Reena Hera

Vollweib


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auch schon früher – ohnehin nur zum Kinder machen gut.

      „Auf diese 6 närrischen Minuten kann ich gerne verzichten“, bekam ich immer wieder einmal zu hören, und das nicht nur von meiner Oma.

      Die einzige Aktion im gemeinsamen Schlafzimmer war also, wenn die Hühner im Stall wild gackerten, Opa mit Schlafrock und Zipfelmütze – ja tatsächlich – und der Pistole aus dem Nachttisch, aus dem Schlafzimmer hinausstürzte, um den Fuchs zu erwischen. Es ist ihm nie gelungen. Wir Kinder folgten dann am nächsten Tag anhand der Federn, die das Huhn verloren hatte, den Spuren des Fuchses. Und wieder gab´s ein Suppenhuhn weniger. Was dem Huhn wohl lieber gewesen wäre, hätte es die Wahl gehabt?

      Man kann sich vorstellen, dass das aktuelle Anschauungsmaterial – ich meine die Grailtaler Frauenwelt – nicht gerade geeignet war, einem Mädchen als Vorbild für eine moderne, offene und ausgereifte Beziehung zu dienen. Außerdem wurde mein erotisches Empfinden, meine Venus, in dieser Umgebung sicher nicht geweckt.

      Aber es gab für mich in diesen Jahren auch noch andere, tiefgreifende Erlebnisse. An einem dieser Tage hatte mein Onkel Franz eine Bergtour mit zwei deutschen Urlaubern geplant. Um dem Gegacker der Tanten zu entfliehen, bettelte ich einen Tag lang, dass sie mich mitnehmen sollten. Meine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Ich durfte mit auf die Bergtour.

      Dafür musste ich, wie so oft, Zigaretten besorgen gehen. Jeden Tag einmal in die benachbarte Bar. Ich weiß noch die Sorte, „H.B.“! Die Männer fanden es lustig „ Hänge-Busen“ daraus zu machen. Ich wurde damals noch rot bei dem Gedanken. Aber um der Großmutter für einige Zeit zu entfliehen, nahm ich das gerne auf mich.

      Wir fuhren, soweit die Straße damals ausgebaut war, ins Tal hinein. Von dort ging es zu Fuß über zwei Pässe auf einen wunderschönen Aussichtsberg, das Schönbachler Horn. Obwohl knapp 3000 Meter hoch, konnte man diese Bergspitze mit normalen Bergschuhen erreichen, also ohne die sonst übliche Ausrüstung mit Seil, Pickel und Steigeisen.

      Die Aussicht war faszinierend, ja überwältigend. Rundherum waren Gletscherflanken und riesige Eisfelder. Ich war fasziniert von den vielen Spalten im Eis. Die letzte halbe Stunde unseres Abstiegs zogen immer mehr schwarze, düstere Wolken auf. Die Bergspitzen wurden von Nebel eingehüllt und wir fingen an, den Rest des Weges zu laufen. In den Bergen aufgewachsen, ist man es ja gewohnt, wie eine Gemse über Steine und Felsen zu springen. Mir kam es dennoch endlos vor. Endlich beim Auto angelangt, schlief ich, kaum dass ich am Rücksitz Platz genommen hatte, auch sofort ein. Die Männer erzählten sich Blondinenwitze, und da konnte ich ohnehin in meinem Alter nichts dazu beitragen. Außerdem fehlte mir oft das Verständnis dafür, was daran so lustig sein sollte.

      Ich wurde von einem ohrenbetäubenden Krach geweckt. „Jetzt ist der besoffene Kerl mit dem Auto in die Schlucht gefahren“, war mein erster Gedanke. „Ich lebe noch!“, mein zweiter. Obwohl meine Augen geschlossen waren, war ich geblendet von dem grellen Licht, das den Krach begleitet hatte. Das Auto stank nach Schwefel. Unser Fahrer hatte es mit Mühe zum Stillstand gebracht. Jetzt bemerkte ich den wolkenbruchartigen Regen und die Blitze um uns herum. „OOOhhh Sch… wir sind vom Blitz getroffen worden. Das Auto ist einen halben Meter in die Luft gesprungen“, schrie einer der Männer. Es dauerte Minuten, bis jemand darauf antwortete. Mir hatte es ohnehin die Sprache verschlagen. Aus dem Schlaf gerissen, zitterte ich wie Espenlaub. Der Motor des Autos lief sogar noch. Damals hatten die Autos noch keine Elektronik wie heutzutage, wir konnten daher unsere Fahrt ungehindert fortsetzen. Unser Fahrer fuhr den Rest der Strecke sehr langsam. Außerdem war meinen Begleitern das Witzeerzählen vergangen. „Das kommt davon, man lästert nicht über Frauen“, hatte ich mir damals gedacht. Dieses Erlebnis sollte mich, so wie die Frauen in meiner familiären Umgebung, noch länger bei meinem Verhalten dem männlichen Geschlecht gegenüber beeinflussen.

      Man lästert nicht über Frauen und lässt ihnen ihre Meinung, war für mich damals die Konsequenz und Botschaft daraus.

