Ava Patell

Smartphone Sweetheart


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nicht.‹ Wieso genau er das ausgerechnet jetzt schrieb, wusste Matthew selbst nicht. Es war eine Impulshandlung. Beinahe perplex sah er auf sein Handy, als er die Nachricht abgeschickt hatte.

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      Der Tee war kalt und hatte inzwischen einen unansehnlichen Film entwickelt. Der Käse auf seinem Brötchen wellte sich an den Ecken bereits nach oben und dennoch war auf seinem Bildschirm nicht viel mehr zu sehen als am Morgen. Tief seufzte Emmett. Er wurde durch das leise Piepsen seines Handys aus seiner Trance gerissen und sah darauf. Überrascht hob er die Augenbrauen. Er hatte mit Vielem gerechnet, aber damit sicherlich nicht. Nicht mit einer Nachricht des Fremden. Immerhin schien er oder sie ihm nicht böse zu sein. Kopfschüttelnd lächelte er über sich selbst, entdeckte das Brötchen, das dort schon seit heute Morgen auf dem Teller lag und rümpfte die Nase. Dann erhob er sich, räumte den Schreibtisch auf und schob ein paar Pommes in den Ofen. Der Tee landete im Ausguss, die Tasse stellte er in die Spüle und das Brötchen landete im Müll. Auch, wenn er im Grunde absolut dagegen war, Essen wegzuwerfen, passierte es ihm deutlich zu oft. Berufskrankheit. Die Eieruhr zeigte noch ein paar Minuten, bis die Pommes fertig wären und von der Küche aus blickte er zu seinem Handy, welches noch immer auf seinem Schreibtisch lag. Er merkte erst, dass er sich bewegt hatte, als er es wieder in die Hand nahm.

      › Und das waren nur die Geschichten, die er mit der Welt geteilt hat. Niemand weiß, was er noch in seinem Kopf mit sich herumgetragen hat.‹ Der Mann war seiner Zeit weit voraus gewesen und hatte mit seinen Visionen vielleicht sogar dazu beigetragen, dass die Welt heute so aussah wie sie nun einmal aussah. Etliche Meilen entfernt jedoch machte sich Matthew solche Gedanken nicht, als nur ein paar Minuten später eine Antwort auf seine Nachricht kam.

      › Sie würden sich sehr gut mit meinem Neffen verstehen.‹ Die Nachricht war schnell getippt und noch schneller abgeschickt. Erst als sie geschrieben stand, stutzte Matthew. Jetzt zog er auch noch seine Familie mit hinein! Entschlossen wählte er Glendas Nummer. Er musste abklären, ob das nicht doch auf ihren Mist gewachsen war.

      »Ich möchte, dass du mir schwörst, dass du mir in den letzten Tagen keine Nachrichten geschickt hast, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten.« Glenda schnaubte am anderen Ende und Matthew rollte mit den Augen. »Tu es einfach, ja?«

      »Gut, schön! Ich war brav. Bist du jetzt beruhigt?«

      »Hm...« Matthew war auf den Balkon des Hotelzimmers getreten und schob seine Hand auf die Brüstung. »Ja. Beruhigter zumindest.«

      »Gut, dann jetzt zum Geschäftlichen. Die Präsentation steht?«

      »Natürlich.«

      »Hast du diese unsägliche Grafik auf Seite drei noch mal geändert?« Diesmal war es Matthew, der schnaubte.

      »Weißt du, du hättest mir auch sagen können, dass sie dir nicht gefällt.« Glendas Grinsen konnte er beinahe körperlich spüren. »Ich hab sie geändert.«

      »Guter Junge.«

      Matthew musste lächeln. »Ich mach das hier schon und dann komme ich zurück. Gegen 17 Uhr müsste ich da sein, bist du da noch im Büro?«

      »Bin ich. Dann sehen wir uns gegen fünf.« Glenda legte auf, ohne sich zu verabschieden. Eine schreckliche Marotte und wie so oft grummelte er leise, sagte ›Bis dann.‹ zu sich selbst und ließ das Handy sinken. Während Henry Baker in der Firma für den geschäftlichen Teil zuständig zu sein schien, regelte Glenda alles aus dem Hintergrund. Niemand, der Glenda Welsh kannte, würde darauf kommen, dass Henry eigentlich der Kopf der Firma war, denn bei Welsh & Baker lief nur alles so rund, weil Glenda von morgens bis abends ein Auge darauf hatte. Nicht umsonst hatte sie dafür gesorgt, dass ihr Name vor Henrys genannt wurde.

      Während Matthew den Blick vom Fernseher abwandte und über die nächtliche Stadt gleiten ließ, schüttelte Emmett über sich selbst den Kopf in seiner kleinen Wohnung.

      Das war verrückt. Wieso ließ er es nicht einfach sein? Er griff nach dem Wasserkocher und machte sich einen neuen Tee, lief hinüber zum PC und speicherte seine Arbeit ab. Als er das Wasser über den Beutel gab, leuchtete bereits die Anzeige für eine neue Nachricht.

