Niko Arendt

Chicago Affair


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sie ihn amüsiert betrachtete, dann warf sie einen Blick in Holdens Richtung.

      „Keine Sorge wir machen aus Aschenputtel schon eine glaubwürdige Prinzessin.“ Sie grinste. „Er wird heute Abend umwerfend aussehen, dafür werde ich sorgen.“

      Mit diesen Worten hackte sie sich bei Sean unter und zog ihn fort. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie sogar mehr wusste als er. Was war denn nur an diesem Abend? Verwirrt blickte er über die Schulter zu Bourdain.

      „Was ist denn heute Abend?“

      Er bekam keine Antwort.

      Mit einer Kraft, die er der zierlichen Frau nicht zugetraut hätte, bugsierte sie ihn in die Umkleideräume, die von außen schmaler wirkten, als sie tatsächlich waren. Dort hätte mühelos eine sechsköpfige Familie Platz, ohne sich dabei auf die Füße zu treten. Die Ausstattung war edel, nicht überladen und eher einfach gehalten, mit einer Sitzbank, einem riesigen Spiegel, der vom Boden bis zur Decke reichte und einem Garderobenständer. Unter der Sitzbank standen eine Reihe säuberlich polierter Schuhe, die relativ universell gehalten waren und somit praktisch zu jedem Anzug passen würden.

      Irritiert ließ Sean sich von Rosaline das Jackett von den Schultern streifen, welches sie sogleich an die Garderobe hängte. Dann schwirrte sie leichtfüßig davon, kam aber bereits nach wenigen Minuten, mit einem sandfarbenen, zweiteiligen Anzug, einem hellen Hemd in Creme und einer nachtblauen Krawatte, wieder zurück.

      „Die Größe müsste stimmen. Ich finde, helle Farben passen zu Ihrem fröhlichen Gemüt. Während Sie anprobieren, stelle ich Ihre Abendrobe zusammen,“ sie lächelte. Fragend blickte Sean sie an. Woher wusste sie denn etwas über sein Gemüt?

      „Ich weiß schon, was er an Ihnen findet.“ Ihr verschmitztes Lächeln wurde noch eine Spur breiter. Und sie klopfte Bourdain, der aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien auf die Brust. Dann verschwand sie eben so schnell, wie sie gekommen war und Sean sah sich seinem Chef alleine gegenüber. Dieser schloss die Tür hinter sich, als er in die Umkleide eintrat.

      „Ausziehen!“, befahl er.

      „Wie bitte?“

      „Du hast mich schon verstanden.“

      Wow. Er hatte damit gerechnet, aber so schnell? Wirklich? Irgendwie kam das jetzt total unerwartet und - scheiße, er war überhaupt nicht vorbereitet.

      „Hör auf nachzudenken. Ich will dich nicht vernaschen.“ Zum ersten Mal an diesem Tag schlich sich ein sanftes Lächeln auf Bourdains ernste Züge. „Noch nicht.“

      „Dann jag mir doch nicht so einen verdammten Schrecken ein.“

      „Mach dir nicht gleich in den Schlüpfer.“

      Bourdain machte zwei große Schritte, dann stand er Sean von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Sean schluckte. Sie waren beide in etwa gleich groß, obwohl Sean wesentlich mehr Körpermasse aufwies. Mit seriöser Professionalität machte Bourdain sich an Seans hässlicher Krawatte zu schaffen, dabei zog er die Augenbraue hoch und seine Oberlippe kräuselte sich unmerklich in Abscheu. Sean reichte das aus, um seine Gedanken erahnen zu können.

      „Die hat Amanda mir geschenkt. Ich hätte sie ja längst verbrannt, aber dann würde ich bald selbst auf dem Scheiterhaufen landen“, rechtfertigte er sich.

      „Die Krawatte oder Amanda?“

      „Du hast ja keine Ahnung,“ witzelte der Blonde, womit er auch seine aufkeimende Nervosität zu ersticken versuchte. Holden war ihm so nah. Er konnte seinen Atem auf seinem Hals spüren, die Finger an seinem Schlüsselbein, die damit begonnen hatten das Hemd aufzuknöpfen. Das herbe Aftershave, welches sein Chef benutzte, war unangenehm und berauschend zugleich.

      „Du riechst gut“, kam es Sean unbewusst über die Lippen. Sobald die Worte raus waren, wünschte er sich der Boden unter ihm würde sich auftun und ihn verschlingen.

