Bo Bowen

AMANDA


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mit Robert?“, platzt Yvonne in meine ungewollte Selbsterkenntnis. „Seid ihr noch zusammen?“

      „Fehlanzeige“, knurre ich, doch damit gibt sie sich nicht zufrieden.

      „Robert war ein Idiot“, merke ich an und sie nickt verständnisvoll. Seit Robert hatte ich keine Beziehung mehr, die diese Bezeichnung verdiente. Auch mit Robert hatte ich keine Beziehung, schießt mir unvermutet durch den Kopf. Eher eine latente Krise mit sporadischem Sex. Ich räuspere mich um Zeit zu gewinnen, da ich Yvonne nicht alles auf die Nase binden will.

      Noch während ich überlege, wie ich unser Gespräch wieder in unverfängliche Bahnen lenke, zieht sie mich zu einem Foto, das einen ebenso attraktiven wie muskulösen Mann zeigt, dessen bestes Stück nur von einem gekonnt platzierten Handgelenk verdeckt wird. „Gefallen dir die Fotos?“

      Ich nicke. So wie die weiblichen Akte zuvor brilliert auch dieses Bild mit einer Ästhetik, dich ich selten zuvor gesehen habe. Die Augen des Mannes sind in eine unbekannte Ferne gerichtet und scheinen doch zugleich den Betrachter in ihren Bann zu schlagen. Langsam begreife ich, was den Wert des Fotografen ausmacht. „Ja, sie sind sehr schön. Mir sagt dieser Hardworth nichts, aber da hätte ich ohne deine Einladung jedenfalls etwas verpasst. Danke.“

      Yvonne tritt an das Bild heran und legt zwei Finger an den metallisch schimmernden Rahmen. „Glaubst du, der ist überall so gut ausgestattet?“, erkundigt sie sich mit einem leisen Glucksen.

      Ich sehe sie zweifelnd an, doch sie meint die Frage tatsächlich ernst. „Ich weiß nicht“, zögere ich, betrachte den Oberkörper und den durchtrainierten Bauch des Models an und bemerke, wie leichte Röte in mein Gesicht schießt. „Wahrscheinlich schon, so wie der da sitzt.“

      Damit ist das Eis endgültig gebrochen und unsere beinahe schon naive Rivalität verblasst im Nebel einer vergangenen Ära. Kichernd schieben wir uns um die nächste Ecke. „Oh!“, ruft Yvonne, während ich mit offenem Mund stehenbleibe. Der Mann auf dem nächsten Bild ist definitiv derselbe wie zuvor, doch diesmal steht er frontal zur Kamera, demaskiert und ungeschützt. Nach einem Moment bemerke ich, dass ich auf seinen kleinen, fast winzig zu nennenden Penis starre. Langsam hebe ich den Blick, lasse ihn über den ebenmäßig modellierten Körper wandern, bis ich in ein ebenso schönes, wie ausdrucksstarkes Gesicht sehe. Da ist keinerlei Verunsicherung oder Scham zu erkennen, nur ein gelassener Ausdruck, der mich berührt.

      „Wow!“, bringe ich schließlich hervor. „Das ist ganz schön mutig.“

      „Meinst du das Model oder den Fotografen?“, erkundigt sich Yvonne, klingt dabei aber ziemlich abwesend.

      „Ich weiß nicht“, antworte ich. „Beide?“

      Sie sieht mich an und nickt. „Ich find’s gewagt, aber nicht schlecht. Mit meinen Vorurteilen habe ich jedenfalls krass danebengelegen.“

      Ich schaue mich um, lasse meinen Blick über den offenen Raum mit den ausgestellten Fotografien gleiten und beobachte dabei die Menschen und ihre unterschiedlichen Reaktionen auf die teils sehr expliziten Werke. Den Großteil der Ausstellung habe ich jedenfalls gesehen und einige Bilder haben mir wirklich gut gefallen.

      „Wollen wir einen Happen essen?“, schlägt Yvonne vor, doch mich zieht es zu einem Bereich, den ich bisher nicht beachtet habe. „Gleich“, gebe ich Bescheid. „Sehen wir uns zuvor da drüben noch um? Dann wären wir ziemlich durch.“

      Die Fotografien in dem breiten Seitengang brillieren mit derselben distanzierten Ästhetik, die mich schon zuvor in ihren Bann geschlagen hat. Ein Bild zieht mich magisch an. Es zeigte eine blonde Frau, deren Handgelenke und Knöchel an den Stuhl gebunden sind, auf dem sie sitzt. Ihre Augenpartie ist von einer seidigen Binde verdeckt, während ihr leicht geöffneter Mund Sehnsucht signalisiert. Ein Hauch von einem Tuch umweht ihren Körper, getrieben von einem Wind, der auch ihre Haare zerzaust. Obwohl ihr Gesicht weitgehend verdeckt ist, erkenne ich sie als jene Diana, die mir zuvor schon aufgefallen ist. Scheinbar genießt sie die exponierte Pose, soweit ihre erigierten Brustwarzen diesen Rückschluss zulassen.

