Schon lange nicht mehr .‹
»Schon lange...«, murmelte Matthew. Gut, vielleicht lag er mit seiner Alterseinschätzung auch komplett daneben. Aber sie schrieben nie über...
› Ich bin übrigens 28.‹ Matthew unterbrach seine eigenen Gedanken, als er diese nächste Nachricht las.
»Oh.« Er legte ein ausgestrecktes Bein über das andere und begann zu tippen. › Ich bin 32. Meinen Respekt zur frühen Selbständigkeit. Genügt es den Menschen nicht mehr, jemanden niedlich zu finden, um ihn näher kennenzulernen?‹ , schrieb er und die Antwort ließ nicht lang auf sich warten.
›Sagen Sie es mir, Mr. M. Sie haben mehr Lebenserfahrung als ich. Sie sind in den letzten 20 Jahren 5x umgezogen. Ich hab in den letzten 5 Jahren ungefähr 20 Körbe bekommen. Also würde ich von meinem Standpunkt aus sagen, nein. Es reicht nicht.‹
›Aber in Galerien, Cafés und Parks müssten Sie doch Gleichgesinnte treffen.‹ Matthew hob kurz den Blick. Neben ihm lag ein Buch. Ach ja... Er hatte lesen wollen. Doch wie so oft wenn er mit John Doe schrieb, blieben seine Gedanken an dem Thema hängen, das sie gerade bearbeiteten. So auch heute. 20 Körbe, dachte er. Das war eine Menge. Gut, er wusste ja nicht, wie Johnny aussah. Vielleicht war er fett und gab nur vor, selbständig zu sein. Vielleicht bekam er deshalb Körbe...im Internet. Weil er den lieben langen Tag... Moment, es gab ja noch die Freundin. Eingebildet? Ausgedacht? Schnell schüttelte Matt den Kopf. Unterstellte er Johnny gerade Unehrlichkeit? Himmel, er war schon jetzt ein analytisch denkender Workaholic, obwohl er genau das hatte nicht werden wollen. Schon lenkte ihn die Antwort des Fremden von seinen Gedanken ab.
› Kein wirklich guter Ort, um Dates kennenzulernen.‹ , kam die Antwort des fremden John Doe. Matthew runzelte die Stirn. Er wollte gern etwas Aufmunterndes schreiben, aber das schien ihm nicht gut zu gelingen. Kurz dachte Matthew nach, suchte in einer App nach der Lösung, die er benötigte.
› In diesem Augenblick leben 7.406.904.694 Menschen auf der Erde. Manchmal braucht man nur einen einzigen, um sich besser zu fühlen .‹, schrieb er dann. › Sie werden ihn schon finden.‹
Statt weiter auf das Thema einzugehen, wechselte John Doe es jetzt jedoch. › Was ist mit Ihnen, Mr. M? Sind sie verheiratet?‹
Matthew lächelte. › Nein, Johnny, bin ich nicht. Ich habe einige...‹ Leicht wog er den Kopf hin und her. › ...Bekanntschaften gehabt, aber ich bin nicht in einer Beziehung.‹ Neugierig wartete er auf die Antwort, die bereits getippt wurde, kaum dass er seine abgeschickt hatte.
›Und dabei stelle ich Sie mir als ganz netten Menschen vor. 7 Billionen Menschen auf der Erde. Wie wahrscheinlich ist es da, den einen zu finden, der zu einem passt? Ein Lottogewinn ist wahrscheinlicher. Sogar von einem Blitz getroffen zu werden ist wahrscheinlicher.‹ , kam die recht pragmatische Antwort. Matthew musste schmunzeln.
› Nun, Sie können ja einige für sich ausschließen. Rentner, Kinder...‹ , deutete er an. › Im Übrigen glaube ich nicht, dass es da nur einen gibt. Beziehungen bedeuten harte Arbeit und man verändert sich auch mit ihnen. Also wer weiß? Vielleicht gibt es mehrere und der Rest ergibt sich dann von selbst.‹ Erneut fiel Matthews Blick auf das Buch. › Was lesen Sie gerade, Johnny? Welches Genre?‹ Er wartete gespannt auf eine Nachricht des Unbekannten. Er wusste ja nicht einmal, ob John Doe überhaupt gern las, er nahm es aufgrund ihrer Anspielungen auf Wells, Harry Potter und Alice im Wunderland betreffend aber an.
›Ich kann das so genau nicht sagen. Ich lese immer eine Menge Bücher parallel. Ich mag Thriller, ich mag romantische Bücher. Ich lese gerne Sachbücher und genauso gerne recherchiere ich im Internet zu Themen, die mich interessieren.‹ John Doe hatte sich mit dieser Antwort Zeit gelassen.
