Alexander Zaunkönig

Das wundertätige Unterröckchen. Wobei der Berggeist Rübezahl auch eine Rolle spielt.


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das wissen wir bereits.

      Die Ritter konnten wegen einer verabredeten Jagd den Schlaf nicht – wie sie es vorhin beschlossen – abwarten, weil Klärchen in Rücksicht auf sie, grade denselben Beschluss gefasst hatte. Sie verließen daher – mit nicht unterdrücktem Unwillen – das Gemach.

      Erst als Klärchen die Pferde den Berg hinabtrotten hörte, erst dann hing sie den Schlaf an den Nägel, und verließ das ihr niemals lästiger gewordene Bette.

      Frau Martha konnte, sobald sie den hinwegreitenden- rüstigen Knappen vernahm – mit dem sie in der vorigen Nacht eine zwar ziemlich einförmige, doch ihr deshalb keineswegs langweilige Unterhaltung gehabt hatte – nicht mehr vom Sessel aus zusehen, und wechselte – weil sie die Ursache von des Mädchens Krankheit erriet – mit Drohen und Bitten ab. Klärchen hörte auf beides nur wenig.

      Sie sann vielmehr über ihre Lage nach, und brachte soviel heraus, dass der verstellte Schlaf nichts als ein leidiges Linderungsmittel sei, welches den Ausbruch des bevorstehenden Übels nur aufschieben, nicht verhindern könne.

      Nichts blieb ihr übrig, als ihre Tränen – und Martha mochte ihr sagen, so oft sie wollte, dass es auf dem Kynast ganz andere und freudigere Beschäftigungen für sie geben werde, als sich rote Augen zu weinen. Sie weinte noch fort, da die Ritter schon zurückkamen.

      Sogleich wollte sie das Bette wieder aufsuchen, aber Martha setzte sich dagegen.

      Sie meinte, dass es die schlechteste Lebensart (oder wie man's damals nannte) verraten würde, wenn sie sich ferner so träge gebähre. Während eines Gezankes hierüber, traten schon der Weiherhorster und der Herr vom Kynast in die Kammer, der zwar lispelnden, aber nicht ihren Bräutigam liebenden Braut.

      Der Weiherhorster, der so gar einfältig nicht war, und die Tränen in Klärchens Augen bis zu ihrem Quell verfolgte, schloss, als sie sich von dem Kynaster abwendete, einen wilden Blick auf sie; gebot ihr mit Strenge, sich eilig anzukleiden, und ging nebst seinem ihr so verhassten Begleiter wieder hinweg.

      Elftes Kapitel: Das hoffentlich mit all seinem Lärmen den Leser nicht aus der Ruhe stören wird, worin ihn das vorige Kapitel wiegte:

      Mit zitternder Hand ordnete Klärchen immer noch etwas an ihrer Kleidung, als ihr Vater sie abholte und auf dem kurzen Wege über den Saal eine Predigt hielt, welche ihr das Blut erstarren machte.

      Klärchen litt es nun geduldig, wenn ihr Tischnachbar, der Herr vom Kynast, ihre Hand in die seinige nahm, auch rückte sie nur unmerklich mit dem Kopfe von ihm, so bald er seine Güte soweit trieb, ihrer Wange ein Küsschen aufdrücken zu wollen.

      Sie war ruhig und zufrieden, wie ungefähr die rechtlichen Leute unter der Schreckensregierung in Frankreich.

      Ihr Befehler – mit anderem Namen ihr Vater – saß ihr mit seinem aufmerksamen Auge gegenüber. Der Ritter vom Kynast müsste in der Dummheit besonders exzellent sein, (ein Umstand, worüber meine Urkunden schweigen) wenn er nicht hätte merken sollen, dass er die erwünschten ja’s und nein's, die er auf seine Fragen erhielt, keinem innern Triebe des Mädchens, sondern einem von außen zu verdanken hatte.

      In der damaligen Zeit aber distinguierte man nicht so fein als heutzutage. Ein Mann, welcher heiraten wollte, kümmerte sich wenig darum, ob das Mädchen, der Gegenstand der Heirat, ihm wohlwollte oder nicht. Man betrachtete die Dirne gleich andern Früchten, die dem Vater zugewachsen waren.

      Letzterm stand ausschließend das Recht zu, seine Tochter zu geben, oder wie hier, zu verkaufen, wenn er wollte. Bücher, wie Friedrich Schulzes Werk über beide Geschlechter, worin der Verfasser darzutun sucht, dass die Moral erst dann wieder hergestellt werden würde, wenn die Weiber nicht nur eine bedeutendere Stelle in der Familie, sondern auch Anteil an der Staatsverwaltung bekämen, solche las damals noch kein Ritter.