      „Alles in Ordnung?“, höre ich Yvonnes Stimme wie aus weiter Ferne und zugleich spüre ich ihre Hand an meinem Arm. „Ja“, sagte ich mechanisch. „Ja natürlich.“ Ich wende mich ihr zu und sie starrt auf meine versteiften Knospen, die sich überdeutlich unter meinem Kleid abzeichnen. Obwohl sie sich rasch abwendet, laufe ich rot an wie eine ertappte Sechzehnjährige. „Gefällt dir sowas?“, erkundigt sie sich irritiert.

      „Ja, nein, natürlich nicht“, stammle ich. Meine Wangen brennen vor Verlegenheit. „Sie gefällt mir, ihr Mut, ihr Ausdruck. Aber auf solche Spielchen kann ich verzichten. Wir sollten wirklich langsam was essen.“

      Ben

      Als wir uns wieder der Halle zuwenden, offenbart sich ein Tor, das uns zuvor entgangen ist. Die Aufschrift auf der Messingtafel neben dem dunklen Eingang erweckt meine Neugier:

       Sonderausstellung: Explizite Fotografien – strengstes Jugendverbot. Zutritt ab 18 Jahren

      Ich bleibe stehen, werde mir dessen aber erst bewusst, als Yvonne an meinem Arm zieht. „Was heißt explizit?“, frage ich, anstatt ihrer stummen Aufforderung Folge zu leisten. „Porno? Alles andere gibt es doch schon hier zu sehen und jugendfrei ist hier gar nichts.“

      „Na, schön“, lenkt Yvonne ein. „Wenn du meinst. Jetzt hast du mich angesteckt mit deiner Neugier.“ Sie setzt sich in Bewegung, ehe ich erwidern kann, dass ich mir keineswegs sicher bin, ob ich wirklich mehr sehen will. „Komm schon“, ermutigt sie mich. „Oder willst du doch noch kneifen?“

      Kneifen ist mein Stichwort. Kurz blitzt unsere alte Konkurrenz auf, doch dann lächele ich meine Bedenken in Grund und Boden und folge Yvonne ins Halbdunkel. Das Gemurmel der zahlreichen Gäste bleibt hinter uns zurück, verstummt, als wären wir plötzlich an einem völlig anderen Ort. Die engen, verwinkelten Korridore aus grauen Wänden bilden einen Kontrapunkt zu den hellen weiten Räumen der Hauptausstellung. Die Anordnung erlaubt keinerlei Rückschluss darauf, ob wir hier unter uns sind, oder ob sich noch Jemand in dieses anstößige Anhängsel der lichten Muse wagt. Ich bin allein, schießt es mir durch den Kopf und der Gedanke beunruhigt mich. Unwillkürlich taste ich nach Yvonnes Hand, die meinen Griff erwidert, als sie mich spürt.

      Erst nachdem sich meine Augen an das Zwielicht gewöhnt haben, wage ich den Schritt, der mir den Blick in eine Nische mit einer blutroten Seitenwand eröffnet. Ein Bild von zwei mal zwei Meter und zeigt eine Japanerin. Zahllose kunstvoll verknotete Stricke schneiden in ihre nackte Haut, während sie hilflos von der Decke hängt, waagrecht, mit dem Rücken nach oben, die Arme nach hinten und oben verdreht. Als wäre das nicht genug, sitzen Klammern aus blitzendem Edelstahl an den Warzen ihrer streng eingeschnürten Brüste, die zudem mit Metallgewichten beschwert sind. Ihre Knie sind durch die Fesseln so stark angewinkelt, dass die Unterschenkel wieder nach vorne zeigen und die Fersen an ihrem Po liegen, dessen leicht gebräunte Haut ebenso von erstarrten roten Wachstropfen übersät ist, wie die dem Betrachter zugeneigten Fußsohlen. Die junge Frau ist hübsch, doch ihre Miene spiegelt Verzweiflung, zeigt eine Hilflosigkeit gegenüber einem anonymen, unsichtbaren Peiniger, der in scharfem Kontrast zur kühlen Hochglanzästhetik des technisch hervorragend geschossenen Bildes steht.

      „Au!“, sagt Yvonne. Erst da bemerke ich, dass ich die Luft angehalten habe und ihre Hand drücke, als hinge mein Leben davon ab. „Entschuldige bitte“, murmle ich und lasse sie los. „Aber das ist ….“ Ich ringe um Worte, während in mir eine Wut hochsteigt, deren unmittelbare Wucht mich aus der Fassung bringt. „Abstoßend und grausam ist das“, mache ich mir Luft. „Wer tut so etwas? Wer kann so etwas als erotisch empfinden? Das ist doch die totale Erniedrigung.“

      Etwas in mir erwartet leidenschaftliche Zustimmung, doch Yvonne steht nur da, starrt mit geröteten Wangen und glühend roten Ohren auf das Bild und bemerkt erst nach einigen Augenblicken, dass ich auf eine Reaktion von ihr warte. „Ich weiß nicht“, sagt sie schließlich mit einer Ruhe, für die ich keinerlei Verständnis aufbringen kann. „Ist doch ihre Entscheidung, ob sie sich für so etwas hergibt. Du weißt doch