      Shit.

      Hatte er jetzt seine verdammten Gedanken etwa laut ausgesprochen? Es war nur eine Feststellung. Nur eine Feststellung. Eine Welle der Unruhe durchbrach ihn. Glücklicherweise amüsierte Bourdain die Situation, sodass selbst sein Missmut und die Anspannung abflauten.

      „Immer langsam, Tiger.“

      „Das ist peinlich.“ Resigniert schlug Sean die Augenlider nieder.

      „Absolut.“

      „Nimm es als Kompliment.“

      Bourdain schmunzelte, sagte aber nichts mehr dazu. Stattdessen widmete er seine ganze Aufmerksamkeit Seans Hemd. Er ließ sich Zeit, während Sean unter seinen Berührungen immer hibbeliger wurde.

      „Jetzt halt doch endlich still“, rügte Bourdain ihn.

      Sean wurde rot. „Ich kann das auch selbst machen. Ich bin kein Kleinkind mehr.“

      „Mir macht es aber Spaß.“

      „Warum habe ich was anderes erwartet?“

      „Hast du nicht.“

      „Nein, habe ich nicht.“

      „Umdrehen“, befahl Bourdain wieder.

      Sobald er das gesagt hatte, drehte er ihn mit unerwarteter Kraft herum und streifte ihm das Hemd von den Schultern. Dann drehte er ihn wieder zu sich. Sean reagierte blitzschnell, als Bourdain seine Hand nach ihm ausstreckte.

      „Den Rest schaffe ich schon“, beteuerte der Blonde.

      „Dann runter mit den Hosen.“

      „Mich kribbelt‘s, wenn du so herrisch bist“, gestand Sean und grinste belustigt.

      „Das hat ein Vorspiel so an sich.“

      „Ich wusste nicht, dass wir schon beim Vorspiel sind.“

      Es half Sean ungemein, das Ganze mit Witz zu überspielen. Besser, als sich den Kopf zu zerbrechen, was das alles bedeutete.

      „Ich spiele immer mit meinem Essen“, sagte Bourdain mit diabolischem Lächeln. „Du brauchst dich nicht zu genieren. Es gibt nichts, was ich nicht gesehen hätte.“

      Immerhin hatte er unterwegs wohl seine Laune aufgeklaubt, aber vielleicht hatte er sich auch Valium eingeworfen. Dafür, dass Bourdain so kratzbürstig und kurz angebunden war, flirtete er jetzt hemmungslos mit ihm. Wohin sollte das nur alles führen? Sean wollte sich darüber lieber noch keine detaillierten Gedanken machen.

      Widerwillig schälte er sich aus seinen Schuhen und der Hose, solange Bourdain mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand lehnte und ihn intensiv beobachtete. Sean spürte seinen Blick auf seiner Brust, seinem Bauch und seinen Beinen brennen. Er musterte ihn eingehend, dieser Bastard.

      „Willst du mich die ganze Zeit begaffen?“

      „Warum nicht? Ist ja nicht verboten.“

      „Laut Gesetz schon.“

      „Darüber haben wir doch schon gesprochen, Sean.“

      Bourdain trat an ihn heran. Sean überließ es ihm, die Knöpfe seines neuen Hemdes zu schließen. Zum ersten Mal hatte er ihn mit seinem Vornamen angesprochen. Die ganze Situation war so familiär, als wären sie alte Bekannte.

      „Du hättest keine Chance“, erinnerte Bourdain ihn.

      Argwöhnisch musterte Sean sein Gesicht, das keinen seiner Gedanken nach außen preisgab. Kein Zucken oder Zögern. Allerdings vermied Holden es ihm dabei in die Augen zu sehen.

      „Warum ich?“, fragte er ins Blaue und griff nach Holdens Hand, sodass dieser innehielt.

      Mit kalkulierter Präzession lehnte Bourdain sich in Seans Oberkörper, da half es auch nicht, dass dieser sich zurücklehnte, als ob er den Kontakt scheute. Was er auch tat. Abwehrend legte er beiden Hände auf Holdens Brust, stieß ihn aber nicht weg. Er war zu feige, um ihn aufzuhalten, wollte aber den nächsten Schritt nicht tun. Wenn die Zeit nur stehen bleiben könnte. Das tat sie nicht. Nicht für ihn.