Ghila Pan

Das Eulenrätsel


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blickte er zu Boden, ehe er seiner Frau wieder in die Augen sah. Leise, ohne Untertöne, meinte er: „Wie heißt es so schön? Menschen, die man liebt, trägt man immer in seinem Herzen mit sich.“

      Lisa strich Alwin über die Schläfen und küsste ihn. „Na meinetwegen, dann statten wir diesem Mac Futuroy eben einen Besuch ab!“ Sie drückte seine Finger fester und ihr Mann erwiderte den Druck. Beide sahen aus dem Fenster.

      Eine große Möwe landete auf dem Kutter. Ihre Flügel, zuerst noch ausgebreitet in der Luft schwingend um das Gleichgewicht zu bewahren, legte sie einen über den anderen und wechselte noch ein paar Mal die Stellung des Deckflügels, bis sie ihren Schnabel öffnete und einen Fischer ankreischte, der sein Boot reparierte und wahrscheinlich noch herrlich nach morgendlichem Fang duftete.

      „Nein, ich werde ihn wohl auch nie vergessen, ihr beide wart meine Flügel...“

      „Und jetzt kreischst du jeden an, der nach Frischfisch riecht!“, grinste Alwin.

      „Aber ich bin doch keine Möwe!“, entrüstete sich Lisa und schmollte verschmitzt.

      Um zu vermeiden, dass seine Frau ausführlich über die Hauptfigur ihres Romans zu erzählen begänne, meinte Alwin schnell: „Lass uns auf der Karte nachsehen, wo Mac Futuroy wohnt!“

      „Wir haben nur seine Telefonnummer!“ gab Lisa etwas spitz zurück.

      „Stimmt.“ Alwin befreite seine Hand aus ihrem Griff, zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und wollte schon wählen.

      „Cherie, lass das, bitte! Es gibt doch noch immer diese kleinen süßen roten Telefonzellen!“

      Alwin sah schon wieder so aus, als würde er den Weihnachtsmann am Plafond hängen sehen. Lisa musste ihre Sätze nicht mehr aussprechen, er kannte sie bereits auswendig. ‚Wir wissen gar nicht, was die Strahlungen bewirken. Es gibt viel zu viele Mobilfunkmasten. Weil jeder mitmacht, muss ich nicht wie ein blindes Schaf mitrennen. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Und: Mir geht’s ohne eben besser!’ Also schob er sein Telefon gehorsam zurück in die Tasche und sah seiner Frau tief in die Augen.

      „Außerdem braucht Mac Futuroy nicht sofort deine Telefonnummer zu wissen“, fügte sie bissig hinzu.

      So standen sie auf, verließen das Hotel und gingen zu einer knallroten Telefonzelle, die sauber geputzt und frisch gestrichen vor dem Postamt des kleinen Ortes stand. Alwin öffnete die Türe. Ein Fauchen war zu hören, sodass er erschrocken zur Seite trat.

      „Achtung, Tiger!“ Eine riesengroße gestreifte Katze sprang ins Freie.

      „Entschuldigung“, murmelte Alwin, „wusste nicht, dass gerade gesprochen wird!“ Zu Lisa gewandt meinte er: „Jetzt haben wir wahrscheinlich gerade ein tierisch ernstes Gespräch unterbrochen!“

      Lisa sah auf die Katze, die unter dem nächsten geparkten Auto verschwand und murmelte, „Alwin, ich glaube, wir müssen wirklich vorsichtig sein!“

      „Genau! Darum sollten wir gefährliche öffentliche Anlagen meiden und lieber von meinem Mobiltelefon aus anrufen, aber bitte…“ Er überlegte kurz. „Vielleicht könnte es sich dabei ja auch um einen literarischen Hinweis handeln? Also, dann übernehme ich, wie ausgemacht, die Gesprächsführung mit Mac Futuroy und du übernimmst die mit der Katze, vielleicht versteht sie dich ja!“ Langsam schloss sich die Tür der Zelle.

      Lisa ging langsam ein paar Schritte die Straße hinunter und ertappte sich bei dem Gedanken, Alwin möge den kontaktfreudigen Unternehmer gar nicht erreichen. Doch ihre Hoffnung erwies sich als nichtig.

      „Schöne Grüße. Mister Futuroy wirkte erfreut, als er von uns hörte und hat uns für heute Nachmittag eingeladen.“

      Eine Stunde später verließen sie tatsächlich das Hotel und machten sich zum Fährhafen von Stornoway auf den Weg.

