I. Tame

Malik Mantikor: Die andere Welt


Скачать книгу

drohenden Gesichtsausdruck bemerkt, versucht er im Laufschritt zu entkommen. Doch das gelingt ihm natürlich nicht. Fynn springt den gackernden Kerl an und taumelt mit ihm in die wilde Blumenwiese. Gemeinsam stürzen sie zu Boden und rollen ein Stück den Abhang hinunter. Schließlich bleiben sie lachend liegen. Fynn drückt Maliks Handgelenke zu Boden und ergötzt sich an dem schönen Gesicht direkt vor seiner Nase. Einige vorwitzige Haarsträhnen kitzeln seine Nase, worauf Malik versucht, sie weg zu pusten. Als es ihm nicht gelingt, streicht Fynn sie zärtlich zur Seite. Nach einer Weile verstummt ihr Lachen und sie versenken ihre Blicke ineinander.

      „Ich wünschte, du wärst immer so“, haucht Fynn inbrünstig. „So gefällst du mir am besten. Fröhlich, albern, sorglos. Wenn ich es nicht schon wäre, würde ich mich spätestens jetzt in dich verlieben.“

      Verlegen beißt er sich auf die Unterlippe. Er hat schon wieder zu viel gesagt.

      „Küss' mich einfach!“, fordert ihn Malik leise auf.

      Nichts lieber als das. Ihr Kuss ist so innig und voller Leidenschaft, dass keine Kakerlake der Welt Fynn ablenken könnte. Atemlos lösen sie sich schließlich voneinander.

      „Ich spüre dein Schwert“, zieht Malik ihn auf. „Und ich muss sagen, es ist aus hartem Stahl geschmiedet.“

      Wieder lachen sie befreit. Ein letzter liebevoller Schmatzer beendet ihr kleines Intermezzo.

      Währenddessen haben es sich Valerie und Yassin auf einer Bank am Wegesrand bequem gemacht.

      „Die könnten sich ja auch mal zusammenreißen“, mault Yassin gespielt ernst, denn schließlich gönnt er seinem Freund das Glück.

      „Einem Mantikor schreibt man nicht vor, wann er Pause zu machen oder weiterzugehen hat“, erklärt Valerie, ohne Verurteilung oder Ärger in ihrer Stimme.

      „Das solltest du dir auf jeden Fall merken, Yassin. Sicherlich läuft dir auch mal einer der anderen Mantikore über den Weg und dann wäre es gut, wenn du dich dementsprechend höflich verhältst. Du musst verstehen, dass es sich bei ihnen nicht um normale Menschen handelt. Sie haben Mächte, die deine Vorstellungskraft übersteigen. Was Malik bisher gezeigt hat … das 'Ausschalten' oder wenn er dir das Wort verbietet.“ Sie lacht leise auf. „Das ist nur ein Hauch von dem, was er hätte tun können.“

      „Echt?“ Yassins Neugierde ist geweckt. „Es gibt noch mehr Dschinns? Cooool!“ Er grübelt kurz. „Was hätte Malik denn noch machen können? Hätte er … was weiß ich … ein Auto explodieren lassen können? Oder ...“ Yassins Vorliebe für Actionfilme wird nur noch von seiner Liebe zu Fantasy-Sagen übertroffen. „... fliegen … besser noch fliegen. Hätten wir mit ihm in einem Auto über die Stadt fliegen können?“

      Valerie lacht amüsiert. „Natürlich, du dummer Junge. Das ist doch keine Herausforderung für ihn.“

      „Wie geil ist das denn?!“, flippt Yassin aus. „Er muss unbedingt mit uns fliegen. Ich will das wenigstens einmal erleben.“

      Valerie beobachtet den jungen unbedarften Mann neben sich. Hoffentlich lebt er sich gut in ihrer Welt ein. Immerhin scheint er recht bodenständig zu sein; wenn auch ein wenig verspielt. Außerdem hat er ein liebevolles Wesen und ein gutes Herz. Die Menschen hier werden es sofort erkennen und ihn in ihrer Mitte willkommen heißen. Eine Sorge weniger.

      Jetzt stapfen die beiden jungen Männer aus der Wiese wieder auf den Weg zurück. Für Yassin gibt es kein Halten.

      „Malik! Malik!“, ruft er aufgeregt und eilt zu den beiden hinüber. „Kannst du fliegen? Einfach so? Und kannst du uns auch fliegen lassen? Schweben, meine ich. Kannst du das? Ja?“ Aufgeregt zappeln Yassins Hände und fuchteln in der Luft herum.

      Statt eine Antwort von Malik zu erhalten, erhebt sich Yassins riesiger Körper wie eine leichte Feder in die Luft.

