Ava Patell

Smartphone Sweetheart


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angepasst worden war. Die Reste, die auf seinem Teller zurückblieben, hätten noch einige hungernde Kinder satt bekommen, doch dafür unterhielt er sich die ganze Zeit mit Matt über dessen Investitionsmöglichkeit, wodurch dieser kaum zum Essen kam.

      ›Gut. In Texas lebt man ziemlich gefährlich. Mein Bus kommt! Ich bin gerettet. Viel Erfolg!‹ Damit konnte Emmett endlich in das geheizte Gefährt einsteigen und nach Hause fahren und als er im Warmen saß und seine Finger wieder auftauten, wäre er auch nicht mehr in der Lage gewesen, eine weitere Nachricht zu tippen. Der Schmerz war enorm und er nahm sich vor, nie wieder bei solchen Temperaturen eine längere Unterhaltung per Nachrichtenprogramm über das Handy zu führen. Er hing an seinen Fingern und noch viel wichtiger: Er brauchte sie. Denn sie waren es, die die Geschichten zu Papier brachten und ihm am Ende des Monats die Miete zahlten. Und bald hoffentlich auch wieder Watch-It.

      Auch in den nächsten Tagen schrieben sie sich immer wieder Nachrichten. Die Kälte zog noch einmal an und der Wind zog schneidend und eisig kalt um die Häuserecken. Matthew kaufte sich nicht nur eine Mütze, sondern auch einen dickeren Mantel und mehrere Paar wärmende Socken. Von denen konnte er nicht genug haben, denn in der nächsten Zeit würde er öfter im Anzug unterwegs sein.

      Ausnahmsweise einmal nicht im Anzug, sondern in Jeans, Boots, Henley-Shirt und Pullover fuhr er am folgenden Freitag zu seiner Schwester Liz und seinem Neffen Noah. Nach nur anderthalb Stunden Aufenthalt dort zog er wütend die Autotür hinter sich zu. Mit der flachen Hand schlug er mehrmals auf den oberen Teil des Lenkrads und spürte, wie sein Herz in seiner Brust hämmerte. Dann zog Matthew sein Blackberry heraus und tippte wütend eine Nachricht, die einige Tippfehler enthielt: › Warum müsden Familirn immer so kpmpliziert sein?!‹ Manchmal fragte er sich, wieso er nicht einfach Daniel schrieb. Gut, er war weggezogen, aber sein Kumpel hatte immer ein offenes Ohr für ihn gehabt und hatte es auch jetzt noch. Dennoch erschien es Matthew in Momenten wie diesen sehr viel einfacher, einem Fremden zu schreiben als einem Freund, der seine Schwester und ihn so genau kannte. Es war nicht so, dass er mit Dan überhaupt keinen Kontakt mehr hatte, im Gegenteil. Sie skypten hin und wieder, schrieben, telefonierten mindestens einmal die Woche ohne sich abzusprechen. Matthew rammte den Autoschlüssel ins Schloss und startete den Motor, weil er genau wusste, dass Liz ihn noch beobachtete. Wäre es nicht so glatt gewesen, wäre er vermutlich mit quietschenden Reifen losgefahren. So drehten sie nur durch, bis sie Grip fanden. In der nächsten Querstraße hielt er wieder an und drehte den Schlüssel so weit, dass der Motor zwar erstarb, die Musik aber noch lief. Er war zornig, nicht lebensmüde, deshalb fuhr er nicht weiter.

      Dieses Mal las Emmett die Nachricht sofort. Das Handy hatte neben ihm gelegen als hätte er geahnt, dass Matt ihm schreiben würde. Er legte das lektorierte Manuskript zur Seite und blinzelte dann irritiert als er die Nachricht entschlüsselt hatte, die der Fremde ihm geschrieben hatte.

      › Was ist passiert?‹

      Matthew seufzte auf, als das Handy vibrierte und war dankbar dafür, dass Emmett heute sofort antwortete. › Ich war zum Essen bei meiner Schwester und wir sind ins Streiten geraten.‹ Er war froh, dass seine Nachrichten inzwischen wieder fehlerfrei waren. › Ich hasse es, wenn Menschen so sehr auf ihrem Standpunkt beruhen, dass jedes Argument wie gegen eine Steinmauer geschickt erscheint.‹

      Tief atmete Emmett ein und las die Nachricht noch zwei Mal. Dann tippte er: › Worum ging es genau?‹

      Matthew schnaubte. › Um mich! Das ist ja das Verrückte. Als würde ich mich selbst nicht am besten kennen. Sie ist sich nicht sicher, ob ich das hinbekomme mit der Selbständigkeit, ob hier der richtige Ort sei, immerhin kenne sie sich da aus blablabla. Meine Schwester ist nicht selbständig, aber ihr Ex-Mann. Was wohl auch der Grund dafür ist, dass sie da so empfindlich reagiert, glaube ich. Die Ehe ist unter anderem wegen der Arbeitsintensität in die Brüche gegangen.‹ Seine Finger flogen über die Tasten und er fragte sich, ob er schon einmal so viel Text an Emmett geschrieben hatte. › Es ist doch unglaublich, dass sie mir nicht einmal zuhören kann, wenn ich ihr zu erklären versuche, weshalb ich genau hier bin und was ich alles schon erreicht habe! Sie unterbricht mich und das ist einfach...‹ Matthew schnaubte. › Das stört mich .‹

      Es waren viele Buchstaben, die auf Emmetts Handy eintrudelten und er brauchte einen Moment, um alles zu lesen und vor allem diese verhältnismäßige Flut an Informationen zu verarbeiten, die da auf ihn einströmte. Doch als Antwort fiel ihm eigentlich nur eines ein.

