David Poppen

Im Clan der Perversionen


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er war doch bei diesem Unfall – oder Mord – gar nicht anwesend!“

      „Umso schlimmer“, sagte Leon und blickte abwesend an mit vorbei. „Sein Lebensgefährte veranstaltete die Party. Gregor Berger. Ein Callboy, den sich der Graf vor einem Jahr an Land zog. Du kannst dir denken, das Graf Barby nicht möchte, dass dies an die Öffentlichkeit kommt.“

      „Hm.“

      „Du verstehst also, dass sich die Munich Life völlig heraushält“, erklärte Leon resigniert. „Wenn etwas schiefläuft, etwas von unseren Ermittlungen bekannt wird, weiß die Munich Life nichts davon, kennt uns nicht einmal. Du musst dich in diesem Fall verdammt anstrengen, Amelie.“

      „Ich?“

      „Ja. Du.“

      „Ohne die Rückendeckung der Munich Life? Kommt gar nicht in Frage!“

      „Doch, sie bestehen darauf.“

      „Dass ausgerechnet ich den Fall übernehme? In meiner eigenen vollen Verantwortung? Warum denn gerade ich?“

      „Dieses Fest in der Villa von Graf Barby war eine Sexparty.“

      Das auch noch.

      „Dr. Schneider meint, dass man nur so an Gregor Berger herankäme“, erklärte Leon, räusperte sich zögernd und wurde rot bis hinter die Ohren. „Tja, mir gefällt das auch nicht. Gar nicht. Doch... also, tja, du kennst ja Dr. Schneider.“

      Und ob! Dieses Scheusal! Dr. Marvin Schneider war Vorstandsvorsitzender der Munich Life AG. Mir kommt es vor, als würde dieser Kerl dauernd Tricks aushecken, jeden überlisten und Menschen herumschieben, als wären sie Schachfiguren.

      Ich lachte höhnisch.

      „Wäre doch was für dich, Leon“, sagte ich und starrte in sein erschrockenes Gesicht. „Ein Callboy, der auf Männer steht. So attraktiv wie du bist, könntest du in sein Beuteschema passen. Er würde sich glatt in dich verlieben. Auf der Stelle! Mach dich an ihn ran, lass dich in den Arsch ficken und kläre nebenbei den Fall auf. Das ist deine Chance, verdammt nochmal!“

      „Du Ferkel“, murmelte er.

      „Aha, ich bin also ein Ferkel, und was verlangt ihr von mir?“

      Leon biss sich auf die Lippen.

      „Was soll ich denn mit dem Schwulen anfangen?“, fragte ich.

      „Amelie, hör mal“, sagte er und kniff die Augenlider zusammen. „Ich täte es ja. Es war sogar im Gespräch. Aber es wäre Irrsinn. Eine Frau nimmt Graf Barby nicht ernst. Auf mich wäre er nur eifersüchtig.“

      „Aha.“

      „Das leuchtet doch ein, oder?“

      „Und du bist damit aus dem Schneider.“

      Er hob die Schultern und lächelte.

      „Aber gut, okay“, erklärte ich und streckte den Arm aus. „Gib mir diese blöde Akte. Was sagte die Polizei zu dem Unfall? Keine Einwände? Oder kam die Mordkommission?“

      „Nein.“

      „So so.“ Ich blätterte den Leitz-Ordner auf. „Hm. Noch mehr Fotos? Was denn, die Einstiegsleiter ins Becken brach ab? Sieh mal einer an.“

      Ich studierte den Totenschein.

      „Der Fall ist kein Jux. Wir müssen sehr vorsichtig sein, sonst sind wir die Munich Life als unseren Hauptklienten los.“

      „Sagte der Zuhälter zu seinem besten Pferdchen.“

      Er ächzte. „Oh, Amelie. Ich gebe ja zu, dass es gemein ist. Dieser Gregor Berger und seine Truppe haben nur Sauereien im Kopf, in allen Variationen. Dazu Sportwagen und Saufen, wahrscheinlich auch Drogen und so. Skrupel kennen die sich nicht. Aber was sollte ich denn tun?“

      „Den Fall anlehnen“, erwiderte ich.