      „Aaaalter!!!“, ruft er begeistert. „Wooouuwwww!“ Er breitet die Arme aus und scheint ohne Probleme seinen Flug steuern zu können. Schnell merkt Yassin, dass die Baumwipfel eine natürliche Grenze seiner Fähigkeit zu bilden scheinen, aber ansonsten ... Er dreht sich wie eine Schraube, er vollführt einen Salto nach dem anderen, nur um wieder die Arme auszubreiten und spielerisch wie ein Vogel um die marschierenden Freunde herumzukreisen.

      „Danke!“, flüstert Fynn liebevoll. „Du hast ja keine Ahnung, welch' heißen Wunsch du ihm gerade erfüllt hast. Davon träumt er, seit ich ihn kenne!“

      Malik grinst und schüttelt leicht den Kopf. „Wie leicht es doch ist, die meisten Menschen zufrieden zu stellen.“

      Fynn nickt zustimmend. „Ja, eigentlich wollen wir nicht viel. Den meisten von uns würde ein bisschen mehr Frieden und Liebe völlig ausreichen.“

      Malik beugt sich nah zu ihm. „Dann bist du hier genau richtig!“

      Kapitel 2

      Tatsächlich! Als sie den Ortseingang von Löwenherz erreichen, traut Fynn seinen Augen nicht. Bei dem was er sieht, kann es sich einfach nur um seine Heimatstadt handeln. Er ist diese Strecke schon so oft im Auto lang gefahren oder auch mit dem Fahrrad. Die bunten Häuserfassaden, die Bäume am Rande der Straße, der abgegrenzte Radweg, die Straßenschilder und die Ampel ein Stück weiter vorne … alles … einfach alles sieht genau so aus wie in seiner Welt. Fynn weiß nicht was er davon halten soll, denn irgendwie traut er dem Braten nicht. Etwas stört ihn, doch er kann es nicht benennen.

      Völlig unterschiedliche Emotionen rasen durch seinen Körper: Verunsicherung, Ungläubigkeit, Nervosität – aber auch Vorfreude und Abenteuerlust. Malik schlendert neben ihm und lächelt ihn an. Ganz selbstverständlich tätschelt er dem Blonden den Hintern.

      „Du hast Recht“, stimmt er ihm zu, ohne dass Fynn ein Wort seiner Verwirrung kundgetan hätte. „Alles wirkt wie eine Mogelpackung. Ich werde es dir erklären.“ Sie bleiben kurz stehen. Maliks Hand fährt über Fynns Rücken und bleibt schließlich locker auf seiner Schulter liegen. Mit der anderen macht er eine ausschweifende Bewegung, die die gesamte Kulisse vor ihnen umfasst.

      „Zum einen liegt es daran, dass sich deine Augen noch nicht an unser Licht gewöhnt haben. Alles muss dir irgendwie zu hell und „überzeichnet“ vorkommen. Die Farben leuchten intensiver als bei euch.“

      Fynn nickt zustimmend.

      „Doch das wird sich bald legen“, fährt Malik fort.

      „Darf ich in die Stadt fliegen?“, unterbricht Yassin Maliks Erklärung und zieht hoffnungsfroh die Augenbrauen hoch.

      „Nein“, antwortet Malik knapp, ohne auch nur in seine Richtung zu blicken. Stattdessen erklärt er weiter.

      „Dir wird auffallen, dass die Unterschiede unserer Dimensionen nur marginal sind. So wirst du nicht die selben Menschen hier finden. Es kann jedoch durchaus sein, dass du Leute triffst, die große Ähnlichkeit mit Bekannten in deiner Welt haben. Mach' dich darauf gefasst, dass du trotzdem großes Aufsehen erregen wirst.“

      „Ich??“ Fynns erstaunter Blick bringt seine drei Begleiter zum Lachen.

      Jetzt tritt auch Valerie näher. Liebevoll legt sie einen Arm um seine Hüfte.

      „Dein Nachname“, lacht sie herzlich und lehnt sich gegen den um einiges größeren Mann. „Und deine Augen, mein Lieber!“, erklärt sie weiter. „Niemand in unserer Dimension hat helle Augen. Und deine sind wahrlich …“ Sie hält inne. Ihr scheinen die Worte zu fehlen.

      „Sie funkeln wie zwei Saphire“, hilft ihr Malik aus.

      „Meeresblau“, ergänzt Yassin schwärmend.

      „Sie strahlen wie der Sommerhimmel“, vergleicht Valerie mit warmer Stimme.

      Seine drei Begleiter lächeln und mustern Fynn mit leuchtendem Blick. Er senkt verschämt den Kopf.

      „Hört auf, ihr Spinner!“, murmelt er verlegen.

      „Hör' du lieber auf“, spottet Malik leise,