es Klärchen gewahr, dass die Wölfin sie verwundet hatte; da aber der Schaden ihr von keiner Bedeutung schien, so machte sie sich von dem Knaben los, mit dem Versprechen, auf den Nachmittag in seiner Mutter Hütte zu kommen, die ihr sehr gut bekannt war. Sie wusch sich ihre Wunden an einer Quelle und eilte den eingeäscherten Häusern zu.
Sie sah die Betrübten zum Teil auf den geretteten Trümmern ihrer Habe sitzend, die noch rauchenden Balken anstarren, zum Teil auch schon von Baumästen sich kleine Hütten bereiten, die bis zu der Herstellung des erlittenen Schadens ihnen Obdach gäben.
Sie verteilte das Geld, das sie noch besaß, unter die Leute; aber leider war ihr nicht viel geblieben. Der größte Teil war in dem Bache verloren gegangen, durch den sie sich mühsam gearbeitet hatte.
Viertes Kapitel. Das sich mit einer Subskription endigt:
Was Klärchen tun wollte und konnte, war geschehen, und nun machte sie sich auf den Weg zu dem Häuschen der Frau Strombergerin – Fritzens Mutter – mehr um zu erfahren, ob dem geraubten Kinde auch wirklich kein Schaden geschehen sei, als wegen ihrer Wunden.
Der Knabe stand schon am Wege, den sie nehmen musste.
Er sprang jauchzend hervor, als er sie vom weiten erblickte. Arm in Arm lief er hierauf mit ihr auf seine Mutter zu, die den Klärchen, der Retterin ihres Lebens, Hände und Kleider küsste; denn sicher hätte sie der Vorwurf, ihr jüngstes Kind dem Knaben allein vertraut zu haben, ins Grab gebracht, wenn des Mädchens Mut die Folgen ihrer Unvorsichtigkeit nicht wieder gut gemacht hätte.
Das Kind war ganz unbeschädigt.
Des Knaben leichte Fleischwunden lagen unter dem Verbande. Mit großer Ängstlichkeit untersuchte die Frau nun auch Klärchen, und entdeckte, wenn auch tiefere, doch zu ihrer und ihres ältern Sohnes Beruhigung und Freude, ebenso wenig gefährliche Beschädigungen an dem Mädchen.
,,Komm hübsch bald wieder, Klärchen“, sagte Fritz, als sie sich endlich gar nicht mehr wollte halten lassen.
Die Mutter vereinte ihre Bitten mit den Seinigen, und das ihr wo möglich seit heute noch lieber gewordene Kind auf dem Arme, führte sie die kleine Retterin einen ungewöhnlichen Pfad, wo der Bach ganz vermieden werden konnte.
Fritz hüpfte um Klärchen herum, pflückte ihr Blümchen, und trug ihr das Geschenk von der Alten bis an den Ort, wo sie einander gute Nacht wünschten. Hier wiederholte die Frau Strombergerin und ihr Knabe die Bitte um Wiederbesuch.
„Ja recht bald, Klärchen! Hörst Du?“, sagte Fritz, der um dieser Erinnerung willen noch einmal zurückgelaufen war, indem er ihr aufs freundlichste die Hände streichelte.
Klärchen hüpfte fort, und alles in ihrem Köpfchen und Herzchen hüpfte mit. Sie ward sich keines Gedankens bewusst. Aber eine ganze Menge unbestimmter Gefühle, voll Leben und Süßigkeit, sprangen empor in ihr und verrannen ineinander. Nie hatte ihr die Luft erquickender geschienen, nie die Natur so herzerhebend, und wie diesmal die rote Abendsonne aus den Fenstern der Burg zurückprallte, so hatte sie Klärchen niemals glänzen sehen.
Klärchen wunderte sich nicht wenig, als sie bei ihrem Eintritte in die Burg, die von ihr getötete Wölfin erblickte und einen Knappen daneben, welcher sich das Verdienst, sie erschlagen zu haben, zueignete.
Sie betrachtete das Tier genauer und fragte dann, in dem sie dem Knappen starr ins Auge blickte: „Also wirklich, hast Du das Tier umgebracht?“
Der entschlossne Ton des Mädchens brachte ihn sogleich um alle Frucht seiner Lüge. Seine Falschheit vollends darzustellen, erzählte Klärchen die Geschichte, welches sie vielleicht unterlassen haben würde, wenn sie nicht grade diesen Knappen als den grausamsten Menschen im ganzen Schlosse gekannt hätte. Sein Betrug brachte ihn ins Verließ.
