichen, um mich damit vom Flammeninferno zu entfernen. Das einzig Beruhigende an der dramatischen Situation war, dass ich die automatische Schwimmweste trug, die sich Sekunden nachdem ich im Wasser gelandet war aufgeblasen hatte. Obwohl ... einige Seeleute würden lieber schnell ertrinken, als...???
Im Augenblick war ich dankbar dafür, dass ich das Schlauchboot als Treibanker, eine Art Bremsfallschirm, hinter der Yacht hergezogen hatte, der verhindert, dass diese vom Sturm getrieben zu viel Fahrt aufnimmt, und man zu schnell die Wellentäler hinunter surft. Ich hatte gerade noch die Leine erwischt, mit der es an der Yacht festgezurrt war und versuchte jetzt verzweifelt, mich mit Hilfe dieses Taus zu dem kleinen Schlauchboot zu ziehen. Es kostete mich große Mühe, diese für mich lebenswichtige Verbindung in der aufgewühlten See nicht zu verlieren, und als ich es endlich geschafft hatte, hielt ich mich minutenlang an der Seitenwand des auf und ab hüpfenden Schlauchboot, auch Dingi genannt, fest. Das war kein leichtes Unterfangen, denn eine Welle nach der anderen brach zwischenzeitlich über mich herein. Meine Arme zitterten vor Erschöpfung, meine Hände waren gerötet und von der Leine aufgerissen. Die brennende Yacht wurde vom Sturm die Wellen rauf und runter getrieben und ich wurde mit dem Beiboot hinterher gezogen, wie ein gestürzter Wasserschifahrer, der die Schleppleine nicht loslassen will. Ein gewaltiger Windstoß entriss mir kurzzeitig die Leine und damit auch das Boot. Nur unter Aufbietung aller meiner Kräfte konnte ich sie wieder erreichen, bevor der Abstand zu groß geworden wäre.
Während ich immer wieder unter Wasser gedrückt wurde, und in der Gischt der Wellen kaum noch Luft bekam, wickelte ich die Leine um mein Handgelenk, damit sie mir nicht noch einmal entrissen werden konnte. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich dabei auch die Yacht, die inzwischen nur mehr ein Meer aus Flammen und schwarzem Rauch war. Wie lange wird es wohl dauern, bis der Kunststoff geschmolzen war und das Wasser über die so entstandenen Löcher anfing, in die Yacht zu schießen. Die Yacht war wohl so oder so nicht mehr zu retten.
Ich sollte wohl die Leine, die das Dingi mit der Yacht verbindet, kappen, kam aber im Moment nicht an das Messer, das ich immer an meinem Unterschenkel angeschnallt hatte. Ich wollte das Boot, das von der wild gewordenen See gemeinsam mit mir herumgeschleudert wurde, unter keinen Umständen loslassen. Jede einzelne Welle drohte mich mehr davon loszureißen. Nach wenigen Minuten brannten meine Hände wie Feuer und ich konnte mich nur mit Mühe halten. So eine Welle von vier bis sechs Metern ist auf einer guten Yacht eigentlich nicht erwähnenswert, aber mit einem kleinen Dingi im Wasser treibend, ein Flammenmeer vor Augen, war das etwas anderes. Vom Hai gefressen werden, verdursten, ertrinken, gab es eine Alternative? Ich fühlte mich mit einem Mal so winzig klein, und so hilflos den Naturgewalten ausgeliefert. Dabei hatte dieses Horrorszenarium kaum länger gedauert als ein Schlag meines Herzens.
Trieb ich hier wirklich in einem endlosen Ozean? Brannte meine Yacht in meiner unmittelbaren Nähe lichterloh? Der brüllende Sturm und die Blitze um mich herum waren die erschreckende Wirklichkeit und kein Traum! Eine gewaltige Welle riss mich samt Schlauchboot zuerst nach oben, und begrub uns Augenblicke später unter sich. Wasser peitschte mir ins Gesicht und drang mir in Mund und Nase. Ich bekam keine Luft mehr. „Das ist mein Ende, das war`s dann wohl“, schoss es, wie die Blitze um mich herum, durch mein Gehirn.
Wieder schlug eine Welle über das Dingi und ich musste mich mit aller Kraft daran festhalten. Noch war ich am Leben mit nichts als einem kleinen Schlauchboot, an das ich mich im Moment noch klammern konnte.
Der Sturm und die Wellen hatten für diesen hervorragenden Yachttyp eigentlich kein Problem dargestellt, doch zum dritten Mal innerhalb von einem Jahr war ich nun vom Blitz getroffen worden.
Ich hatte die Warnung nicht ernst genommen. Jene Warnung, die mir ein bestimmtes Gefühl einen Abend vor dem Kauf der Yacht übermittelt hatte. Wir waren mit Freunden beim Abendessen gesessen. Während sich die Erwachsenen nach dem Essen über Gott und die Welt unterhielten, hatte ich den zwei Kindern Zeichenblöcke und Farben gegeben, damit sie sich mit Malen die Zeit vertreiben konnten. Als ehemalige Lehrerin für Kunst beschäftigte ich Kinder gerne kreativ, um ja keine Langeweile aufkommen zu lassen. Das Ergebnis dieses Kinderprogramms waren an jenem Abend jedoch nicht die üblichen Kinderzeichnungen gewesen. Die 7-jährige Susanne hatte eine schöne Yacht aufs Papier gebracht, wohl ein Resultat der Gespräche während dieses Abendessens. Darüber jedoch hatte sie schwarze Gewitterwolken angeordnet, aus denen unzählige Blitze auf die Yacht herunterfuhren. Aus der Yacht schlugen feuerrote Flammen. Beim Betrachten dieses schaurigen Bildes liefen mir schon damals kalte Schauer über