Hans Max Freiherr von Aufseß

Tagebuch aus der Okkupationszeit der britischen Kanalinseln


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die reine Wahrheit finden kann, herrscht in der historischen Forschung heute Konsens.148 Das bedeutet keineswegs, dass von Aufseß zu Unrecht freigesprochen wurde, aber eine vollständige Entlastung nach heutigen juristischen Maßstäben ist das Urteil der Spruchkammer auch nicht. So sind deren Mitglieder nicht immer juristisch vorgebildet und vor allem sind sie in hohem Maße auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Aussagen der Angeklagten und ihrer Zeugen angewiesen. Viele Behauptungen lassen sich in den Wirren der Zeit nach Kriegsende nicht überprüfen. Seine Tätigkeit bei der Spionageabwehr in Paris z. B. verschweigt von Aufseß und es liegen keine Dokumente vor, die dieses Verschweigen genauer erklären könnten. Wie glaubhaft die Aussagen des Freiherrn über seinen Parteieintritt sind, die er in der Verteidigungsschrift vom 5. Mai 1947 anführt, können die Mitglieder der Spruchkammer schlichtweg nicht überprüfen. Es ähnelt allerdings zahllosen vergleichbaren Erklärungen anderer ehemaliger ›Parteigenossen‹. Betrachtet man die private wie berufliche Situation des Freiherrn im Jahr 1933, sind seine Ausführungen zumindest nicht unplausibel: »Im Frühjahr 1933 habe ich das grosse juristische Staatsexamen gemacht und mich zu gleicher Zeit verlobt. Ich stand also gerade vor dem Aufbau meiner Existenz. Um Politik hatte ich mich bis dahin (…) nicht gekümmert. Ich wurde daher von der Entwicklung überrumpelt. Ich liess mich daher mit mehreren anderen Kameraden zusammen von einem Herrn des Prüfungsausschusses überzeugen, dass wir als zukünftige Staatsbeamte (…), die Pflicht hätten, in die Partei einzutreten. (…) Meine Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus beruhte damals weder auf eigenem Urteil noch auf Kenntnis des Ideengutes (…). Mit den Millionen anderen im In- und Ausland erlag ich einer gewissen initialen Verführung teils durch die geschickte damals noch nicht durchschaute propagandistische Aufmachung, teils durch den allgemeinen Überdruss an dem unerfreulichen Parteigehader.«149 Sein Schuldeingeständnis am Ende der Verteidigungsschrift wirkt allerdings vor dem Hintergrund seiner Mitarbeit bei der ›Politischen Arbeitsgemeinschaft‹ im Lager aufrichtig: »Ich empfinde es heute als Schuld, nicht dass ich zur Partei eingetreten bin, denn damit wollte ich nichts Schlechtes fördern. Meine Schuld sehe ich vielmehr darin, dass ich mich früher nicht um Politik gekümmert habe und damit mitgeholfen habe, das Feld den Verantwortungslosen zu räumen.«150

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      Das Ehepaar Aufseß in den 50er-Jahren.