      › Klär es .‹, tippte er und kaute auf der Unterlippe.

      Matthew runzelte die Stirn nachdem er die Nachricht gelesen hatte. Diese verdammt kurze Nachricht, von der er sich eigentlich deutlich mehr erhofft hatte. › Das habe ich ja versucht! Aber ich möchte nicht mehr unterbrochen werden, das mache ich nicht mehr mit. Zum Glück war Noah schon im Bett.‹ Seufzend ließ er das Handy sinken, lehnte den Kopf an die Kopfstütze und schloss einen Moment die Augen. Das leise Vibrieren ließ ihn die Augen wieder öffnen.

      ›Geh zurück. Ruf sie an. Tu irgendwas. Aber man geht nicht im Streit auseinander. Nie.‹ Hinter Emmetts Worten steckte mehr, ein Gefühl, das Matthew beim Lesen überkam und das er nicht greifen konnte, aber es war da, irgendwo hinter oder unter diesen Worten. Statt zu antworten, dass sie sich schon oft im Streit getrennt hatten und dass das in ihrer Geschwisterbeziehung schon immer dazu gehört hatte, atmete er noch dreimal tief durch, schob das Handy in die Manteltasche und startete den Motor. Er fuhr in Liz' Straße zurück und klopfte an ihre Tür. Als sie öffnete, verschränkte sie die Arme vor der Brust.

      »Kommst du zurück zu Runde zwei?« Matthew schluckte die wütende Erwiderung hinunter.

      »Ein Freund hat mir gesagt, dass man nicht im Streit auseinandergeht. Hör zu, Lizzy. Ich weiß, es war schwer mit Tyler, ich weiß, seine Selbständigkeit hat euch die Ehe ge...« Erneut wurde er unterbrochen.

      »Das hat damit überhaupt nichts zu tun!« Wütend drehte sich seine Schwester um und lief in den Flur. Er folgte ihr, schloss die Tür und als sie am anderen Ende herumwirbelte, hob Matthew sofort die Hände.

      »Ich greife dich nicht an! Bitte lass mich ausreden, ich will dir nichts Böses. Aber ich lebe mein Leben und wenn du mir zuhören würdest, könnte ich dir erklären, wieso ich hierher gezogen bin, wie viele Investoren ich schon habe und meinetwegen... Meinetwegen auch wie viel Geld ich schon beisammen habe! Nur bitte hör auf mir zu sagen, dass ich das nicht schaffen würde - weil ich es schaffe. Und ich habe keine Frau und keinen Sohn, die ich verlieren könnte.« Liz zog einen Schmollmund. Sie stritten stumm weiter, ihre Blicke genügten dafür.

      »Also schön. Dann versuch es halt. Ich glaube dennoch, dass...«

      Matthew schüttelte den Kopf. »Da, da, da!«, machte er, einen Finger in die Luft gehoben. »Lass es uns dabei belassen für heute.« Er legte leicht den Kopf schief. Schließlich trat er auf sie zu, nahm sie bei den Schultern.

      »Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen, versprochen.« Liz senkte den Blick und nickte schließlich leicht.

      »Wir telefonieren.« Kurz umarmte er sie.

      »Möchtest... Möchtest du noch bleiben?« Liz' Stimme war sanfter jetzt, dennoch schüttelte Matthew den Kopf.

      »Nein, ich werde nach Hause fahren.« Seine Schwester nickte und so verabschiedeten sie sich. Matthew hatte auf der Heimfahrt ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und der ganze Streit beschäftigte ihn noch als er geduscht im Bett lag. Mit seiner Schwester verband ihn eine feste und innige Beziehung, denn obwohl sie sich erst jetzt nach seinem Umzug wieder häufiger sehen würden, war ihnen beiden ein regelmäßiger Kontakt immer schon wichtig gewesen. Umso härter hatten Matthew Liz' klare Worte an diesem Abend getroffen, in denen sicherlich eine Menge Wahrheit steckte, allerdings eine Wahrheit, die er nicht bereit war zu hören. Gegen 23 Uhr griff er seufzend nach seinem Handy.

      › Irgendwas haben deine Worte in mir ausgelöst.‹ , schrieb er langsam an Emmett, denn auch das ging ihm nicht aus dem Kopf: Der Jüngere hatte so ernst geklungen und Matt war sich immer noch sicher, dass mehr hinter den einfachen Buchstaben gesteckt hatte als ein Beziehungsgrundsatz.

      Emmett