Bo Bowen

AMANDA


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auch so manchen der jüngeren Lehrer in Bedrängnis, doch nach dem Abitur verloren wir uns aus den Augen, ohne dass ich dies groß bedauert hätte.

      Ich gleite tiefer in die Wanne und lasse mich versinken, bis nur noch meine Nase aus dem Wasser ragt. Wärme umspielt meine Wangen und die Geräusche, die meine Bewegungen verursachen, klingen unter Wasser gedämpft und dennoch vertraut. Schließlich komme ich hoch und streiche mir die nassen Haare aus der Stirn, eine Geste, die Robert regelmäßig um den Verstand gebracht hat, wenn er mit mir im Bad war. Beim Gedanken an seinen durchtrainierten Körper springt etwas in mir an, das sich in einem wohligen Kribbeln zwischen den Beinen niederschlägt. Ich schließe die Augen und lasse zu, dass meine Hand meinen Gedanken folgt, genieße die Schauer, die das sanfte Streichen der Finger auf der nassen Haut durch meinen Körper jagt, träume von Robert, bis ich jäh hochschrecke. Wieso, verdammt, schelte ich mich. Das Arschloch hat mir wehgetan, mehr als einmal. Was stimmt nicht mit mir? Wieso werde ich geil, wenn ich an ihn denke?

      Robert war der schärfste Typ am Juridicum und somit war für mich von Anfang an klar, dass er mir gehörte. Er war zwei Jahre älter als ich und wir hatten eine echt geile Zeit, die jäh endete, als er mit seinem Studium fertig war und nicht mehr auf die paar Hunderter angewiesen war, die ich mit meinen Nebenjobs verdiente. Ich stehe auf, drehe die Dusche voll auf und spüle den Schaum aus meinen Haaren und die Erinnerungen an Robert aus meinem Kopf.

      Es ist Sommer und der Tag verspricht einen milden Abend, also frottiere ich nur kurz über mein Haar und bürste es dann nach hinten, bis es lang, glatt und seidig über meinen Rücken fällt und das Wasser in schmalen Rinnsalen über meinen Po und meine Beine läuft. Der Nachwuchs unter den hellen Strähnchen beschränkt sich auf zwei oder drei Zentimeter und verleiht mir einen verwegenen Look. Aus dem Spiegel lächelt mir das offene Gesicht einer unternehmungslustigen Neunundzwanzigjährigen entgegen, die jeden Mann haben kann, den sie will. Zumindest für eine Nacht – und von allem was darüber hinausgeht habe ich die Nase gestrichen voll.

      Tief in mir verspüre ich eine gespannte Erwartung, ein Unrast, die mich mehr als einmal zur Uhr sehen lässt, obwohl ich echt gut in der Zeit bin. „Amanda, beruhig dich“, schelte ich mein Spiegelbild. „Es geht um eine verdammte Fotoausstellung. Das ist Alles.“ Sorgfältig trage ich Lidschatten und Eyeliner auf, umrahme meine graugrünen Augen mit dunklen, spitz auslaufenden Linien, bis sie katzenhaften Charme versprühen. Ich mustere mein Ebenbild und lege meinen dezenten Lieblings-Lippenstift wieder zur Seite. Dieser Abend verträgt das dunkle Rot mit dem lila Einschlag, um das ich meist einen Bogen mache.

      Abschließend gönne ich mir einen kritischen Blick. Zu viel? Na wenn schon. Zu billig? Vielleicht, aber nach zwei Glas Sekt geht’s. Es wäre die erste Eröffnung einer Kunstausstellung, bei der die Gäste nüchtern bleiben.

      Die nächste Station ist mein Kleiderschrank. Die Businesskostüme, die ich im Alltag trage, schiebe ich achtlos zur Seite. Heute steht mir den Sinn nach etwas Verwegenem. Nach einigem Hin und Her entscheide ich mich für das scharfe Rote, dass ich mir vor etlichen Jahren auf Ibiza zugelegt habe, ohne es jemals anzuziehen. Es ist vorne tief und hinten noch tiefer ausgeschnitten, zudem noch sehr kurz und seitlich geschlitzt. Ich war beschwipst, als ich es gekauft habe und am Morgen danach wurde mir rasch klar, dass ich richtig betrunken sein müsste, um es jemals zu tragen, aber heute sticht mich der Hafer. Ich will mir einreden, es hätte nichts mit Yvonne und unserer alten Rivalität zu tun, aber das gelingt mir nur unvollständig.

      Ich halte mir das Kleid an und sehe in den Spiegel. Ja, es ist kurz, gerade recht für eine Siebzehnjährige, die auf Ibiza die Sau rauslassen will. Auf einen BH muss ich bei dem Ausschnitt wohl oder übel verzichten, wenn ich es tatsächlich tragen will. Nach kurzem Überlegen suche ich die schwarze, seidig schimmernde Strumpfhose aus dem Schrank und streife sie über. Es ist ein teures Stück, das ich mir für besondere Anlässe aufgespart habe, und als ich sie an meinen Schenkeln spüre und mich damit im Spiegel sehe, fühle mich wieder wohl in meiner Haut.

      Obwohl das Kleid auffälligen Schmuck verträgt, lasse ich die Halskette weg. Seit dem Urlaub auf den Malediven hat meine Haut eine warme Bräune, deren Wirkung ich zur Geltung bringen möchte. Worauf ich hingegen nicht verzichten kann, sind die funkelnden Ohrringe, deren filigrane Glieder bis fast zu meinen Schultern hinab baumeln.

