Ava Patell

Smartphone Sweetheart


Скачать книгу

und blinzelte, um klar sehen zu können.

      › Das ist gut. Man geht nicht im Streit auseinander. Das ist das Schlimmste was man tun kann .‹

      Matthew runzelte die Stirn bei dieser Antwort. › Ja, Johnny. Das hast du vorhin schon geschrieben und da habe ich es auch schon ernst genommen, weil ich erkenne, dass mehr hinter den Worten steckt. Selbst, wenn sie nur geschrieben stehen und ich ihren Klang nicht kenne .‹ Mittlerweile benutzte er den Namen ›Johnny‹ nur noch selten, nur wenn es ihm angemessen schien.

      ›Gut.‹ , kam die knappe Antwort. › Schlaf gut, Matt.‹

      Matthew lächelte nur. Natürlich hielt sich Emmett nicht an sein Verbot und nannte ihn dennoch bei diesem Spitznamen, den nur wenige Personen in seinem Leben benutzen durften.

      › Schlaf gut, Em.‹, nutzte er nun seinerseits eine Kurzform für Emmetts Namen. Er schob das Handy auf die freie Bettseite und schloss die Augen. Schlafen konnte er deshalb lange noch nicht. Dass seine Schwester, aus welchen Gründen auch immer, nicht an ihn glaubte, nagte an ihm und hatte ihn sehr verletzt. Mehr als er sich vielleicht hatte eingestehen wollen. Er sollte die Sache als geklärt ansehen, aber sie war nicht geklärt. Es fühlte sich nicht geklärt an. An dieser Stelle war er froh, mittlerweile so etwas wie ein Workaholic zu sein, denn statt an seine Schwester zu denken, konnte er genauso gut an die Arbeit denken, an seine Montagstermine. Morgen war zwar erst Samstag und da würde er alles andere tun als arbeiten – er hatte vor auszugehen, aber die Gedanken an die Arbeit lenkten ihn ab und ließen ihn einschlafen.

      +++

      ›Ich brauche nur einen Grund von dir. Noch vor Mitternacht. Dann lasse ich dich in Ruhe. Aber ich brauche -wirklich- einen Grund, warum ich mir das hier jedes Jahr wieder antue. Und ich kann das doch nicht nur für Hanni machen. Natürlich ist sie meine beste Freundin. Aber warum? Ich liebe sie. Aber ich -hasse- es hier. Ich kenne niemanden hier, ich kenne nicht einmal den Gastgeber. Ich habe bereits versucht mit den anderen Gästen zu sprechen, aber 90 Prozent von denen sind stockbesoffen, die anderen 8 Prozent kiffen sich das Hirn weg und staunen gerade über die Funktionsweise eines Bierfasses. Und es ist laut, es läuft Musik, die klingt als wäre sie mit einem Presslufthammer produziert worden. So sollte ich den Jahreswechsel nicht verbringen. Also, nenn mir einen Grund. Bitte!‹ Beinahe flehentlich drückte Em auf Senden. Er fühlte sich wirklich unwohl und saß gerade im Flur auf einem Stuhl. Hier war die Musik nicht ganz so laut wie im Rest des Hauses. Er hatte kein Interesse an billigem Alkohol oder an Presslufthammermusik. Ganz anders als Hanni, die hier einige Leute von der Arbeit her kannte und sich gut zu amüsieren schien. Er war ihr zuliebe mitgegangen, weil sie es nicht ertragen konnte, dass er an Silvester alleine zu Hause saß - was ihm aber sehr gut gefallen hätte! Immerhin hatte er inzwischen wieder Watch-It und nichts ging über einen Serienmarathon, eine Großpackung Mikrowellenpopcorn und Eis. Stattdessen hockte er hier und zählte die Minuten bis zum Jahreswechsel oder noch besser bis zu dem Zeitpunkt, an dem er sich still und heimlich verziehen konnte, um nach Hause zu fahren. Und das am besten noch vor Mitternacht. Abwartend drehte er das Handy zwischen seinen Fingern und zog die Beine etwas weiter ein, als eine junge Frau an ihm vorbeilief, die deutlich damit zu kämpfen hatte, eine gerade Linie zu halten. Das war so gar nicht seine Welt. Er war einfach ein Nerd.

      Als Matthew die Nachricht las, die Emmett ihm vor ein paar Minuten geschrieben hatte, stand er bei Daniel auf der Terrasse. Er hatte sich ein paar Tage frei genommen und hielt eine Cola in der freien Hand. Eigentlich hatte er sich zurückgezogen, um jemand anderem zu schreiben, der ebenfalls weit weg war, aber nun dachte er zuerst über Emmetts Worte nach. Matthew wusste, Em mochte weder Partys noch Alkohol noch laute Musik und inzwischen wusste er auch, dass der Andere sich Schlimmeres vorstellen konnte als an Silvester allein zu sein. Er musste lange nachdenken, bevor er mit einer Hand zu tippen begann.