      Teils, weil die damaligen Ritter selten lesen konnten – Teils, weil die Leute noch nicht am Leben waren, welche dergleichen Bücher schrieben und schreiben.

      Die Verlobungsszene begann wirklich und wurde zu der von fern lauschenden Marthas Entzücken auch vollendet.

      Ich müsste den Text verfälschen, wenn ich sagen wollte, Klärchen sei dabei in Ohnmacht gefallen, da die Ohnmachten für dergleichen Gelegenheiten eine viel neuere Erfindung sind. So viel aber kann ich versichern: Klärchen hatte, als sie das Unterpfand der Treue ihres künftigen Gatten erhielt, nicht einmal den Gedanken, dass ihr an seiner Treue wenig gelegen wäre. Sie sah nichts mehr, als die starren Augen ihres Vaters. Sie hörte nichts, als seine Stimme.

      Die Fenster der Burg flimmerten die ganze Nacht. Der Wein trieb nach und nach allen Anstand hinaus. Niemand blieb nüchtern. Selbst Klärchen war trunken, ob sie es schon weder vor Freude war, noch einen Tropfen Wein genommen hatte.

      Das barbarische Getümmel währte bis an den lichten Morgen.

      Doch suchte Klärchen schon mitten in der Nacht ihr Lager auf.

      Zwölftes Kapitel. Woran man sehen kann, das Klärchens Siegeswille nicht weit her ist:

      Als Klärchen von einem Zustande erwachte, der mehr als Betäubung, weniger als Schlaf war, da fiel ihr ihre Lage umso schrecklicher aufs Herz, je weniger sie gestört wurde, weil alles im Schlosse – von der rauschenden Lust der vorigen Nacht ermattet – noch in den Federn lag.

      Wie dunkel erinnerte sie sich, von ihrem Vater gehört zu haben, dass ihre Hochzeit schon in einigen Tagen vollzogen werden solle.

      Sie sann auf Mittel dagegen, meinte der allgemeine Schlaf werde eine Flucht begünstigen und kleidete sich dazu an. Glücklich war sie über den Saal geschlichen, und wähnte sich fast vollkommen sicher, als ein Gemach geöffnet wurde, aus den ihr Bräutigam trat.

      Mit einem hellen Schrei lief sie auf ihre Kammer zurück.

      Der Herr vom Kynast erschrak nicht minder: Das Zimmer, woraus er kam, war keins von denen, welche man ihm angewiesen; aber im Rausche weiß man nicht immer, wohin man gerät, und so hatte er sich´s die ersten Morgenstunden dort gefallen lassen.

      Entdeckt war sein Abenteuer nun eins mal, er gab daher der Sache einen Mantel um, indem er behauptete, er habe in Frau Marthas Kammer (aber vergebens) einen Knappen gesucht, der ihm des unordentlichen Lebens verdächtig sei.

      Das ganze Haus sah zwar wohl die Wahrheit hinter der Entschuldigung vorgucken, doch meinte er – wie zuweilen große Kabinett-Leute aus der Vorzeit – eine schlechte Entschuldigung sei doch besser als gar keine, und zog, um diese einigermaßen zu verbessern, gleich jenen Kabinett-Leuten gewaltig auf die Leute los, welche die Moral und Religion so wenig achteten; um Streiche zu begehen, wie er es bei einem von den Knappen vermutet habe.

      Zugleich meldete er dem Weiherhorster, welcher noch im Bette lag, dass er Grund habe, eine weitere Flucht von Seiten seiner Tochter zu befürchten, und bat, er möchte zweckdienliche Maasregeln dagegen nehmen.

      Klärchen schluchzte heftig, als ihr Vater in ihr Gemach trat und sie mit seiner kräftigen Beredsamkeit vollends niederdonnerte: „Noch einen solchen Versuch und Du kommst zeitlebens in den Turm. (Du Rabenaas).“

      Ich klammre die letzte, etwas pöbelhafte Benennung darum ein, damit die gebildeten Leser sie überhüpfen mögen, weil sie eigentlich bloß für die ungebildete Klasse und gewisse Rezensenten dasteht. Für letztere, da mit es ihnen kinderleicht werde, mir ein tüchtiges Nebenbei zu geben. Dies beiläufig gesagt.

      Die oben ausgehobenen Worte halten die Quintessenz der ganzen Rede, und äußerten auch eine besondere Kraft auf Klärchen. Sie kannte die feste Beharrlichkeit ihres Vaters: und musste in der Tat fürchten, dass er den Turm nicht bloß zur Parade in den Hintergrund stelle; daher entschloss sie sich, in den sauern Apfel zu beißen, und den Herrn vom Kynast zu heiraten.

      Ich entsinne mich noch recht gut, dass ich Klärchen im neunten Kapitel sagen ließ: „Sicher