Robert Wagner

Die Grump-Affäre


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Junior, dass es wirklich wichtig sein musste. Er genoss den Augenblick, nahm den angebotenen Drink dankend an, setzte sich und begann zu erzählen.

      Nachdem er von den speziellen Konditionen berichtet hatte, fragte Ronald Grump senior nach: „Wenn er von Räumung spricht und Spezialisten einfliegen lassen will, klingt das nach einer Menge Ärger. Hat er was zum zeitlichen Verlauf gesagt? Ab wann könnten wir loslegen und wenigstens die Verträge aufsetzen? Dann und erst dann fließt das Geld, und wir können die steuerlichen Dinge zu unseren Gunsten beeinflussen.“

      Junior sah seinen Vater überrascht an.

      „Darüber haben wir nicht gesprochen, ich denke, du solltest ihn das direkt fragen. Was meinte er, als er zehn Prozent mehr sagte? Wie viel Prozent müssen wir denn zahlen?“

      Ronald schaute nicht auf. „Üblich ist: 50 Prozent aller Aufträge gehen an die einschlägigen Firmen, die natürlich weit über Marktpreisen abrechnen. Dann kommen noch Bargeldtransaktionen für die Gewerkschaft dazu, und wir zahlen das Doppelte für die Grundstücke, als sie eigentlich wert sind. Dafür bekommen wir die Garantie, in die Höhe bauen zu dürfen, wobei wir schon gut verdienen werden. Wir können von legalen Firmen die Grundstücke erwerben, das ist sehr wichtig für uns, so bleibt die Marke Grump sauber. Über die Steuer- und Verlustvorträge gelingt es uns, mindestens für fünf Jahre weiterexistieren zu können. Ohne dieses Projekt ist das Fortbestehen unserer ganzen Holding gefährdet.“

      Ronald junior sah seinen Vater erschrocken an. „Du hast nie angedeutet, wie schlecht es um die Firma bestellt ist. Wer weiß sonst davon?“

      Mit einem Mal sprang Ronald Grump auf und schrie. „Nur ich und unser Buchhaltungsleiter wissen Bescheid, und das muss so bleiben. Ich schaffe es auch aus dieser Krise wieder heraus, allein, und jetzt verschwinde!“

      Der plötzliche Ausbruch wirkte verstörend auf seinen Sohn, anderseits kannte er das schon bei seinem Vater. Er ging wortlos aus dem Büro.

      Ronald schaute seinem Sohn hinterher. Ein guter Junge, aber viel zu verweichlicht. Er traute ihm, aber er wollte ihn noch nicht in die dunkle Seite seiner Geschäfte einführen, dafür war er noch nicht reif. Er selbst hatte viele Jahre für seinen Vater arbeiten, die ganzen Drecksjobs machen müssen, aber das Geschäft verstanden hatte er erst in den letzten Jahren seiner Lehre. Das war die Zeit, in der ihn sein Vater mit der Mafia bekannt machte.

      In dieser Nacht schlief Ronald schon wesentlich besser. Er konnte förmlich spüren, wie sich alles zum Guten wendete.

      Am nächsten Morgen im Büro klingelte das Telefon, und die bekannte, krächzende Stimme meldete sich.

      „Mein Freund, wie haben Sie sich entschieden?“

      Ronald ließ einige Zeit verstreichen, ehe er antwortete.

      „Das Angebot ist gut, und die Sonderkonditionen sind akzeptabel. Was ich brauche, ist ein schneller Deal. In spätestens vier Wochen muss alles unter Dach und Fach sein. Die Verträge müssen bis dahin unterschriftsreif sein, das beinhaltet die Genehmigungen des Stadtrats und der Baubehörde.“

      Diesmal war längeres Schweigen an dem anderen Ende der Leitung.

      „Gut, wir bekommen das hin. Die Verträge unterzeichnen wir in zehn Tagen, beim selben Notar wie immer.“

      Damit war die Verbindung beendet. Man hatte sich geeinigt. Ronald konnte die Erleichterung körperlich spüren, ein riesiger Druck fiel von ihm ab. Kurz dachte er daran, seine Geliebte spontan zu besuchen, entschied sich dann aber dagegen. Er wollte zuerst mit der Familie feiern und sich danach verwöhnen lassen, so war es richtig.

      Er hatte wieder einmal Glück im Geschäft gehabt. Durch eine erfreuliche Wendung konnte er die finanziellen Probleme beseitigen und sich gleichzeitig ein Denkmal errichten. Niemand in der Stadt besaß zwei Wolkenkratzer. Sichtlich zufrieden ging Ronald zu dem Buffet, das eigens für ihn mittags angerichtet wurde. Er bediente sich bei den Chickenwings und nahm sich zwei Cheeseburger, die extra für ihn bei einer Fast-Food-Kette bestellt worden waren. Er liebte den Geschmack von allem in Öl Frittiertem.

