Streifen zerflossen wie die Kriegsbemalung einer Vodoopriesterin. Als er sie erreicht hatte, wirbelte sie herum, griff sie seinen Hosenbund und öffnete seine Jeans. „Los, ausziehen“, schrie sie. Dann schrie sie weiter, verfluchte das Gewitter, fuchtelte mit den Armen und sprang wie eine Furie zwischen den Bäumen umher.
Hastig schälte er sich aus seiner Hose und ließ sich von ihr mitreißen zu einem wilden Tanz durch den peitschenden Regen, der sich nach kurzer Zeit in einen Hagelschauer verwandelte. Die Körner schmerzten auf der Haut, aber Elisabeth schien das nichts auszumachen. Wie eine Besessene tobte sie weiter, bis ein paar hundert Meter neben ihnen mit lautem Krachen ein Blitz einschlug, und es stechend zu riechen begann. Als wenn sie plötzlich aus einem Alptraum aufgewacht wäre, rannte sie zu ihm, packte ihn an der Hand und riss ihn mit sich ins Haus. Nackt stürmten sie die Treppe hinauf ins Bad, um sich abzutrocknen.
Das Gewitter schien Elisabeth verändert zu haben. Im Bett verhielt sie sich seltsam. Sie weigerte sich, zu reden, lockte ihn, entzog sich ihm, presste die Beine zusammen, wenn er in ihren Schoß fassen wollte, drehte sich weg, wehrte sich, kratzte ihn blutig und biss ihn schließlich so brutal in die Lippe, dass er aufschrie. „Du musst mich bestrafen“, sagte sie schließlich halblaut mit ihrer heiseren Stimme, schlug ihn mit geballten Fäusten hart auf die Brust und krallte anschließend ihre Fingernägel in seine Flanken.
Da packte er sie an den Handgelenken, ließ sie zappeln und sich winden und mit den Beinen ausschlagen, rang sie nieder, und während er auf ihr saß wie ein Reiter auf einem wild gewordenen Pferd, knotete er den Gürtel seines Bademantels, der neben dem Bett hing, erst um ihre Handgelenke und dann um den Bettpfosten.
Sie zappelte noch immer, und als sie zu schreien begann, knebelte er sie mit einem Handtuch, das er in ihrem Nacken mit einem festen Knoten verschloss. Dann drehte er sie auf den Bauch und drang mit einer Gewalt in sie ein, die ihn selbst befremdete. Sie reagierte mit einem tiefen, fast knurrenden Stöhnen, wehrte sich und bäumte sich auf, aber dann kam sie seinen Stößen entgegen und das rhythmische Stöhnen wich einem langgezogenen, hohen Wimmern. Er schlug sie auf ihren Po, und als ihre Haut sich rötete und sie wieder zu zappeln begann, steigerte er sich in eine Raserei.
Er wollte sie besitzen, erniedrigen und demütigen. Sie sollte seine Lust befriedigen, nichts anderes. Als er den Höhepunkt kommen fühlte, warf er sie brutal herum, riss den Knebel fort und stürzte sich auf ihren Mund, bis sich am Ende ihre Säfte mit Schweiß, Blut und Tränen vermischten.
Als Ben am darauf folgenden Spätnachmittag nach Hause kam, lag auf dem Tischchen im Flur seiner Tante neben seiner Post eine gedruckte Anzeige: „Ihre Vermählung im Oktober geben bekannt: Elisabeth B. und Dr. Heinrich von K.“ Die Nachricht traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
Noch in der Nacht stellte er Elisabeth zur Rede. Sie reagierte kühl. „Ich habe Dir von vornherein gesagt, Du sollst Dir keine Illusionen machen. Ich kann niemandem länger als ein paar Wochen treu sein.“
„Und warum heiratest Du dann?“
„Heinrich ist schwul, leitet ein Unternehmen und ist politisch aktiv. Er braucht eine Gattin zum Vorzeigen. Und ich führe gern ein sorgenfreies Leben und lege nicht viel Wert darauf, zu arbeiten.“
„Und wie soll das funktionieren?“
„Ganz einfach. Wir haben eine Abmachung. Ich lasse ihm seine Lover, er interessiert sich nicht für meine Eskapaden, solange ich diskret bin und bei offiziellen Anlässen seine bildschöne, treu sorgende Ehefrau gebe.“
„Das ist doch verlogen!“
„Du verwechselst da etwas. Die Gesellschaft ist verlogen, nicht ich, und auch nicht Heinrich. Sie akzeptiert weder Homosexualität noch Frauen, die über ihre Sexualität selbst bestimmen.“
„Trotzdem ...“
„Du hast doch neulich auch gelogen, um besser da zu stehen. Wo ich hinschaue, wird getäuscht und gelogen - ich mache mir keine Illusionen mehr. Ein Fünftel der Abgeordneten ist schwul oder lesbisch, aber man darf nicht darüber sprechen. Der Rest, die so genannten normalen, haben Affären - eine Geliebte in München oder in Bonn, die Frau zu Hause. Und erzähl mir nicht, dass Du Probleme damit gehabt hast, dass ich jede Nacht zu Dir gekommen bin. Ich habe es Dir einfach gemacht - wenn ich Lust habe, will ich keine großen Umschweife, sondern besorge mir, was ich will. Was ist schlimm daran?“
„Nichts“, musste er zugeben.
„Gut, dann wäre das ja geklärt“, sagte sie und knöpfte seinen Pyjama auf. „Und jetzt lass uns Abschied feiern. Morgen fahre ich nämlich.“
Im Frühling sahen sie sich wieder. Elisabeth war zur Beerdigung ihrer Mutter angereist. Ben war mit der Auflösung seines Zimmers beschäftigt. Das nächste Jahr würde er in den USA verbringen. Bücher und Platten waren schon verpackt, und an der Isetta hing ein Zettel: „zu verkaufen, Preis VB.“
In der Nacht weckte sie ihn mit Steinchen, die sie gegen die Fensterscheibe warf. „Der Schlüssel ist nicht mehr da.“ Er öffnete ihr. „Ich bleibe heute Nacht bei Dir.“ Es klang wie ein Befehl. Wieder war der Sex großartig, aber es war dennoch kein Vergleich zu der Gewitternacht.
Am Morgen war sie es, die fragte. „Sehen wir uns wieder?“
„Ich gehe für ein Jahr in die USA.“
Sie biss sich auf die Lippen. „Gibt es schon einen Käufer für die Isetta?“
Er schüttelte den Kopf.
Sie verabschiedete sich mit einem lange Kuss und einem Griff in seinen Schritt. „Ich wünsch’ Dir Glück!“
Zwei Tage später war ein Brief aus München in seiner Post; Absender war Dr. Heinrich v. K, MdL. Darin war ein Verrechnungsscheck über dreitausend DM; als Verwendungszweck war „Isetta“ angegeben. Ein beiliegendes Kärtchen enthielt eine Notiz: „Auf Wunsch meiner Frau wird das Auto am kommenden Montag von der Transportfirma Niehoff abgeholt; Papiere und Schlüssel bitte dem Fahrer übergeben. Mit vorzüglicher Hochachtung, Dr. Heinrich v. K.“
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