sich den Lebensodem sowie die Sterblichkeit. Sie bilden eine Schicksalsgemeinschaft, die Leben und Tod umfasst.28
„Denn das Geschick der Menschenkinder und das Geschick des Viehs – sie haben ja ein und dasselbe Geschick – ist dies: wie diese sterben, so stirbt jenes, und einen Odem haben sie alle. Und einen Vorzug des Menschen vor dem Vieh gibt es nicht, denn alles ist Nichtigkeit. Alles geht an einen Ort. Alles ist aus dem Staub geworden, und alles kehrt zum Staub zurück. Wer kennt den Odem der Menschenkinder, ob er nach oben steigt, und den Odem des Viehs, ob er nach unten zur Erde hinabfährt?“ (Koh 3,19–21)
Und dennoch: Nur vom Menschen heißt es, dass er „nach Gottes Bild, ihm ähnlich“ geschaffen ist. Auffallend ist, dass in Gen 1,26 von Gott im Plural die Rede ist. Dahinter könnte die Vorstellung von göttlichen Wesen stehen, die Gott im himmlischen Rat umgeben.29 Das würde die Annahme bestärken, dass die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott in seiner Dialog- und Kommunikationsfähigkeit bestehen würde und in Folge in seiner Vernunftfähigkeit, durch die er von Gott befähigt wird, seinen Ratschluss zu erkennen und ihm entsprechend zu handeln. Im Duktus des Schöpfungsberichtes kann dieser Ratschluss nicht anders gedeutet werden denn als Wille Gottes, für alle Lebewesen – die Tiere und die Menschen (die Pflanzen wurden nach damaligem Verständnis nicht zu den Lebewesen gezählt) – einerseits den Rhythmus von sechs Arbeitstagen und einem Ruhetag als Zeitraum zu befolgen und andererseits die Erde als Lebensraum zu erhalten. Beides, die geregelte Zeitenfolge und der geordnete Lebensraum, dienen der Erhaltung und der Entfaltung des Lebens der Tiere und der Menschen. Es ist bezeichnend, dass im Gebot der Sabbatruhe, dem dritten Gebot des Dekalogs, ausdrücklich die Nutztiere eingeschlossen sind. In Ex 20,10 wird „dein Vieh“ genannt, und in Dtn 5,14 findet sich die Ausweitung auf „dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh“, das in den Genuss der Sabbatruhe kommen soll.
Unmittelbar nach dem Entschluss Gottes in Gen 1,28, die Menschen „nach seinem Bild, ihm ähnlich“ zu schaffen, wird die Funktion formuliert, die Gott für die Menschen vorgesehen hat: „Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen!“ Diese Aufgabe ist es, die Gott den Menschen – die schließlich als Mann und Frau geschaffen werden – anvertrauen will, und indem sie diesem Auftrag gerecht werden, erweisen sie sich als würdige Repräsentanten Gottes in der Schöpfung bzw. vergegenwärtigen sie ihn wirksam. Jedenfalls kann festgehalten werden: „Die in Gen 1 […] programmatisch formulierte, Mensch und Tier unterscheidende Gottebenbildlichkeit von Mann und Frau ist rein theologisch aus einem Willensakt Gottes, sie ist nicht biologisch begründet.“30
Bevor der Herrschaftsauftrag näher beleuchtet wird, soll noch auf eine weitere bedeutende Eigenheit hingewiesen werden. Bei der Erschaffung der Landtiere wird in Gen 1,24–25 nämlich differenziert zwischen „Vieh“, „kriechenden Tieren“ und „wilden Tieren“. Der mit „Vieh“ übersetzte Begriff meint die domestizierten im Unterschied zu den wilden Tieren, also jenen, die in der Wildnis leben und sich nicht zähmen lassen, und zum kleineren Getier, das auf der Erde kriecht.31 Es ist nun interessant, dass die Funktion, die Gott in V 26 für die Menschen vorsieht, die Wassertiere, die Vögel, das domestizierte Vieh und die Kriechtiere aufgezählt werden, nicht jedoch die wilden Tiere. Im eigentlichen Herrschaftsauftrag in V 28 hingegen fehlt die Unterscheidung von domestiziertem Vieh und den wilden Tieren, denn neben den Fischen und den Vögeln werden zusammenfassend „alle Tiere, die sich auf der Erde regen“, genannt. Was das bedeuten könnte, darauf soll im folgenden Kapitel zurückgekommen werden.
