Ava Patell

Smartphone Sweetheart


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sie sich zu gut. Und immerhin war das Ganze auf ihrem Mist gewachsen. Nun lag er hier in der Dunkelheit und dachte darüber nach, wie viel sympathischer ihm ein Mann war, den er nur über geschriebene Worte kannte und der vermutlich nicht einmal schwul war. Nicht mal das wusste er genau, denn Matthew hatte nie genau geschrieben, mit wem er da ein Date hatte. Doch vermutlich war es eine Frau. Frustriert griff er nach dem Kissen, zog es sich über den Kopf und hoffte darauf, aufgrund von Sauerstoffmangel irgendwann in den Schlaf zu finden.

      +++

      Der Winter hielt die Stadt fest in seinem Griff. Ende Januar begann es nun auch noch zu schneien und der Schnee sorgte für ein Verkehrschaos, das ihm beinahe auf die Füße gefallen wäre. Obwohl, irgendwie war es das ja, dachte Matthew seufzend als er auf seinen nassen Hosensaum sah. Nicht nur seine nassen Hosenbeine, sondern auch die Unterhaltung, die er führte, war unterkühlt.

      Samuel Gershwin vor ihm faselte während der Vorspeise ständig etwas von William Turner und er meinte damit nicht den Charakter aus dem Fluch der Karibik-Universum, das hatte Matthew inzwischen herausgefunden. Es handelte sich wohl um einen Maler, aber er hatte nicht einmal eine Ahnung davon, aus welcher Epoche der stammte. So oft ging er nicht in Galerien und wenn, dann achtete er nur selten auf die kleinen Kärtchen neben den Gemälden, auf denen Titel und Künstler standen. Frustriert nahm er noch einen Schluck Weißwein, dann stutzte er. Er kannte aber jemanden, der gern in Galerien ging!

      »Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.«, sagte er, erhob sich und flüchtete auf die Männertoilette. Die kannte er inzwischen ja sehr gut. »Gott sei Dank!«, murmelte er, als er die Anzeige auf seinem Handy sah, die ihm sagte, dass er hier Internetempfang hatte.

      › Ich brauche ganz dringend deine Hilfe. Wer war William Turner? Ich brauche dringend ein paar Infos über seine Werke, sein Leben, wenigstens über die Epoche! Du musst mir helfen, Em! Bitte! Ich sitze hier in einem Geschäftsessen fest und wenn ich nicht gleich etwas Schlaues sage, das über »Oh, ich gehe auch gern in Galerien.« hinausgeht, feuere ich mich selbst.‹ Das Internet in diesem Restaurant war so schlecht, das die Suchmaschine keine Ergebnisse lud und er brauchte Informationen!

      Als Emmett diesen verzweifelten Hilferuf bekam, saß er gerade am PC und war dabei einen groben Rahmen für aktuelles Manuskript zu entwerfen. Lachend tippte er eine Antwort.

      › Merk dir: Engländer, Romantiker, Maler und Aquarellist. Bedeutender bildender Künstler. Licht, Wasser, Natur und Landschaft. Ich mag seine Bilder sehr. Sie sind voller Leben und Gefühl. Aber auch Bewegung. Sie sind nicht sehr klar gezeichnet, wenig scharfe Linien, was irgendwie immer einen Unschärfeeffekt erzeugt und daher denkt man, es gäbe Bewegung. Das ist beeindruckend .‹

      »Oh.« Ihm fiel etwas ein und er suchte danach im Internet. Dann schickte er das Bild mit.

      › Sprich deine Geschäftspartner auf dieses Bild an. Es heißt ›Fischer auf See‹ und es hat eine wahnsinnig irre Ausstrahlung. In Natura noch mehr als auf dem Foto. Es ist bedrückend und wirkt mächtig. Gleichzeitig bedrohlich wie auch hoffnungsstiftend durch den Lichteinfall.‹ Dann stutzte er. › Der erste Vorname ist übrigens Joseph. Nicht William.‹ Er hoffte, dass dies Matthew helfen würde, als er die Informationen hinaus in die Welt zu ihm schickte. Der umfasste sein Handy wie einen Rettungsanker und las die Stichworte leise vor.

      »Bewegung...«, murmelte er. »Unschärfeeffekt.« Er versuchte sich das Bild einzuprägen und seufzte schließlich auf, als er auch die letzte Nachricht gelesen hatte.

      › Ich danke dir! Du hast was gut bei mir. Ich schulde dir einen richtig großen Gefallen, Em! Danke! Ich muss zurück, melde mich aber später wieder.‹ , tippte er schnell, bevor er die Herrentoilette wieder verließ und sich auf den Weg zurück machte. Die Hauptspeise wurde gerade aufgetragen und nun musste Matthew nur noch souverän genug wirken, während er über das Gemälde sprach. Mr. Gershwin schien beeindruckt.

      »Ah! Turners erstes Ölgemälde! Vortrefflich, das gefällt mir auch sehr gut.« Matthew nickte.

