Das wundertätige Unterröckchen. Wobei der Berggeist Rübezahl auch eine Rolle spielt.
und gefiel sich besser im Umgange mit jungen, raschen Knappen, als bei der Ausbildung des jugendlichen Gemüts. Ein Beweis, dass die französischen Gouvernanten, welche späterhin Mode wurden, ihre Art zu leben, nicht erfunden haben.
Zweites Kapitel. Klärchen:
Dem Weiherhorster blieb keine Zeit, an die Tochter zu denken.
Seine beiden Söhne betrachtete er als die einzigen, welche auf seine Vatersorge Anspruch machen könnten, daher erzog er sie zu einem Leben, wie das seinige.
Klärchen wuchs in der größten Natürlichkeit auf. Das weitläufige Schloss kam ihr zu enge vor, und sollte sie sich ja damit behelfen, so musste sie auf der Turmwarte sein. Von hier aus schaute sie gern in die finstern Wälder, die damals noch einen großen Teil des Gebirges dicht überzogen.
Ihr helles Auge entdeckte die Reisenden schon von weitem, aber sie hütete sich wohl, dem Turmwärter, der auf so etwas lauern musste, davon Nachricht zu geben.
Sie brachte vielmehr gewöhnlich eine Flasche mit, die er auf das Wohlsein der freundlichen Geberin leerte, und worüber er sein Geschäft, in der Regel vollkommen vergaß.
Auch machte sich Klärchen nicht selten den Schlossberg hinab und schwärmte zu Tagen in Wäldern und Dörfern herum. Wie ihr Vater Hass und Furcht rings umher gepflanzt hatte, so streute sie die Keime zu Wohlwollen und Zutrauen in jedes Herz, dem sie sich näherte.
Die ganze Gegend besaß kein Hüttchen, worin sie eine fremde Gestalt gewesen wäre. Die Arme von Jung und Alt breiteten sich liebend nach ihr aus, und niemand blieb ohne Verwunderung darüber, dass ein solcher Vater solch ein Kind haben könne.
Freilich war es in einem Schlosse, wo alles drunter und drüber ging, wo das Zugreifen nach dem geraubten Gute, außer den Knechten, jedem freistand, dem Mädchen etwas leichtes, Wein, Speise und Geld für wohltätige Zwecke zu verwenden. Allein die Art, mit der sie es tat, die Bemühungen, welche sie sich machte, um die würdigsten Gegenstände für ihre Milde aufzufinden, dieses waren unleugbare Verdienste ihres Herzens.
Heute strich sie durch diesen Teil des Gebirges; ein andermal durchlief sie den entgegengesetzten, und fühlte sie am abend Müdigkeit, so erleichterten ihr doch die Schatten der andern von ihr geschaffenen Freude, welche vor ihr her flatterten, den Rückweg auf die Burg.
Selbst von den größten Gastmahlen des Weiherhorsters blieb sie weg, ohne vermisst zu werden. Sie verzehrte lieber mit Vertrauten, die sie überall antraf, die selbstgepflückten Blaubeeren, als die köstlichsten Speisen an der väterlichen Tafel. Sie trank lieber eines Bergstroms Kristallwasser aus der hohlen Hand, als die wohlschmeckendsten Weine, welche in den goldenen Pokalen ihres Vaters glänzten.
Drittes Kapitel. Worin mehr Edelmut als Wahrscheinlichkeiten enthalten ist:
Der Turmwächter zeigte Klärchen eines Morgens den Rauch, welcher noch aus den Trümmern der Hütten stieg, die ein Gewitter der vorigen Nacht, das sie verschlafen, zu Grunde gerichtet hatte.
Schnell stieg das Mädchen hinab, raffte alles Geld zusammen, was sie auffinden konnte, und jagte damit vom Schlossberge in das Tal. Atemlos eilte sie der Gegend zu, aus welcher sie den Rauch hatte steigen sehen. Sie wand sich, um den nähesten Weg zu verfolgen, durch das dichte Buschwerk und achtete der Dornen nicht, die an ihre feinen Hände und das noch zartere Gesicht schlugen.
Der Kummer der Abgebrannten und der Druck des eigenen unbefriedigten Herzens waren jetzt die einzigen Gefühle ihres Busens.
Ein Platzregen stürzte herab. Er hielt sie nicht auf.
Dieser und die Güsse der letzten Nacht hatten einen Bach, der sich in den Weg warf, so angeschwellt, dass er Gefahr drohte.
Klärchen achtete nicht darauf. Aber der Strom hob ihre Füße, und mit Mühe nur arbeitete sie sich an das jenseitige Ufer. Das bezwungene Hindernis gab ihr neuen Mut zur Fortsetzung ihres Weges, von dem sie jetzt durch kindliche Jammertöne abgezogen wurde.
