Niko Arendt

Chicago Affair


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erwiderte der andere trocken. „Mit Ihrem Aussehen haben Sie in Ihrer Szene bestimmt kein Problem jemanden abzuschleppen?“

      „Was denn für eine Szene? Die der sexuell frustrierten, reichen und erfolgreichen Computerfreaks?“

      Bourdain schnaubte. Sarkasmus triefte schwer von jeder Silbe seiner Worte. Sean glaubte alten Frust und unreifen Hunger aus seiner Aussage herauszuhören, wollte sich aber darauf nicht festlegen. Es gelang ihm nicht sein Gegenüber einzuschätzen, schließlich lernte er heute eine ganz andere Seite von ihm kennen. Eine, von der er nicht einmal geahnt hatte, dass sie existierte.

      „Nein, mal ganz ehrlich. Warum sind Sie alleine?“, fragte Sean mit ernster Stimme und ehrlichem Interesse. Er spürte die Wärme des anderen Mannes, empfand sie aber nicht als unangenehm. Nicht in diesem sich selbst bemitleidenden Moment.

      „Warum schlafen Sie im Auto, auf dem Parkplatz der Firma, aus der man Sie rausgeschmissen hat?“

      „Fragen beantwortet man nicht mit Gegenfragen.“

      „Wieso nicht?“

      „Weil das anstrengend ist.“

      „Soll ich Sie stattdessen lieber küssen?“

      „Lieber nicht. Ich will nicht fortsetzen, was Ihre Hand im Büro angefangen hat.“

      „Ich schon.“

      „Das war zu erwarten.“

      Nach ihrem kurzen Schlagabtausch kehrte klammes Schweigen ein, das Sean schlimmer fand, als mit seinem Boss darüber zu reden, mit ihm Sex zu haben. Wenigstens redeten sie miteinander. In der Stille konnte Bourdain noch auf Einfälle kommen, die über bloße Worte hinausgehen würden. Und so war es auch.

      Der Brünette streckte seine Hand nach Sean aus, die dieser nicht sehen, aber an seiner Taille spüren konnte. Die Hitze schien ein Loch in sein Hemd zu brennen. Das Licht spielte reizvoll mit Bourdains Gesichtszügen, die eine widersprüchliche Mischung aus Amüsement und Hohn waren.

      „Haben Sie es sich überlegt, Mr. Grandy?“, fragte er rau und Sean konnte deutlich seinen Atem in seinem Gesicht spüren. Er roch nach Aftershave und Pfefferminz, welches eine kühle Distanz schaffte. „Jetzt kennen Sie die Bedingungen für eine Wiedereinstellung.“

      Sean atmete rasselnd aus. „Sie wissen, dass ich verheiratet bin.“

      Bourdains Oberlippe kräuselte sich. „So gut kann Ihre Ehe wohl nicht laufen, wenn Sie mir auf dem Parkplatz auflauern.“

      Sean überhörte das mit der Ehe und konzentrierte sich lieber auf Bourdains Arroganz. „Ich hab Ihnen bestimmt nicht aufgelauert. Ich habe mich mental auf ein Gespräch vorbereitet.“

      „Und? Ist es gelaufen, wie Sie es sich vorgestellt haben?“

      „Ganz und gar nicht.“

      „In Ihrer Version habe ich Sie bestimmt angefallen und mit Haut und Haaren gefressen.“

      „So was in der Art.“

      „Rotkäppchen und der böse Wolf?“

      „Hänsel und Gretel.“

      „Tatsächlich?“ Bourdain kam ihm wieder ein Stück näher. Sean presste den Rücken ins Auto, aber es schmerzte nur, deswegen ließ er es bleiben. „Die böse Hexe bin nicht ich, denn die hält Sie daheim an der kurzen Leine.“

      „Nein, Sie locken doch mit Süßigkeiten.“ Sean räusperte sich erneut. „Lassen wir das mit den Metaphern, mir schwirrt schon der Kopf.“

      Bourdain schlug die Augen nieder und der Glanz, der in ihnen lag, als er Sean wieder ansah, bereitete diesem Unbehagen. Ihre Knie und Oberschenkel berührten sich. Bourdains Hand lag noch immer in seiner Taille, darüber hinaus passierte aber nichts.