      › Du machst das, weil du die tief romantische Hoffnung hast, irgendwo da draußen auf diesen einen Menschen aus 7 Billionen zu treffen.‹ , schrieb er zurück und nahm damit Bezug auf eines ihrer Gespräche, das sie zu Beginn ihrer wie auch immer gearteten Beziehung geführt hatten, bevor er einen anderen Chatverlauf aufrief und auch dort etwas schrieb.

      ›Netter Versuch. Aber ich habe noch keine 1,5 Promille auf dem Kessel. Versuch's noch mal. Oder erlaube mir, nach Hause zu gehen.‹ Es folgte sogar noch ein Smiley mit diesen großen bettelnden Augen. › Bitte!‹ Als Matthew dieses letzte Wort las, konnte er fast hören wie flehentlich es klang.

      ›Ich versuch's noch mal .‹, schrieb er dennoch grinsend. › Du machst das, weil du jemanden für eine heiße Nacht suchst. Jemanden, der dich vergessen lässt, wie lange du allein bist, jemanden, den du mitnehmen kannst oder der dich mitnimmt und keine Fragen stellt. Der dir einfach nur einen wohl verdienten Neujahrs-Fick schenkt.‹ Gerade hatte Matthew auf Senden gedrückt, als ihn eine Stimme zusammenzucken ließ.

      »Na, schreibst du mit deiner neuen Bekanntschaft?« Schnell schob Matthew das Handy in die Jeanstasche.

      »Gewissermaßen.« Dans graue Augen lagen auf ihm, grinsend.

      »Triffst du dich heute noch mit ihr?« Matthew nickte.

      »Je nachdem, wie schnell ich durchkomme, kann es auch erst früher Morgen werden, aber ich werde deshalb auch etwas früher gehen als sonst.« Danny winkte ab.

      »Kein Problem, hier ist ja noch genug los.« Matthew warf einen Blick an seinem Kumpel vorbei in dessen Wohnzimmer, aus dem Musik und Lachen durch die offene Terrassentür zu ihnen drang.

      »Oh ja, aber das Feuerwerk schaue ich mir auf jeden Fall noch an.« Danny lächelte.

      »Das freut mich.« Matthews bester Freund nickte zu dessen Hosentasche. »Erzähl mir von ihr.« Matthew verkniff sich ein Grinsen, da sie hier über unterschiedliche Personen sprachen und beschrieb Dan die Frau, mit der er sich gerade traf anstatt die Situation aufzuklären. Dafür war ein anderes Mal noch Zeit.

      »Schade, dass ich so weit weg wohne, sonst könntest du sie mir persönlich vorstellen.« Daniel setzte die Bierflasche, die ihn begleitete, an die Lippen, um einen Schluck zu trinken.

      »Aber ich wünsch euch viel Glück. Oder sollte ich lieber Spaß wünschen?« Grinsend legte er Matt eine Hand auf die Schulter, der zu lachen begann.

      »Glück reicht vollkommen. Ich werde schon mal etwas zusammenpacken und meine Tasche ins Auto bringen.« Während Matt sich anschließend langsam für den Aufbruch bereit machte, starrte Emmett auf das Display, auf dem die Nachricht stand.

      »Ein Neujahrs-Fick...«, murmelte Emmett. Dann schüttelte er sich. »Nein. Das war's. Ich hau hier ab.« Er erhob sich genau in dem Moment, als eine junge Frau an ihm vorbeirannte und es gerade noch durch die Haustür in den Vorgarten schaffte, wo sie sich geräuschvoll übergab. Ja. Es war definitiv Zeit zu gehen. Er suchte Hanni und verabschiedete sich von ihr, was sie bedauernd zur Kenntnis nahm, aber sie hielt ihn nicht auf. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihn in so einer Situation nichts halten würde und sie rechnete es ihm hoch an, dass er immerhin mitgekommen war. Doch für Emmett war dieses Feiern nichts.

      Er atmete tief durch als er den Vorgarten verließ und den Lärm hinter sich lassen konnte. Auf den Straßen war es voll, der Bus war eine Katastrophe und er atmete erleichtert auf, als er Zuhause ankam und die Tür hinter sich schloss. Stille umhüllte ihn und er lehnte sich ein paar Minuten gegen die Tür und genoss es einfach nur so dazustehen. Leise Geräusche drangen aus den anderen Wohnungen zu ihm und das gefiel ihm tausend Mal besser als die laute Musik. Er kochte sich einen Tee, setzte sich aufs Sofa und genoss dann das Farbenspiel am Himmel und im Fernsehen. So konnte man entspannt in das neue Jahr starten.

      Entspannt ging es bei Matt hingegen ganz und gar nicht zu. Daniel und seine Nachbarn boten jedes Jahr ein gemeinsames Feuerwerk, das er schon immer gern zu Silvester bestaunt hatte. Doch dieses Jahr hing er mit seinen Gedanken bei einer ganz bestimmten Person, die viele Meilen entfernt mit ihren Freundinnen in New Maple den Jahreswechsel feierte. Um sich von ihrer ausbleibenden Antwort abzulenken, schrieb Matthew kurz nach Mitternacht eine Nachricht an Emmett und wünschte ihm im neuen Jahr alles Gute und mehr Glück in der Liebe. Als sich Matt endlich auf den Weg zu einer