Der Weiherhorster erkundigte sich den Tag darauf bei der Frau Strombergerin, wegen des Vorfalls mit dem Wolfe, und schloss bei seiner Rückkunft zum ersten Male in seinem Leben die kühne Tochter in die Arme. Er richtete ihr zu Ehren ein großes Fest aus, wozu viele meilenweit entfernte Gäste geladen wurden, bei dem die ausgestopfte Wölfin als Schaugericht des Mädchens Tapferkeit und wackere Gesinnung bezeugen musste.
Der unverheiratete Teil der anwesenden Ritter spekulierte stark auf Klärchens künftigen Besitz, doch ließen sie noch nichts davon laut werden. Ein einziger nur, der seinem Alter nach schon zu der Erfahrung hatte gelangen können, dass die Bewerbung um ein Mädchen mit guter Aussteuer niemals zu früh geschieht, zog den Weiherhorster auf die Seite und pries sich an – oder, weil dies im eigentlichen Verstande nicht möglich war, ließ einen Mönch, den er bei sich hatte, in seinem Namen anpreisen, so dass er sie heiraten wollte, sobald sie die dazu gehörigen Jahre hätte.
Fünftes Kapitel. Die Wölfin rächt sich an Klärchen:
Die Erlegung des reißenden Wolfes musste Klärchen – die wie gesagt zeither kaum bemerkt worden war – in einem Schlosse, wo Kühnheit und Kraft allein Ansprüche auf Achtung gaben, zu einem bedeutenderen Platze erheben.
Oft, wenn sie an der Tafel fehlte, erkundigte sich ihr Vater jetzt nach ihr, und ihre Aufseherin kam dann nicht mehr mit der Antwort fort, dass das wilde Mädchen gar nicht zu hüten sei.
„Dich wird mein Turm hüten“, sagte der Ritter, „wenn Du mir meine Kläre nicht in Acht nimmst. Es ist Zeit, dass sie sittsam werde, und aufhöre, wie das Kind eines Knechts unter dem niedern Gesindel herumzutollen.“
Es war der dreizehnte Sommer, den Klärchen sah.
Ihre Figur besäß ganz noch den Charakter des Kindlichen. Ein Paar volle, rote Wangen deuteten auf die Gesundheit ihres wohlgebildeten Körpers, und die glänzende Klarheit der freundlichen schwarzen Augen verkündigten das Wohlsein ihrer Seele.
Ein Wölkchen zog jetzt darüber hin. Klärchens Wärterin, Frau Martha, fürchtete den Turm, darum durfte das Mädchen nicht anders mehr den Schlossberg hinunter, als in ihrer Gesellschaft, oder wenn der Weiherhorster zum Streit ausgezogen war.
Mehr den jemals begab sie sich daher mit ihre Fantasie auf die Wanderschaft, um die Gegenden wenigstens vor Augen zu haben, in die sie zu gehen verhindert wurde. Hier hing sie nicht selten dem Gedanken an die Geberin ihres Unterröckchens nach, so wie an den Umstand, der mit ihrem Verschwinden verknüpft war, und setzte sich daraus, je nachdem ihre Stimmung es zuließ, mancherlei heitere oder düstere Ereignisse der Zukunft zusammen.
Welch eine besondre Freude war es für das Mädchen, das Wachsen und Zunehmen des Kindes zu sehen, welches ihr gleichsam sein zweites Leben zu verdanken hatte.
Frau Strombergerin lehrte es Klärchens Namen zuerst, und diese wendete die wenigen Tage, welche ihr zum Durchstreifen der Gegend blieben, gemeiniglich zu dem Besuche des Kleinen an.
Wie schon bemerkt, fiel so etwas nur in Abwesenheit des Ritters vor.
An diesen Tagen hatte Frau Martha gewöhnlich alle Hände voll zu tun, und zwar mit Geschäften, die die Zeugen so viel als möglich scheuen. Sie wagte es dann wohl, Klärchen Urlaub zu geben, wenn sie Schweigen angelobte, welches sich letztere allezeit von Herzen gern gefallen ließ.
Sechstes Kapitel. Worin eine Eigenschaft des Röckchens an den Tag kommt, die ihm zu keiner Empfehlung gereichen wird:
Das Häuschen der Strombergerin war Klärchens Himmel.
Je seltner ihre Besuche dort wurden, um desto bedeutender auch, ihr und den guten Leuten.
„Bist lange ausgewesen, Klärchen!“, sagte Fritz mit einem Gesicht, auf dem die Freude die Wehmut überglänzte, und eben so antwortete Klärchen: „Wär gern gekommen, wenn ich gedurft hätte.“
„Wirklich?“, erwiderte der Knabe.
„Freilich!“, antwortete das Mädchen.
Solche