      Die Beschattung, New York, Sommer 2015

      Marco erklärte den Plan noch einmal, den sie sich zurechtgelegt hatten. Zum einen wollten sie ein letztes Mal alles durchgehen, um Fehler zu vermeiden, zum anderen gab ihnen die Zusammenfassung die nötige Sicherheit für ihr Unterfangen. Sie wollten sich tatsächlich mit einem Paten aus der New Yorker Unterwelt anlegen.

      John fühlte sich allein schon bei dem Gedanken unwohl, in diese Welt einzutauchen.

      Aufgrund Tonis gründlicher Recherche kannten sie viele Details über Giancarlo Belaqua.

      John war verwundert, über welche Fähigkeiten und Zugriffsmöglichkeiten auf streng geheime Unterlagen Toni verfügte. Da waren Regierungsbehörden wie ein offenes Buch, selbst Steuerunterlagen waren einsehbar, und Daten aus den Archiven des FBI wurden wie von Zauberhand auf den Beamer gezaubert. Es wurde mit militärischer Spionagetechnik gearbeitet, das wurde schnell klar. John fragte nicht, woher die ganze Technik stammte, war allerdings tief beeindruckt. Als IT-Spezialist konnte er sich ausmalen, welche Datenmengen durchsucht werden mussten, um in der Kürze solch ein Exposé zusammenzustellen.

      Zuerst erschien das Foto des Mafiabosses Belaqua an der Wand. Ein älterer Mann Ende 60; graue Haare, eisgraue Augen und eine spitze, falkenähnliche Nase kennzeichneten das Gesicht. Als Nächstes wurde ein Organisationsdiagramm projiziert.

      Ganz oben erschien erneut das Bild von Belaqua, in einem gesonderten Kreis unter der Überschrift „Familie“ wurde das Foto einer älteren Dame eingeblendet: seine Frau Maria. Dann die Kinder Francesca und Matteo. In einem weiteren Kreis erschienen die Bilder der Mafiafamilie. Auf Ebene drei waren die bereits bekannten Fotos der beiden Geschäftsführer von Bridgewater and Partner zu sehen, Giovanni und Andrea Botazzo. Oben in der Ecke wurde ersichtlich, dass dieses Dokument eindeutig aus einer FBI-Akte stammen musste. Das Emblem des FBI war klar zu erkennen, und der Schriftzug „Confidential“ lief quer über die ganze Seite. Auf der nächsten Ebene wurden die Firmen und Beteiligungen eingeblendet, die dem Clan zugerechnet wurden. Bridgewater tauchte wieder auf, aber auch eine ganze Reihe von weiteren Firmennamen, darunter viele Baufirmen, Transportgeschäfte, Spielhallen und Restaurants. Einige Namen erkannte John wieder, zumindest waren ihm die Aufschriften auf den Baustellenfahrzeugen bekannt. Die Seite verschwand von der Leinwand, und eine neue Projektion begann, wieder war das FBI-Logo zu erkennen. „Gewohnheiten“ stand als Überschrift in der Mitte.

      Toni ergänzte: „Wir sollten das noch mal überprüfen, die Informationen scheinen schon einige Monate alt zu sein, aber ich denke, wir können uns damit viel Aufwand bei der Beschattung ersparen. Trotzdem sollten wir uns sicher sein und die Orte überprüfen.“

      Es erschien ein Tagesablauf und daneben ein Wochenplan mit Angabe von Ort und Personen.

      Montag, 09:00 Uhr: Friseur, The Barber, 387 Atlantic Avenue.

      Montag, 11:30 Uhr: Hillstone Restaurant, 888 Third Avenue.

      Montag, 13:30 Uhr: Grump Golf Links at Ferry Point, 500 Hutchinson River Parkway, Bronx.

      Montag, 17:30 Uhr: Ankunft Wohnhaus.

      In dieser Art setzte sich der Tagesplan über die ganze Woche fort, man konnte detailliert nachvollziehen, wann und wo sich Mr. Belaqua regelmäßig aufhielt, und es war schnell ersichtlich, dass der Mann eine Vorliebe für Golf hatte. Drei Mal die Woche stand Golf im Kalender. Belaqua musste über lange Zeit von der Regierung überwacht worden sein, anders waren all die Details nicht zu erklären. Die Frage, die sich John stellte: Warum lief dieser Mann noch frei herum? Hatte das Material nicht ausgereicht? War man immer noch an Belaqua dran, und was würde passieren, wenn er und seine beiden Freunde nun Belaqua beschatteten? Im schlimmsten Fall tauchten sie selbst in den Datenbanken auf und wurden in Beziehung zur Mafia gesetzt. Man musste höllisch aufpassen, so viel war klar. Es folgte eine Seite mit Besonderheiten, hier wurde eine Reihe von Aktivitäten gezeigt, die von der Wochenroutine abwichen. Eine kurze Liste erschien auf der Leinwand. Geliebte, Jacqueline de Santos Brooklyn, 58th Street, Etage 4, stand als erster Eintrag ganz