Violett McKenzie

Melody - Das Erwachen


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nicht das Geringste angeht: Er ist nicht verheiratet und ganz gewiss nicht homosexuell«, antwortete sie mit einem vielsagenden Grinsen, das offen ließ, ob sie letzteres selbst in Erfahrung gebracht hatte. »Abgesehen davon ist er der beste Freund, den Maisie und ich uns nur vorstellen können.«

      Diesmal unterbrach sie die strenge Stimme ihres Vaters. »Auch ich bin der Meinung, dass es am besten wäre, wenn du bei deiner Mutter und mir bleiben würdest. Es gibt keinen Grund den Klatschtanten mehr als nötig zum Tratschen zu liefern, als unbedingt nötig.«

      »Ich werde mit ihm reden. Anschließend lass' ich euch wissen, wo ich solange bleibe«, beharrte Melody. Sie richtete sich an ihre Freundin. »Ich brauche definitiv keinen Fahrer und auch kein eigens für mich gemachtes Mittagessen, Maisie. Ich kann gut mit den anderen in der Cafeteria essen, … oder ich bringe mir jeden Tag einige Sandwiches mit.« Mit einer Geste des stummen Dankes drückte sie die Hand ihrer Agentin, aber auch als Erinnerung daran, dass sie normalerweise niemals darauf bestand irgendeinen Einfluss auf ihre Verträge zu nehmen. Sie hatte immer hart daran gearbeitet, ihr Leben so unkompliziert wie irgend möglich zu gestalten, und wollte, dass es auch weiterhin so blieb. »Das Leben ist zu kurz, um wegen derlei unwichtiger Sachen einen Aufstand zu machen, Maisie. Ich glaube, dass am Ende alles gut wird.«

      Sie wunderte sich über sich selbst, als sie plötzlich das Bedürfnis verspürte, mit Ryan über alles zu reden, was heute Morgen passiert war. Er dürfte sicher überrascht sein, wenn man bedenkt, wie aufgebracht ich vor zwei Nächte auf dieses Angebot reagiert habe. Wieder einmal lächelte sie still in sich hinein. Als sie aufstehen wollte, vernahm sie Stuarts Stimme, der sie etwas fragte.

      »Geena hatte bereits gefragt. Du bist es einfach übergangen. Darf man erfahren, wer dieser ach so großzügige Freund von dir ist?« Der Spott in seiner Stimme war für jeden unüberhörbar.

      Seine Unverschämtheit ließ Veronica durchatmen. Sie fragte sich auch, wer dieser geheimnisvolle Mann war, schaffte es aber ihre Neugierde zu zügeln.

      Melody verharrte für einen Moment in ihrer Bewegung, um ihren feinen Wildlederrock an ihren Hüften zu glätten. »Das geht dich zum Teufel nicht das Geringste an, Stuart! Aber damit deine Neugierde gestillt ist: Er heißt Ryan Sutherland! Ich bin mir sicher, dass du seinen Namen schon das eine oder andere Mal gehört hast.« Sein offenstehender Mund zeigte ihr, dass er mit dem Namen durchaus etwas anzufangen wusste. »Wie ich sehe, ist er dir nicht unbekannt, nicht wahr?« Mit einem zufriedenen Lächeln verließ sie den Besprechungsraum.

      *

      Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, kam lautes Gerede auf.

      Es war Geenas Stimme, die am Ende alle um sich herum verstummen ließ. »Ryan Sutherland also … Wow, wer hätte das für möglich gehalten? Unsere kleine Melody hat sich einen der begehrtesten Junggesellen und größten Fische an Land gezogen. Der ist einige Millionen schwer!« Sie machte eine Pause und sog an ihrer Zigarette, die sie sich gerade angezündet hatte. Immer wieder schüttelte sie ungläubig leicht den Kopf. »Ich fass' es nicht.«

      Es war Maisie, die auf Geenas krasse Bemerkung antwortete. »Um es etwas zu präzisieren, meine Beste«, lächelte sie böse, »es handelt sich um rund sechshundert Millionen!« Sie machte eine bewusste Pause, wissend, dass alle in ihren Köpfen über Melodys Beziehung zu dem wohlhabenden Finanzier und Produzenten spekulierten. Sie konnte an ihren Gesichtern sehen, wie es in ihnen arbeitete. Bei Owen und Michelle war sie sich sicher, dass es Besorgnis war, ihre Tochter könne ein weiteres Mal verletzt werden, während Richard sich überlegte, welche wirtschaftlichen Vorteile daraus erwachsen würden, wenn dieser wohlhabende Investor zu ihrem strauchelnden TV-Format hinzustieße, wo eine kraftvolle Kapitalspritze doch noch nie geschadet hatte. Georg und Robert hatten offenbar ihre Probleme damit, sich zwischen brüderlichen Sorgen und denen als Produzenten der Show zu entscheiden. Möglicherweise dachten sie an die gleichen Vorteile wie Richard. Nur über das, was Stuart dachte, wagte sie nicht zu spekulieren.