      Die Männer begossen, wieder zu Hause angekommen, unser Überleben mit viel Bier und Schnaps in der Bar um die Ecke. Die mit den „Hängebusen Zigaretten“. „Erzähl nichts davon den Weibern“, hatte man mir vorher noch eingetrichtert.

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      Aber zurück ins Inntal, in das vom Vater gelobte Reutling mit ähnlichen Hexen. Mein erstes Erlebnis mit gleichaltrigen männlichen Wesen muss mein Unterbewusstsein nachhaltig und auf Dauer beeinflusst haben. Vor allen Dingen was den Umgang mit dem anderen Geschlecht und die Handhabung von Karriere und Erfolg betrifft.

      Meine erste kindliche Verliebtheit und der erste unglaubliche Ausbruch meiner kaum zu bändigen Wildheit, der in einem Heiratsantrag an meinen gleichaltrigen Nachbarn gipfelte (wir waren beide ca. 7 Jahre alt) wurde mit den Worten abgeschmettert:

       »Dich würde ich nie heiraten, du bist nämlich nur die Tochter eines armen Schuldirektors und mein Vater ist der Dorfrichter. Ich heirate einmal nur eine „Studierte“.«

      Was bin ich heute froh darüber, dass dieser Kelch an mir vorüber ging. Mein Kindheitsschwarm hat sich zu einem riesigen Arschloch entwickelt. Trotzdem, das saß und es tat weh. Noch dazu, weil man zu Hause ja nichts erzählen konnte, um die Eltern zu schonen.

      Mein Selbstbewusstsein war auf den absoluten Tiefpunkt gesunken. Das alles hat sich auch in meinen schulischen Leistungen bemerkbar gemacht. Obwohl, dumm war ich nie gewesen. Ich kann mich sogar daran erinnern, dass ich mich immer gewundert hatte, warum der Lehrer etwas fünfmal erklärte, wenn es ohnehin schon alle begriffen hatten, oder eben doch nicht alle? Dass man Verstandenes auch verinnerlichen muss, nämlich wiederholen und damit lernen, hat mir damals keiner erklärt. Deshalb habe ich, so glaube ich inzwischen, zwei Drittel meiner Schulzeit verschlafen. Das andere Drittel raufte, kratzte und biss ich mich mit den gleichaltrigen Burschen. Und so fehlte mir die Konzentration, mein Wissen an den Lehrer zu bringen.

      Anfangs hatte ich ja noch eine sehr nette Lehrerin. Sie akzeptierte und beschützte das ungewöhnliche Mädchen. Sie nahm mein wildes Wesen, die Hexe, in Kauf, und sie setzte sich fürsorglich für mich ein. Ich liebte sie dafür. Besonders praktisch war der gemeinsame Schulweg. Heute würde man sie in dieser Funktion Bodyguard nennen. Ich hing beim Nachhauseweg immer an ihrem Rock oder an ihrer Hand, um vor Übergriffen meiner Mitschüler sicher zu sein. Von meinen zickigen Freundinnen hatte ich ja keine Hilfe zu erwarten und gegen die Übermacht der Burschen war selbst ich Wildfang machtlos.

      Die ersten 3 Jahre der Schulzeit waren deshalb noch einigermaßen erträglich. Dann bekamen wir Husti, auch Smokie genannt, als Lehrer. Ein in der Klasse kettenrauchender und andauernd von Husten – nein, Erstickungsanfällen - gepeinigter Riese, der sich ein Drittel einer Unterrichtsstunde vorm Ersticken retten musste und die anderen zwei Drittel rauchte. Husti war dabei als Lehrer so fehl am Platze, wie ein Delphin in der Wüste. Auch meinen Schutzengel auf dem Nachhauseweg hatte ich durch diesen Lehrerwechsel verloren. Immerhin fand Husti heraus, dass ich Legasthenikerin war, also in Rechtschreiben eine absolute Null. Viel mehr wusste man darüber damals nicht. Das einzig Positive aus dieser Schulzeit war folgender Ausspruch von Husti: »Ihre Aufsätze sind sensationell, die wird noch einmal Schriftstellerin, aber sie braucht eine Sekretärin mit guten Rechtschreibkenntnissen.«

      Tja, wenn der gewusst hätte, dass man dazu inzwischen nur einen guten Laptop und das entsprechende Programm mit Korrekturmodus braucht. Damit wäre mir damals einiges Leid erspart geblieben. So kam es denn auch, dass ich zwar als recht intelligente Schülerin eingestuft wurde, aber:

      „Mit diesen Rechtschreibproblemen kann man sie beim besten Willen nicht aufs Gymnasium schicken.“ Ich konnte meinem Vater die Enttäuschung anmerken. Mein ganzes Leben hatte ich später davon geträumt, Bücher zu schreiben, mit meinen eigenen Texten über die wahre Liebe und Leidenschaft und den von mir selbst erlebten und gelebten Lebensweisheiten.

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       Wird wohl nichts mehr daraus werden, dachte ich, von den Wellen hin und her geschleudert, während der Sturm um mich herum sein Bestes gab. Ich war so entsetzlich müde, und wollte schlafen, hatte aber Angst, nicht mehr aufzuwachen, wenn ich es zuließ, dass ich eindöste.

      °

      Während