      „Dann müsstest du mit deiner Privatdetektei Konkurs anmelden!“

      „Blödsinn! So schnell bin ich nicht pleite.“

      „Dr. Schneider setzte mir die Pistole auf die Brust.“

      „Und du hast kapituliert.“

      „Besser als unseren Hauptauftraggeber zu verlieren! Es gibt Privatdetekteien wie Sand am Meer. Die rennen sich die Hacken ab, um einen Auftrag von der Munich Life zu bekommen.“

      „Immer dasselbe“, sagte ich.

      „Ja, klar. Alles hat seinen Preis. Und du bist die Trumpfkarte, mit allem, was an dir dran ist. Dr. Schneider und seine Vorstandskollegen schwören auf dich. Ich bot mich wirklich an, den Mist zu erledigen. Nur...“

      Er winkte ab. „Zum Kotzen. Aber natürlich hast du Recht. Ich werde den Auftrag ablehnen. Jawohl!“ Er griff zum Telefon.

      „Moment, Leon“, meinte ich.

      „Nein! Man muss konsequent sein.“

      „Nun aber mal halblang.“

      „Wir schmeißen den Kram hin!“ Leon begann zu wählen. „Du hast Recht! Es ist immer dasselbe. Die Mistkerle erpressen uns mit ihren hochdotierten Aufträgen. Aber damit ist Schluss. Wir werden auch andere Arbeit bekommen.“

      „Nett von dir, Schnuckelchen, aber leider zu spät.“

      Er sah mich verblüfft an.

      „Ich hätte nie die Akte sehen dürfen. Das Verteufelte ist immer die Versuchung.“

      „Amelie. Also! Möchtest du dich denn weiterhin verhökern lassen, an Gregor Berger und solche Burschen?“

      Ich seufzte. „Hör zu.“ Ich öffnete den Leitz-Ordner an der dritten Seite und zeigte auf den zweiten Absatz. „Beschreibung der Leiche durch den Arzt: Die Tote zog sich mein Sturz ins Wasser Quetschungen an beiden Schulterpartien zu. Das mach mir mal vor, wenn du mit einer abbrechenden Einstiegsleiter in ein Becken stürzt.“

      „Du hast Recht! Da stinkt etwas. Dann klemmst du dich doch dahinter, Amelie? Obwohl du vielleicht deinen Körper einsetzen musst?“

      Ich rieb mir mit dem Zeigefinger den Nasenrücken. „Ich denke schon“, murmelte ich.

      „Ich bin aber doch dagegen!“

      „Weißt du, Schnuckelchen“, sagte ich und klappte den Ordner zu und holte tief Luft. „Ich mag es nicht sehr, wenn ich wegen einem gut dotierten Auftrag die Beine spreizen muss, wenn es manchmal auch reizvoll sein kann. Aber noch weniger gefällt es mir, wenn solche Typen wie dieser Graf Barby mit jeder Sache durchkommen, bloß weil sie reich sind. Jedem Schwachkopf muss der Passus mit den Quetschungen aufgefallen sein, dem Arzt und auch der Polizei. Und selbstverständlich erst Recht den Sachbearbeitern bei der Munich Life. Aber deshalb schalten sie uns ja ein. Aber den Kampf offen ausfechten? Nein, da haben sie die Hosen voll, nur weil dieser Graf Barby ein großes Tier ist.“

      Leon nickte. „Das ärgert mich auch.“

      „Also geh ich ran. Wo trifft man das Mistpack?“

      „Moment, ich werde es abklären.“

      Leon nahm den Telefonhörer. Mit zusammengepressten Lippen wählte er, die Stirn in Falten und den Blick mürrisch auf den Apparat gerichtet. Als sich der Teilnehmer meldete, räusperte er sich missbilligend.

      3

      Ich betrat die Villa 108 am nächsten Abend gegen dreiundzwanzig Uhr, eine unscheinbare Bar zwischen Pullach und Baierbrunn, im Münchner Süden gelegen.

      Es war ein warmer Sommerabend, schon auf der Straße lag die Luft zäh und schwül auf meiner Haut. Doch in der kleinen Bar mit der silbergrau lackierten Bar-Theke und der winzigen, grün drapierten Bühne haute es mich um. Obwohl ich unter der dünnen weißen Bluse gar nichts und unter dem sommerlich kurzen Rock nur einen winzigen Slip trug.