Die Hilfe rufende, verzweiflungsvolle Stimme schallte hinter dem Berge hervor.
Klärchen eilte dem Schalle entgegen, als eine Wölfin – ein schreiendes Kind im Rachen – daher kam, welche beim Erblicken des Mädchens, gleichsam um abzuwarten, wo es hinauswollte, in einiger Entfernung stehen blieb.
Klärchen sah in dem Augenblicke nichts, als die Gefahr des Kindes. Mit einem vom nächtlichen Sturm herabgeschlagenen Baumaste stürzte sie über die Wölfin her, die grimmig das Kind fallen ließ und sich auf die Feindin warf, als eben ein Knabe herbeieilte, welcher die Wut des Tiers durch einige Streiche von dem Mädchen ab und zu sich herüberzog.
Klärchen schlug nun so kräftig auf den Kopf der Wölfin, dass sie von dem Knaben zurücktaumelte, und beide ihre Heldentat vollenden konnten.
Das Kind, welches ein Raub des Tiers gewesen war, schien noch völlig unversehrt. Mit Wonne hielten hierauf seine Retter einander in den Armen. Niemals waren sie so glücklich gewesen.
„Der Himmel segne Euch, Ihr lieben Kleinen!“, so erscholl jetzt eine sanfte Stimme neben ihnen. Sie wendeten ihre Augen auf die Seite, und fanden sich in Gesellschaft einer bejahrten Frau, welche einen Korb auf dem Rücken trug.
In den Zügen der so Unerwarteten lebten noch die Schatten verblichener Schönheit. Alles war edel an dem Weibe, und aufs äußerste reinlich.
,,Ich habe“, fuhr die Frau fort, „die schöne Tat beobachtet, und würde Euch beigesprungen sein, wenn ich Hilfe nötig geachtet hätte. So aber wollte ich gern das Gefühl Eurer Kraft, mithin Eures Wertes ungeschwächt in Euch erhalten. Kämpft ferner überall ohne Scheu gegen das Unrecht an. Euer gegenwärtiger Sieg ist zu süß, um Euch nicht zu neuem Streite anzufeuern. Deine Mutter, Klärchen, ist, wie ich weiß, gestorben: ich will deiner Mutters Stelle bei Dir vertreten, wenn Du gut bleibst, wie Du es bist. Zum Andenken trage ein kleines Geschenk von mir, dessen gute Eigenschaften Du einmal aus meinem Munde erfahren sollst.“
Hierauf setzte sie ihren Korb auf die Erde und zog aus ihm ein Unterröckchen von gemeinem Flanell hervor, das sich durch nichts als eine blendende Weiße, und die rote Schleife zum Zu- und Aufziehen auszeichnete.
„Gegen Dich, Fritz!“, sagte sie hierauf, indem ihr Gesicht ernster ward, „würde ich weniger karg sein, als ich es scheine. Auch Du solltest Dich nicht vergebens nach einer geringen Gabe umsehen, wenn ich Dir damit nützen könnte. Ich zweifle indes daran, daher nichts als dieses.“
Sie küsste des Knaben Brust, und sagte ihm, dass der dadurch entstandene rote Flecken bleiben, sobald er aber auf unrechte Taten ausginge, plötzlich eine schwarze Farbe annehmen, ja diese nie wieder ablegen würde, wenn einmal die Güte seines Herzens ganz aufhören sollte.
„Ein anderes Geschenk von mir“, fuhr sie fort, könnte Dir verderblich werden. Rübezahl…“
Kaum hatte sie den Namen gesprochen, als die Erde sich so stark zu bewegen begann, dass die Kleinen ihr Gleichgewicht verloren und niederfielen. Ein dumpfes Gemurmel fuhr unter dem Boden hin, und ein heftig vorüberrauschender Sturm schüttelte die Wipfel der Bäume.
Da die geängsteten Kinder sich wieder aufrichteten, fehlte die Frau, welche soeben noch zu ihnen gesprochen hatte.
Der rote Flecken auf der Brust von fritz war jedoch vorhanden, und Klärchen das Unterröckchen geblieben.
Die Ereignisse folgten einander zu schnell, als dass die Unerfahrenen sogleich ganz zu sich kommen konnten. Mit Wohlbehagen verweilten jedoch ihre Augen ein Paar Augenblicke bei den Andenken, die ihnen die verschwundene Frau zurückgelassen hatte.
Hand in Hand blieben sie so stehen, bis endlich Klärchen mit einem Male die Ursache einfiel, warum sie so früh aus der Burg geeilt.
„Leb wohl, Fritz“, sagte sie nun rasch, „ich muss weiter.“
Fritz wollte sie nicht loslassen.
„Siehst Du nicht Deine Wunden,