es mir.
Die Antwort des kleinen Mädchens ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, und das bei einer Abendtemperatur von über 28 Grad.
»Ich sehe das im Moment so, ganz einfach«, war ihre Erwiderung. Sehr ungewöhnlich für eine Sieben-Jährige blickte sie mir dabei tief in die Augen.
»Und was passiert mit mir?« fragte ich sie, und ein weiterer kalter Schauer lief mir über den Rücken. Gleichzeitig zogen sich meine Eingeweide zusammen. Susanne gab mir jedoch keine Antwort. Sie schaute mir nur noch tiefer in die Augen. In der folgenden Nacht fand ich keinen Schlaf, und wälzte mich unruhig im Bett herum.
»Du wirst dich doch von so einer infantilen Kinderzeichnung nicht von deinem jahrelangen Wunsch abhalten lassen «, hatte mich mein damaliger Lebensgefährte am Morgen überzeugt. »Das ist doch nur ein Zufall, was soll das schon bedeuten?«
Wir kauften die Yacht am nächsten Tag. Und jetzt trieb ich hier im Meer, 1700 Seemeilen von der Küste entfernt. Ich spürte an der Wasserströmung, wie sich eine neue Welle über mir zusammenbraute und das Dingi wieder am Wellenkamm empor steigen ließ. Sekunden später stürzten Tonnen von Wasser auf mich nieder und das Boot wurde mir schon wieder aus der Hand gerissen. Ich wurde unzählige Male herumgewirbelt, und dabei immer wieder unter Wasser gedrückt. Als ich endlich zurück an die Oberfläche gelangte, sah ich, wie das Boot an der Wand der nächsten großen Welle klebte. Ich ruderte und paddelte mit beiden Händen im Wasser wie wild, aber als ich das Dingi fast erreicht hatte, wurde es erneut hochgerissen und kam erst viele Meter weiter wieder auf. Ich schrie vor Verzweiflung auf und bekam den Mund voll von Salzwasser.
„Nur keine Panik aufkommen lassen.“ War das mein Gedanke? In meinen Gliedmaßen begannen sich die Muskeln zu verkrampfen. Nach Luft schnappend bekam ich schließlich eine der Bordleinen, die um das Boot liefen, mit meinen Fingern zu fassen. Eine neue Welle wollte mich erneut fortreißen, aber diesmal konnte ich mich mit eisernem Willen festhalten. Tausende Gedanken jagten durch meinen Kopf. Was hatte die Kleine inspiriert? Warum hatte sie mit so sicherer Stimme erklärt:
»Ich sehe das genau so«.
Was hatte das Mädchen damals zu dieser Zeichnung bewogen? Was hatte sie wirklich gesehen? Konnte sie dieses Ereignis tatsächlich ›vorher sehen‹? Mich jedenfalls wollte wohl damals eine besondere Energie im Universum mit Hilfe des Mädchens warnen, wie schon des Öfteren in meinem bisher durchaus aufregenden Leben.
„Leider überhörte ich diese Stimmen aus meinem Bauch, die Botschaften meiner Intuition sehr gerne. Ich war meistens viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Dabei sollte ich wohl mehr auf meine Körperempfindungen achten!“, ging es mir durch den Kopf.
„Ach ja, es ist so einfach!“
Ich verspüre immer augenblicklich ein sehr beklemmendes Gefühl in der Brust, wenn ich an etwas Negatives denke. Als ob ein starrer Schildkrötenpanzer mir das Atmen erschwerte, das war einfach nicht zu übersehen.
„Im Moment erschwerte mir etwas Nasskaltes und Flüssiges das Atmen!“
Wenn ich jedoch an etwas überaus Positives, wie zum Beispiel romantischen Sex und Abheben beim Orgasmus dachte, fühlte sich mein Körper sehr weich und weit an. Positive Gedanken lassen mich wie eine Feder fliegen, auch ohne Energie Drink, negative Gedanken hingegen wie ein Fels im Wasser versinken.
„Im Moment sollte ich wohl eher nicht ans Versinken denken!“
„Also hier und jetzt, als Spielball der Wellen, brauche ich dafür keine Intuition, das war ganz einfach Sch… !!! In mir kommt hier eher ein Gefühl der Tiefe auf! Woher das wohl kommt?“
Die richtige Entscheidung war immer die, die mir meine Gefühle mitteilten. Wenn ich auf meine Intuition vertraute, war ich in jedem Fall erfolgreicher, als wenn ich kopfgesteuert agierte.