      „Von Ullapool mieten wir einen Wagen nach Inverness, Glen Affric liegt südwestlich von der Stadt. Futuroy hat mir den Weg genau beschrieben!“

      Die Fahrt nach Inverness verlief ruhig und sie kamen gut voran. Lisa fiel auf, dass sie überhaupt wenig miteinander gesprochen hatten, seit sie in den Highlands angekommen waren. Je weiter sie nach Osten kamen, desto mehr Wolken brauten sich zusammen. Als sie Inverness erreicht hatten, begann es zu regnen.

      „Und jetzt?“. Diesmal war es Lisa, die das fragte.

      „Wir sollen uns südlich halten, die Hauptstraße Richtung Perth, und Futuroy von unterwegs aus anrufen, er würde uns lotsen!“

      „Wahrscheinlich hat er einen Vertrag mit den heimischen Mobilnetzbetreibern!“, ätzte Lisa. Der Regen wurde immer heftiger. Bald krochen sie nur noch wie die immer seltener werdenden anderen Autos dahin.

      „Wenn das so weitergeht, wird es Mitternacht, bis wir ankommen!“

      „Wenn wir überhaupt ankommen. Was steht auf dem Schild da vorne? Ich glaube wir müssen abbiegen!“ Alwin fuhr fast schon Schrittgeschwindigkeit und betätigte den Blinker. Sie fuhren von der Hauptstraße ab und befanden sich auf einer von hohen Bäumen gesäumten Straße mit Schlaglöchern und Pfützen.

      „War das jetzt schon die richtige Abzweigung? Die Straße ist eng, hinter uns fährt niemand, und es kommt uns seit fünf Minuten schon kein Auto mehr entgegen!“

      „Futuroy hat den Weg so beschrieben. Aber ich sehe kaum noch etwas!“ Alwin hielt und stellte die Warnblinkanlage an.

      „Du erlaubst?“ Er holte sein Telefon aus der Jacketttasche und wählte.

      Grauschwarze Wolken jagten über den Himmel, die Bäume verloren ihre Blätter, als wäre es schon Herbst, und dicke Regentropfen trommelten lautstark gegen das Wagendach.

      „Danke, Mister Futuroy, das ist sehr zuvorkommend von Ihnen!“ Alwin schob das Telefon wieder ein und legte seinen Arm über Lisas Sitzlehne.

      „Er schickt seinen Chauffeur, er wird uns den Weg zeigen!“

      „Wahrscheinlich einen einäugigen Quasimodo in schwarzer Pferdekutsche, einem langen Umhang, spitzen Zähnen und einem Sarg im Schlepptau!“, brummte Lisa.

      Quasimodos Pferdekutsche war tatsächlich schwarz, hatte jedoch bedeutend mehr Pferdestärken. Der Range Rover war das einzige Auto, das ihnen in der nächsten dreiviertel Stunde begegnen sollte. Alwin startete und folgte dem schweren Geländewagen durch den nicht enden wollenden Regen.

       Kapitel 13 Bedrohung im Nichtigen Reich

      Eigentlich hatte er vorgehabt, die Gruppe, der nicht die Flohspinne Tarantilli angehörte, als erste zu informieren. Da man jedoch bei dieser Ansammlung kaum von einer Gruppe als solcher reden konnte, entschied er sich trotz Spinnenbissgefahr, der zweiten Interessensgemeinschaft seine Informationen zukommen zu lassen. Um so positiver überrascht war er, als er nach der Rückkehr von seinem Spionagefeldzug keine Flohspinne mehr sichten konnte.

      „16 Uhr 42 Minuten 25 Sekunden, wir haben also noch genau 3 Stunden 17 Minuten und 35 Sekunden Zeit zu rasten!“ Elester, Merlot und Jim schliefen, während Eulalia alle zwei Minuten auf ihre Swatch blickte, um ja nicht die Zeit zu übersehen und sich vorzeitig aufzulösen. Sucky lag zu ihren Füßen. Er liebte seine neue Freundin sehr, da er durch sie für alle Zukunft von Hungersnöten befreit schien. Und da Eulalia es liebte, geliebt zu werden, hatte sie sich mit Sucky arrangiert.

      „Autsch!“ Penny Lo kratzte sich am Hals. Kurz darauf begann es sie auch an den Armen heftig zu jucken.

      „Was ist denn los?“ Pat richtete sich auf.

      „Ha, nichtige Insekten! Warum jucken die denn?“ Eulalia war aufgesprungen und kratzte sich schon prophylaktisch.

      „Nun, wir werden ja auch von den Pflanzen und Tieren dieses Waldes satt. Warum sollten Föhe dann nicht von uns satt werden“, bemerkte Pat verschlafen, riss eine nichtige Waldbeere von einem Strauch und frühstückte.

      „Ja, juckt wohl wie ein Flohbiss!“