»Hm.«, machte Matthew leise. › Ich kann das nicht, dieses parallel lesen. Konnte ich noch nie. Gut, ein Fachbuch oder eine Biografie nebenher, das ginge vielleicht, aber mehrere Thriller oder ein Krimi neben einem Psychothriller und ich wäre raus. Ich lese auch sehr langsam. Meine Schwester hat mich damit immer aufgezogen.‹
›Es geht nicht darum wie schnell man liest, sondern darum, wie man in das Gelesene eintaucht. Es gibt genug Menschen, die Bücher lesen, sich aber nie auf den Inhalt oder die Geschichte einlassen.‹ , kam die wieder so eloquent formulierte Antwort, die auch noch zum Nachdenken anregte. Ohne es zu merken, hob Matthew eine Augenbraue.
› Ich habe Sie schon früh als Bücherfreund identifiziert.‹
›Schuldig.‹
Matthew lächelte und rutschte tiefer, während er schrieb. › Wie ist das, sind Sie ein klassischer Papierleser?‹ , fragte er als nächstes, weil dieses Thema ihm in letzter Zeit immer wieder begegnete.
›Ja. Ich liebe echte Bücher. Kennen Sie die Bibliothek aus »Die Schöne und das Biest«? Das wäre der perfekte Ort für mich.‹ Das kleine Zeichen zeigte Matthew, dass der Andere immer noch tippte, obwohl die erste Nachricht bereits geschrieben stand, und so wartete er einen Moment auf das, was da noch kommen würde. › Wenn ich es so geschrieben sehe, dann weiß ich, warum ich ständig abserviert werde. Ich bin ein Freak . Oder ein Nerd. Was auch immer man heutzutage sagt.‹
Matthew lächelte, blinzelte dann aber. »Die Schöne und das Biest...« Oh je, den Film hatte er zuletzt mit...seiner Schwester geguckt, vor... Na ja, er war alt.
› Und ich merke, wie alt ich bin. Den Film habe ich vor etlichen Jahren das letzte Mal gesehen.‹ Aus den folgenden Worten konnte er die Überraschung, mit der sie geschrieben wurden, deutlich ausmachen.
› Ist das Ihr Ernst, Mr. M?! Das ist ein Klassiker! Kein Wunder, dass Sie nicht verheiratet sind. Sie sollten Ihre Chancen aufbessern und sich den Film so schnell wie möglich noch einmal ansehen! ;) ‹ Jetzt musste Matthew lachen.
› Sie denken also, auf mich stehen Menschen, die diesen Klassiker jedes zweite Wochenende ansehen und zu schätzen wüssten, wenn ich die Bibliothek kennen würde?‹ , schrieb er amüsiert zurück. Eigentlich hatte er sich ja extra früh ins Bett gelegt, um noch etwas zu lesen und dann früh zu schlafen. Er war auch müde, aber dieses Gespräch fesselte ihn viel zu sehr, was verrückt war, wenn man bedachte, dass es lediglich digital stattfand.
›Es geht nicht um jedes zweite Wochenende. Aber -vor Jahren- das letzte Mal ist nicht verhandelbar, Sir.‹ Lächelnd schüttelte Matthew den Kopf.
›In Ordnung. Ich werde ihn mir ansehen, wenn Sie mir versprechen, es noch einmal mit sexy Flirten zu versuchen, Johnny .‹ Schon bevor er die Antwort des Fremden bekam, war Matt sich sicher, dass dieser nicht auf den Deal eingehen würde.
›Nur wenn Sie mich dann im Gefängnis besuchen, in dem ich aufgrund von Erregung öffentlichen Ärgernisses landen werde. Ich kann so etwas nicht.‹
Matthew schnaubte. › Ich bitte Sie! Sie schließen die Lippen um einen Strohhalm und sehen ihrem Objekt der Begierde in die Augen. Sie streichen sich durchs Haar oder, wenn das geht, eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie suchen Blickkontakt, lächeln. Während Sie mit jemand anderem tanzen, sehen sie natürlich nicht auf ihn, sondern auf die Frau oder den Mann, mit dem Sie lieber tanzen würden. Es ist ganz einfach!‹ Versuchte er hier gerade wirklich, einem fremden Menschen das Flirten beizubringen?
› Das würde damit enden, dass ich mir den Strohhalm in die Nase ramme und beim Tanzen ein Bein breche. Glauben Sie mir, ich bin so talentiert.‹
› Dann sieht es schlecht aus für den Disney-Klassiker. Schade...‹
› Es ist Ihre Zukunft. Sie verbauen sich Chancen ohne Ende. Glauben Sie mir.‹
Matthew gluckste. › Na, ich -kann- immerhin sexy flirten. :P‹, tippte er. › Gute Nacht, Johnny. Bis bald.‹ Der Braunhaarige schob sein Handy auf den Nachttisch und legte das Buch dazu, bevor er das Licht ausschaltete und seufzend die Decke über sich zog. Ob er irgendwann einmal in seinem Zuhause ankommen