      Zu guter Letzt schlüpfe ich in die schwarzen High-Heels. Da es eine Zeit her ist, dass ich so hohe Absätze getragen habe, laufe ich zweimal den Flur auf und ab. Ich kann mit mir zufrieden sein. Neben dem Studium habe ich ein wenig gemodelt und obwohl mir der Durchbruch nie gelungen ist, klappt das Laufen wie eh und je. Außerdem hilft es dem Selbstbewusstsein, wenn man schon in deutlich spärlicheren Klamotten als diesen über den Catwalk gelaufen ist. „Nacht, ich komme“, flüstere ich und werfe meinem Spiegelbild einen Kuss zu.

      Der Signalton des i-Phones ist dezent und unauffällig, wie es sich für das Geschäft geziemt und ebenso unaufgeregt ist der Inhalt der SMS, die mein Taxi ankündigt. Ich kontrolliere den Inhalt des kleinen schwarzen Satintäschchens, werfe noch ein Paar Seidenstrümpfe dazu und mache mich auf den Weg nach unten. Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont verschwunden, aber die sommerliche Hitze liegt noch über der Stadt. Noch immer ist diese Aufregung in mir, ein Kribbeln, wie ich es vor meinem ersten Kuss oder vor dem ersten Ball verspürt habe. Etwas liegt in der Luft, das mit den sommerlichen Temperaturen alleine nicht zu erklären ist – es riecht nach großer Stadt, glitzernden Lichtern und aufregender Abwechslung.

      Das Taxi wartet mit laufendem Motor direkt vor der Einfahrt zur Tiefgarage des Appartementblocks. Der Fahrer mag irgendwo aus dem Südosten stammen und sieht gelangweilt in den Rückspiegel, als ich einsteige. Er schreckt hoch, als er mich sieht, dreht den Kopf zu mir und reißt die Augen auf, aber für so selbstverständliche Dinge, wie dem Fahrgast die Türe zu öffnen, ist es definitiv zu spät. Ich quittiere sein plötzliches Grinsen mit einem unverbindlichen Lächeln und nenne ihm die Adresse.

      Unser Weg führt uns Richtung City, doch ehe wir in die engen Gassen des Zentrums kommen, biegt der Wagen in ein Viertel, das von den glänzenden Fassaden neuer Bürotürme beherrscht wird. Stylische Malls und angesagte Lokale locken mit bunten Lichtern und urbanem Ambiente. Im Rückspiegel sehe ich die Augen des Taxifahrers, die mich unverhohlen mustern. „Ich wäre ihnen verbunden, wenn sie die Augen auf der Straße lassen“, weise ich ihn zurecht und krame dabei meinen Schminkspiegel aus der Tasche, damit er nicht auf die Idee kommt, ich wolle mit dieser Bemerkung ein Gespräch einleiten. Im selben Moment biegt der Wagen rechts ein, meine Tasche kippt zur Seite und mein Schlüsselbund fällt heraus. Zwar erwische ich ihn im Reflex, ziehe mir dabei aber den Schlüsselring quer über den Oberschenkel. Au verdammt! Der kurze Schmerz ist erträglich, aber der offensichtliche Schaden an meiner Lieblingsstrumpfhose ist es nicht. Die Laufmasche ist zehn Zentimeter lang und zwei breit und dabei dürfte es kaum bleiben. Gut, dass ich die Strümpfe dabei habe.

      „Wir sind da“, verkündet mein Chauffeur und lenkt den Wagen rechts ran. „Das macht achtzehn sechzig.“ Er wendet sich mir zu, doch ich bin schon dabei, die kaputte Strumpfhose los zu werden, was im Fond einer Taxis keineswegs leicht ist. „Ich kann hier wirklich nur kurz halten“, merkt er an, während ich meine Turnübungen vollführt.

      „Moment noch“, antworte ich, da ich gerade meinen linken Schuh in der Hand halte. Die Blicke des Mannes brennen auf meiner Haut, während ich mich weiter verrenke, als in dem knappen Kleid gut ist. „Wollen sie zusehen?“, mache ich mir Luft. Er schweigt, aber schließlich ist auch das eine Antwort. Obwohl ich allen Grund habe, verärgert zu sein, entscheide ich mich dagegen. „Stimmt so“, sage ich, als ich fertig bin und gebe ihm zwei Zehner. „Und jetzt dürfen sie mir die Tür öffnen und mir aus dem Wagen helfen.“

      Die Luft ist warm, doch schon nach wenigen Schritten betrete ich ein großzügig gestaltetes Foyer. Der Name BEN HARDWORTH prangt von nüchtern gehaltenen Schautafeln, doch meine Aufmerksamkeit ist anderweitig beansprucht. Die Herren tragen dunkle Abendanzüge und die Roben der Damen weisen die dreifache Länge, den sechsfachen Stoff und den geschätzt zwölffachen Preis meines Partykleides auf, und dementsprechend viele Blicke ziehe ich auf mich, wobei jene der Männer nicht halb so abweisend sind, wie die ihrer Begleiterinnen. Verdammter Mist. Wieso hat Yvonne nichts erwähnt? Wollte sie mich absichtlich einfahren lassen?