„Wozu also hier Sorgen machen???“
Leider hatte ich am besagten Morgen auf meinen Lebensgefährten, und nicht auf die Intuition des kleinen Mädchens und meine Gefühle geachtet. So kam, was kommen musste. Während mich die Wellen wie einen Spielball im Meer auf und ab hüpfen ließen, wurde das Flammeninferno in einiger Entfernung, nachdem die Leine auf der Yachtseite durchgebrannt war, immer größer. Ich schüttelte ungläubig den Kopf.
»Hätte nie gedacht, dass Aluminium brennt«, war einer meiner Gedanken, als sich selbst der Mast in Flammen auflöste. Ein beinahe Herzstillstand war die Folge, als er sich auch noch in meine Richtung neigte. Nicht weit von mir entfernt stürzte der Rest des 25 m Mastes ins Wasser. Da kämpfe ich nun hier alleine und weit draußen gegen die Gewalt der Wellen. Gedanken über Gedanken jagen durch meinen Kopf. Ich spürte, wie alle Energie aus meinem Körper wich, und gleichzeitig die Kraft aus meinen Beinen schwand, mit denen ich strampelte, um die Arme und Hände zu unterstützen, die sich verzweifelt ans Boot klammerten. An Haie dachte ich schon lange nicht mehr, ich hatte andere Sorgen.
„Ich muss irgendwie ins Boot kommen, so macht das keinen Sinn“, dachte ich, während ich schon wieder nach unten in den Wirbel einer Welle gezogen wurde.
„Das Dingi schlägt sowieso andauernd um“, war der nächste Gedanke, „und vielleicht ist es ja im Wasser angenehmer, als draußen“?
„Ich bekomme keine Luft in dieser Gischt, ich muss da rein.“
Im nächsten Moment wurde das Dingi von den Wassermassen und dem Sturm umgedreht und schlug mir von oben auf den Kopf. Ich war mit einem Mal unter dem Boot und alles war viel ruhiger, es war stockdunkel. Ich hörte nur mehr das Wasser gegen das Boot klatschen. Hier drinnen herrschte tückischer Friede, wie im Auge eines Hurrikans. Die Wellen klangen, als seien sie kaum kräftiger, als die meines Gebirgsbaches zu Hause. Nach Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, geriet das Boot wieder auf einen Wellenkamm, schlug erneut um, und der Sturm schüttelte mich von neuem gewaltig durch. Im Moment war mein größter Feind der Wind. Er trieb Millionen kleiner Wassertropfen bis in einer Höhe von einem halben Meter über dem Wasser vor sich her und machte es mir ausgesprochen schwierig, zu atmen. Je mehr ich mich bemühte, tief einzuatmen, umso stärker wurde mein Gefühl, keine Luft zu bekommen. Dabei hatte ich schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht.
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Es war während eines meiner ersten Aufenthalte am Meer. Als ein Kind der Berge hatte es achtzehn Jahre gedauert, bis ich das erste Mal mit Salzwasser konfrontiert wurde. Mein Bruder Jo und ich waren von unserer reichen Cousine in deren Villa am Meer in Portugal eingeladen worden. Fast jeden Tag fuhren wir einige Kilometer weit an einen nahezu menschenleeren Strand. Es gab dort eine wunderschöne ca. 100 m breite Sandbucht zwischen zwei Felsformationen.
Es wehte ein angenehmer Wind, und die Luft roch nach Meer, ein Duft, den ich in den folgenden Jahren überaus lieben lernte.
An einem unserer Urlaubstage erfreuten Jo und ich uns an zwei bis drei Meter hohen, glasklaren Wellen mit großen Gischtkronen, die es uns angetan hatten. Wir fanden Gefallen daran, die Wellen ganz unten anzutauchen, um durch sie hindurch hinter den Wasserberg zu gelangen.
Es war uns beiden nicht aufgefallen, dass sich die einheimischen Burschen nicht an diesem Spaß beteiligten. Wir Kinder der Berge fanden es einfach toll mit den Naturgewalten zu spielen.
»Typisch blöde Touristen«, werden sich die Natives gedacht haben.
Ich hätte besser, mit meinen Gedanken an die vergangene Nacht, die Zeit am Strand liegend verstreichen lassen sollen. Eine Nacht, in der es mir gelungen war, meiner erotisch sehr erfahrenen Cousine nach ausgiebigem, zärtlichem Streicheln ihres Rückens, ihres Bauches und ihres Megabusens, einen selbst für sie überraschenden Orgasmus zu bescheren.
Obwohl ich sicher nicht lesbisch war, und eigentlich auf Jungs stand, war ich nach einigen Gläsern Wein irgendwie in ihrem Bett gelandet. Ich selbst hatte ein großes Bedürfnis nach Kuscheln, und so konnte ich mich nicht zurückhalten, mit meinen feinfühligen Händen diese ausgesprochen fraulichen Rundungen zu erforschen. Das alles war für mich Neuland, wohl