1.2 Der Herrschaftsauftrag über die Erde und über die Tiere
a) Die Hypothek, die auf dem Herrschaftsauftrag in Gen 1,28 lastet
Bekanntermaßen wurde und wird der Herrschaftsauftrag in Gen 1,28 für eine ausbeuterische Haltung gegenüber der Natur verantwortlich gemacht. Dieser Vers sei der ideengeschichtliche Hintergrund der heutigen Umweltkrise. Seit der amerikanische Wissenschaftshistoriker Lynn T. White Jr. 1967 in seinem Aufsatz „Die historischen Wurzeln unserer ökologischen Krise“32 diese These veröffentlicht hat, haben auch andere Autoren diesen Vorwurf aufgegriffen und zu erhärten versucht. Der deutsche Umweltaktivist Carl Amery (1922–2005) bezeichnet in seinem 1972 ersterschienenen Buch „Das Ende der Vorsehung“ die Christen als „Fachleute für die Ausbeutung der Welt“33. Selbst Theologen wie Eugen Drewermann (geb. 1940)34 schlugen in dieselbe Kerbe. Er machte den angeblichen biblischen Anthropozentrismus, wonach sich der Mensch als radikal von der Natur herausgelöst sieht, für das gestörte Mensch-Natur-Verhältnis verantwortlich.
Viele Theologen haben sich kritisch mit diesem Vorwurf auseinandergesetzt und ihn zu widerlegen versucht35, und zwar sowohl aus historischer wie auch aus bibeltheologischer Perspektive. Historisch wurde besonders darauf hingewiesen, dass der Herrschaftsauftrag erst in der Neuzeit in dem Sinne interpretiert worden ist, dass der Mensch mit der Natur willkürlich verfahren dürfe. Ideengeschichtlicher Hintergrund der modernen Umweltkrise sei vielmehr der nach René Descartes (1596–1650) benannte cartesianische Dualismus, wonach der Mensch als res cogitans, d. h. als denkendes Wesen, alle anderen Lebewesen hingegen – einschließlich der Tiere – lediglich als res extensa, d. h. als ausgedehnte und damit bloß materielle Dinge bzw. komplexe Maschinen verstanden worden sind. Damit habe sich der Mensch als außerhalb der übrigen Natur und als ihr gegenüber stehendes Wesen begriffen. Das Bewusstsein, dass der Mensch zutiefst in die naturalen Abläufe eingebunden und Teil der Natur ist, das die abendländische Geschichte bis zum Beginn der Neuzeit geprägt habe, sei dadurch zusehends verloren gegangen. Im Zusammenspiel mit dem Erstarken der Naturwissenschaften sowie mit der damit einhergehenden wissenschaftlich-technologischen Sichtweise der Natur habe sich die Mentalität entwickelt, der Mensch könne die Natur nach Belieben zu seinen Zwecken nutzen. Dieser Gebrauch der Natur sei erst nachträglich durch den Rückgriff auf den biblischen Herrschaftsauftrag legitimiert worden, etwa durch den englischen Naturphilosophen Francis Bacon (1561–1626). Bacon verstand die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse explizit als Herrschaftswissen mit dem Ziel, dass sich der Mensch die Natur unterjoche und sie seinen eigenen Zwecken dienlich mache.36 In Folge wurden die Natur und die Tiere zunehmend nur mehr in ihrem instrumentellen Nutzwert in Bezug auf die menschlichen Bedürfnisse wahrgenommen. Exegeten und Bibelwissenschaftler haben der These widersprochen, durch den Herrschaftsauftrag in Gen 1,28 ließe sich ein derart zweckbestimmter und ausbeuterischer Umgang mit der Natur rechtfertigen.37 Der eigentliche Sinn des Herrschaftsauftrages liege vielmehr darin, dass Gott die Erde und die Tiere der Fürsorge der Menschen anvertraut habe. Dies soll im Folgenden herausgearbeitet werden.
b) Eine exegetische und bibeltheologische Erschließung von Gen 1,28
Die in Gen 1,26 formulierte Funktion des Herrschens wird in V 28 aufgegriffen und als Auftrag formuliert. Dabei fällt zunächst ins Auge, dass dieser Auftrag im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Segenswort formuliert wird, das Zuspruch von Leben und Fruchtbarkeit bedeutet. Bereits im V 22 findet sich ein solcher Segensspruch, gerichtet an die Wassertiere und die Vögel, der auch dort verbunden ist mit dem Auftrag, fruchtbar zu sein und die für sie vorgesehenen Lebensräume zu füllen. Im Unterschied zu V 22 allerdings heißt es in V 28 ausdrücklich, dass Gott das Segenswort nicht einfach ausspricht, sondern „zu ihnen“ spricht, womit der dialogische Charakter des folgenden Auftrags deutlich wird. Es geht hier nicht um ein in den Adressaten hineingelegtes natürliches oder instinktives Streben danach, sich fortzupflanzen und sich den Lebensräumen bestmöglich anzupassen bzw. diese den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten, um sie zu bewohnen, sondern um einen Auftrag, der nach einer Antwort verlangt – eben nach Verantwortung.
In dieser Perspektive kann der Herrschaftsauftrag als ein Reflex davon verstanden werden, dass die Menschen über die ihnen eigene Fähigkeit nachdenken, dem Mitmenschen, den Tieren und der Umwelt gegenüber nicht nur instinktiv oder impulsiv, sondern überlegt und verantwortlich zu handeln. Der dialogische Charakter, dass Gott den Segensspruch und den Herrschaftsauftrag „zu ihnen“