      »Es ist so...bedrückend und bedrohlich, zeitgleich durch den Lichteinfall aber auch hoffnungsvoll, nicht wahr?« Der ältere Mann vor ihm nickte.

      »In der Tat! Es ist ganz hervorragend gezeichnet und das, obwohl Turner gerade 21 Jahre alt war als er es fertigstellte.« Matthew atmete auf. Endlich! Endlich hatten sie ein richtiges Gespräch, das er nun während der Haupt- und der Nachspeise ausbauen konnte. Ihm fiel ein Stein vom Herzen und als er im Taxi saß, etwa eine Stunde später, schrieb er Em zurück.

      › Du hast mich wirklich gerettet! Dank deiner Informationen konnte ich punkten.‹ Die Antwort kam sofort.

      › Mach beim nächsten Mal einfach vorher deine Hausaufgaben. ;) ‹ Matthew schnaubte als er das sah, denn normalerweise ging er nie so unvorbereitet zu einem Geschäftstermin. Schon Glenda hatte ihm damals eingebläut, dass man Investoren kennen sollte, bevor man sich mit ihnen traf.

      › Hey, ich konnte ja nicht ahnen, dass der Typ so auf einen Maler abfährt. Das stand nirgends! Ich hatte eher das Gefühl, dass er mich testen wollte...‹

       ›Und bekommst du von ihm jetzt alles, was du möchtest?‹

      ›Das wäre großartig und es sieht ganz gut aus. Wir telefonieren nächste Woche miteinander.‹ Wenn alles gut lief... Matt traute sich noch gar nicht, sich das auszumalen.

       ›Ich drücke dir die Daumen und sag mir auf jeden Fall Bescheid. Jetzt muss ich weiter machen. :)‹

      »Oh, das mache ich. Keine Sorge.«, murmelte Matthew und wandte seinen Blick dann nach draußen. Häuser zogen an ihm vorbei. In einem von ihnen lag sein Büro. Noch war es nur für ihn allein, aber wenn alles gut ging und er die Baugenehmigung bekam, würde es erst richtig losgehen. Wenn er tatsächlich das nötige Kapital zusammenbekommen sollte, würde er bald sein eigenes Private Equity Unternehmen gründen.

      +++

      Genau zwei Wochen später stolperte Emmett über etwas, das ihn fast ohnmächtig werden ließ. Das konnte nicht wahr sein! Er machte ein Foto davon und anstatt es als erstes an Hanni zu schicken, schickte er das Foto der Reklametafel an Matt. Darauf war Werbung für sein Buch zu sehen. Das Buch, mit den zwei so unterschiedlichen Protagonisten. Der Kleinwüchsige, der Tischler. Das markante Cover, der Titel. Das war unglaublich.

      › Oh mein Gott, sieh dir das an!!!‹ , tippte er in seiner Freude und vergaß darüber glatt eine Erklärung. Denn Matthew wusste weder, dass er Bücher schrieb, noch dass er das unter einem Pseudonym tat. Als nächstes schickte er das Bild an Hanni, die es vermutlich erst später sehen würde, da sie jetzt im Krankenhaus war und ihre Schicht noch eine Weile ging.

      Matt saß in seinem Büro, ging die Verträge für die Baufirma noch einmal durch. Tatsächlich hatte er die Baugenehmigung bekommen und das wusste natürlich auch schon Em. Der ihm gerade ein wirklich merkwürdiges Bild schickte. Sie schickten sich nicht oft Bilder. Um genau zu sein, war das hier nach dem Eis erst das zweite Foto und mit Turners Gemälde das dritte Bild, das über ihren Nachrichtenverlauf den Weg zwischen ihnen fand. Matthew tippte das Bild an, vergrößerte es. Eine Werbetafel mit einem Buch darauf. Auf dem Cover war ein Stuhl zu sehen, an dem Blut klebte. Daneben standen ein Titel und ein Autor. Beides sagte ihm nichts. ›Out now!‹ prangte ein symbolischer Sticker schräg darüber.

      »Äh...«, machte Matthew. › Was soll mir das sagen, Johnny? Magst du diesen Ian Gold?‹

      Wie vor den Kopf geschlagen blieb Emmett stehen, als er die Nachricht las - hinter ihm lief fast jemand in ihn hinein und er trat zur Seite. »Oh Shit... Verdammt...« Nervös biss er sich auf die Unterlippe. › Verdammt, das tut mir leid. Ich weiß, wir schicken uns nie Sachen, die...irgendwie persönlich sind.‹

      Matthew runzelte die Stirn bei dieser Antwort, lächelte aber.

      › Ist schon okay. Wenn du sagst, dass ich das mal lesen sollte, mach ich das .‹, schrieb er zurück. »So persönlich ist das ja nun nicht...« Was wirklich dahinter steckte, konnte er ja nicht ahnen. Und für Emmett wäre