      Nur Veronica machte einen glücklichen Eindruck. Sie schien sich darüber zu freuen, dass ihre Schwester sich mit diesem Mann verbunden fühlte. Es war ja allgemein bekannt, dass sie sich nicht irgendwelchen gedankenlosen Affären hingegeben hatte wie so viele andere in ›Hollywood‹.

      Es war eindeutig Geenas Ausdruck, der ihr am besten gefiel. Sie schaut drein wie eine Katze, die gerade an der Sahne schlecken will und feststellen muss, dass diese zu Essig geworden ist!, lächelte Maisie in sich hinein.

      ***

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      Kapitel 6

      Melody nahm sich ein ›Yellow Cab‹ und fuhr direkt zu Ryans Büro im Finanzdistrikt von Manhattan. Schon lange ehe sie ihn zum ersten Mal traf, wusste sie mit seinem Namen etwas anzufangen, wenngleich sie nie ein Bild von ihm gesehen hatte.

      Er hatte seine ersten hundert Millionen bereits verdient, als er die Nachfolge seines Vaters übernahm, der in den wohlverdienten vorzeitigen Ruhestand ging, und das erfolgreiche Investmentbanking-Unternehmen global gemacht. Dann hatte er sich entschieden, eine neue Herausforderung zu suchen und sich auf Filmproduktionen zu konzentrieren. Auch in diesem Bereich schien es, als hätte er die Fähigkeit, alles was er anpackte in Gold zu verwandeln. In den letzten sechs Jahren war er die treibende Kraft hinter weltweit unglaublich erfolgreichen Action- und Abenteuerfilmen gewesen. Diesmal lag sein Fokus auf einem anderen Genre, wissend, dass es immer riskant war, unabhängige Filme zu produzieren. Aber er hatte zwei Trümpfe in der Hinterhand: den besten ausländischen Regisseur der Welt und Melody. Oft hatte er ihr gesagt, wie sehr er auf ihre schauspielerischen Fähigkeiten vertraute.

      Noch nie zuvor war sie in seinem Büro gewesen, wenngleich sie immer wieder an den beeindruckenden Turm aus Stahl, Glas und Chrom gedacht hatte, den Ryan mit einer eisernen Faust im Samthandschuh zu führen verstand. In dem Gebäude, das eine erstklassige Ecke des Finanzviertels einnahm, waren seine Ostküsten-Unternehmungen untergebracht, während sich seine persönlichen Büros im obersten Stockwerk befanden. Interessiert schaute sie sich um, als sie durch die Lobby schritt und langsam auf einen der sechs Hochgeschwindigkeitslifte zuging. Alles war geschmackvoll dekoriert und es herrschte ein geschäftiges Treiben. Sie registrierte die gedämpften Farbtöne von Pflaume, Grau und Creme und die riesigen Gemälde, die die Wände schmückten.

      Als sie in der fünfundvierzigsten Etage den Fahrstuhl verließ, versanken ihre Absätze in einem plüschigen, anthrazitfarbenen Teppich. Eine gut gekleidete Frau, die eine Anstecknadel mit dem Hinweis ›Kundenservice‹ trug, zeigte ihr die Richtung zu Ryans Büro. Auf dem Weg dorthin, empfand Melody mit jedem Schritt mehr Respekt ihm gegenüber – einen Respekt, der nichts mit Geld zu tun hatte.

      Bei ihrem ersten Treffen, hatte sie keine Ahnung, wer er war oder dass er über mehr Geld verfügte, als alle Leute im Krankenhaus zusammen – sowohl Patienten als auch Mitarbeiter. Sie hatte sich einer weiteren rekonstruktiven Operation unterziehen müssen, als sie aus Versehen mit ihm zusammengestoßen war. Langsam und offensichtlich unter heftigen Schmerzen war er ihr im Korridor entgegengekommen. Sie erinnerte sich an seine Grimasse, als sie ihn am Arm packte, damit er nicht fiel, nachdem er heftig taumelte. Sie hatte versucht sich bei ihm zu entschuldigen, aber er war mehr mit den Schmerzen beschäftigt die durch seinen Körper jagten, als sie tatsächlich bewusst wahrzunehmen. Ihr war aufgefallen, wie er seine linke Hand gegen seinen Unterleib gepresst hielt, um die Wellen der Schmerzen einigermaßen abzumildern.

      Genau diese Schmerzen hatten sie später bewogen ihn in seinem privaten Zimmer aufzusuchen. Mit einem frechen Lächeln und nach einer kleinen Bestechung der diensthabenden Krankenschwester am Tresen des Operationsflügels, hatte sie die kurze Strecke bis zu seinem Krankenzimmer hinter sich gebracht. Später hatte sie oft das Gefühl, dass sich die signierte Ausgabe ihres neuesten Buches, die sie der Nachtschwester geschenkt hatte, definitiv gelohnt hatte.

      Aus dem Raum war eine tiefe Stimme gedrungen, als sie zaghaft angeklopft hatte. Es war ein kräftiges, gebieterisches »Herein!«, kein deutlich freundlicheres »Treten Sie ein!«, gewesen und für sie ein klarer