      „Wo schlafen Sie heute Nacht?“, fragte der Brünette unschuldig. „Soll ich Sie irgendwo absetzten?“

      „Ich bin selbst mit dem Auto da.“

      „Und der Tank ist bestimmt leer.“

      Woher weiß er das bloß? Es war nicht schön, wie dieser Mann ihn durchschaute, während Sean nicht die blasseste Ahnung hatte. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. Bourdain war ihm unheimlich.

      Mit der freien Hand, die teilnahmslos an seiner Seite heruntergehangen hatte, strich Bourdain über Seans Brust, dem die Nackenhaare zu Berge standen. Sean schielte zu seinem Auto.

      „Nein“, sagte er unsicher. Es hörte sich nach einer Frage und nicht nach einer Aussage an.

      „Schwach“, konterte Bourdain und mit einem Mal wurde die Situation todernst. „Sie sind erbärmlich. Wenn Sie sich wenigstens das eingestehen würden. Ihre Frau hat Sie ganz schön unter dem Pantoffel, wenn Sie hier auftauchen mit der ernsthaften Absicht auf meine Forderungen einzugehen. Sie haben nicht die Courage ihr die Meinung zu sagen. Aber auch nicht die Gelassenheit, um sich von ihrem Boss vögeln zu lassen. Entscheiden müssen Sie sich aber irgendwann.“

      Bourdain wirkte richtig außer Atem.

      „Gehen Sie nach Hause, Mr. Grandy. Kommen Sie wieder, wenn Ihnen ein paar Eier gewachsen sind.“

      Ein widerlicher, pelziger Geschmack belegte Seans Zunge, während sein Magen revoltierte, als habe er Gift getrunken. Bourdains dunkle Gestalt wurde kleiner. Dann war sie vollkommen aus seinem Blickfeld verschwunden und nur das Echo seiner Berührung blieb warnend zurück.

      Kapitel 3

      Zerknittert, mit stechenden Rückenschmerzen und steifem Nacken erwachte Sean mit den ersten Sonnenstrahlen. Die Autotür öffnete er unter erheblichen Anstrengungen, hievte den linken Fuß heraus und ließ den Rest von sich herausfallen wie überreifes Obst. Zu mehr war er nicht in der Lage.

      Der Asphalt war kalt und binnen weniger Sekunden spürte Sean Nässe durch sein Jackett und seine Hose dringen. Es musste nachts geregnet haben. Er konnte sein Glück kaum fassen. Wenn er schon mal hier unten war, sollte er sich vielleicht gleich auch das Gesicht in der Pfütze waschen.

      Stöhnend richtete er sich auf und versuchte den groben Schmutz mit den Händen abzuklopfen, was die feuchten Flecken aber nicht schöner machte. Sein Haar stand wild von seinem Kopf ab, während tiefe Augenringe seine Verwandtschaft zu den Pandabären vermuten ließ. Rote und weiße Striemen zeichneten sich auf seiner Wange ab, da er die ganze Nacht auf irgendwas gelegen hatte, das einen deutlichen Abdruck auf seinem Gesicht hinterlassen hatte.

      Sean streckte den Rücken durch, spürte die Wirbel einrasten, dann zog er einmal kräftig an seinem Jackett und machte sich selbstbewusst Richtung Eingangstür. Dort stellte er fest, dass sein Code bereits gesperrt worden war. Niedergeschlagen ließ er den Kopf hängen. Er hatte vor allen anderen ins Büro gehen wollen, damit keiner seinen erbärmlichen Zustand bemerkte. Bourdain war sicherlich schon dort.

      Unsicher blickte er durch die Scheibe in die Eingangshalle. Bis auf ein paar Wachmänner, war es noch ausgestorben. Vergeblich versuchte er ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ihnen pantomimisch zu zeigen, dass er seine Karte vergessen hatte. Sie bemerkten ihn nicht.

      Eine unerwartete Berührung an seiner Schulter ließ ihn hochschrecken.

      „Was machen Sie hier?“, fragte eine zaghafte Frauenstimme leise.

      Sean wirbelte herum. Vor ihm stand eine schlanke junge Brünette in einem grauen Kostüm. Sie saß drei Blöcke von ihm entfernt. Ihr Name war…

      „Nancy?“, fragte er unsicher.

      „Ja. Sie kennen mich?“

      „Ich bin’s. Sean Grandy.“ Sean strich sich durchs Haar und hoffte, dass sie ihn wiedererkennen würde. Einige verhängnisvolle Sekunden verstrichen, in denen sie ihn interessiert musterte.

      „Wurden Sie überfallen?“

      Sean wollte gerade abwinken, als er