      »Huh.«, machte er leise und war verwundert über diese doch recht persönliche Offenbarung. Die Person am anderen Ende dieses elektronischen Gerätes hatte immerhin eine Familie, hatte Kontakt zu ihr und es war davon auszugehen, dass sie sich mit Kindern verstand.

      › Wie alt ist denn Ihr Neffe?‹ , tippte er und schickte die Nachricht ab. Ein fremder Mensch, der einen Neffen hatte und H. G. Wells kannte. Das war dennoch keine sehr ausufernde Charakterbeschreibung, aber im Moment sogar besser als die fünf Seiten, die er heute auf seinem Laptop zustande gebracht hatte. Und selbst die waren ihm wie eine Zangengeburt vorgekommen. Über den Äther hinweg bahnten sich die Worte ihren Weg auf Matthews Handy und dort zeigte ein kleines blinkendes Symbol auf dem Display den Eingang einer neuen Nachricht. Matthew las die Antwort der fremden Frau oder des fremden Mannes.

      › Er wird acht dieses Jahr und ist ein großer Science-Fiction-Fan .‹, schrieb er zurück.

      Der Ofen in der kleinen Wohnung piepste und signalisierte Emmett damit, dass sein Essen fertig war. Er holte die Pommes heraus, verbrannte sich wie immer dabei am Backblech und gab ordentlich Ketchup dazu. Dann setzte er sich mit seinem Tee, dem Essen und dem Handy vor den Fernseher. Er brauchte ein paar Minuten Abstand von der Arbeit. Doch auch beim Zappen durch das Programm fühlte Emmett sich nicht besser. Es lief nur Müll. Da bot das Handy neben ihm weit mehr Zerstreuung, denn es zeigte inzwischen eine neue Nachricht an.

      › Das ist gut. Kinder mögen mich in der Regel, also könnte Ihre Aussage stimmen.‹ Es war wirklich so. Er kam mit Kindern ausgesprochen gut klar. Mit Frauen im Allgemeinen auch. Nur mit erwachsenen Männern haperte es und während er darüber nachdachte, woran genau das liegen mochte, las Matthew lächelnd die Antwort.

      »Ja, könnte sie.«, sagte er leise zu sich selbst, schrieb aber nicht mehr zurück. Stattdessen nahm er sich seine Badehose sowie eines der Hotelhandtücher und ging sich im hoteleigenen Schwimmbad verausgaben. Anschließend legte er sich ins Bett. Er musste morgen unbedingt ausgeruht sein. Wenn alles glatt gehen würde, hatte er einen weiteren Schritt auf seiner persönlichen Leiter getan. Tatsächlich lief am nächsten Morgen alles wie er es sich vorgenommen hatte und er konnte mehr als zufrieden zum Flughafen fahren. Während auf der Erde eine dicke Wolkendecke einen Blick auf die Sonne unmöglich machte, konnte Matthew über den Wolken in ihr strahlendes Gesicht sehen. Der Flieger landete pünktlich und so konnte er sich noch mit Glenda und Henry über die nächsten Schritte unterhalten. Auf dem Rückweg im Taxi rief Matthew sein Nachrichtenprogramm auf, um seiner Schwester zu schreiben, dass er gut angekommen war. Sein Blick fiel auf eine andere Unterhaltung. Noch immer hatte die Nummer keinen Namen, er hatte sie inzwischen aber als ›Mrs./Mr. Unbekannt‹ abgespeichert. Sinnlos wahrscheinlich, denn ihre Unterhaltung schien am Ende. Zumindest momentan.

      2 – John Doe und Mr. M

      An diesem Abend erhielt Emmett keine Nachricht mehr und er versuchte sich in das Fernsehprogramm zu vertiefen, aber da hätte er sich auch freiwillig einer Lobotomie unterziehen können, das Ergebnis wäre in etwa das Gleiche gewesen. Zerstörung des Gehirns. Zurück blieb in beiden Fällen nur ein sabbernder, apathischer Haufen Mensch. Und für Watch-It fehlte ihm momentan das Geld. Frustriert schaltete er das Fernsehen wieder aus und tingelte zurück zum Laptop. Der Bildschirmschoner hatte sich eingeschaltet und eine Weile betrachtete er die vorbeifliegenden Sterne, während er die letzten Pommes vertilgte. Keine Antwort. Nun. Damit wäre diese Konversation wohl endgültig passé. Ein kleines, spannendes Intermezzo wie er es schon beim letzten Mal festgestellt hatte. Doch nur eine Woche später sollte er wieder eine Nachricht an diese Nummer schicken. Eher aus der Not heraus und er fragte sich, ob es dennoch als Spontaneität zählen würde. Ob Hanni ihm das anrechnen würde, dass er von sich aus erneut an diesen Fremden Menschen schrieb.

      Es war kalt, der Wind fegte durch die Straßen und man spürte jetzt deutlich die Einflüsse des Herbstes. Nur noch ein paar Monate und der Winter würde Einzug halten. Schnee. Eis. Straßenchaos. Er zog den Kragen seines