Skandal.« Sein Tonfall machte deutlich: Wenn es denn stimmt.
»Malik?« Wie besprochen trat Malik vor und erläuterte den Ministern im Detail – in jedem grausamen, noch so kleinen Detail – was gestern Früh passiert war. Lediglich die Botschaft behielt er für sich.
Ich hatte mir von Anfang an gedacht, dass die Minister Nick oder Malik mehr Glauben schenken würden als mir, daher hatten wir uns vorab gemeinsam auf Malik geeinigt. Von unserer kleinen Gruppe war er mit Sicherheit das respektabelste Mitglied des königlichen Hofes, auch wenn ich es war, die das Diadem trug.
»Wie Ihr also seht, hat es unser Feind geschafft, sich unbemerkt Zutritt nach Arcadia zu verschaffen.«
»Das ist unmöglich!«, rief einer der Minister.
»Ist es das wirklich?« Mein Blick fand den von Laurenti und die boshaften Augen des Mannes funkelten beinahe vergnügt.
Er weiß, dass wir keine Beweise haben.
Der Mistkerl scheint das hier richtig zu genießen.
Aber ich wollte den Minister leiden sehen und ich wollte ihn aus der Fassung bringen, also traf ich eine impulsive Entscheidung und wich vom Plan ab.
»Wir vermuten, dass Minister Meyer hinter den Anschlägen am Tag meiner Initiation steckte.«
Nicks Kopf wirbelte herum.
»Lilly!«, zischte er leise, sichtlich überrascht.
Ein paar der Minister sprangen auf und tauschten aufgeregte Blicke miteinander. Chaos brach aus, aber ich blendete es aus und konzentrierte mich voll und ganz auf Laurenti. Wieso konnten wir keine Beweise finden? Und wieso verdammt nochmal reichte es nicht aus, dass er Laura und Jace gequält hatte? Aber nein, laut Nick, Malik und sogar Olli, brauchten wir handfeste Beweise für seine Gräueltaten oder noch besser, einen Verrat an Alliandoan – ihre Worte, nicht meine –, um den Minister auszuschalten. Leider gehörte die schlechte Behandlung von Unsterblichen nicht dazu. Schon gar nicht, wenn es sich um einen Mischling und einen Ghoul handelte. Es gab keinerlei Gesetze, die andere Unsterbliche in Alliandoan vor den Engeln schützten, auch etwas, was ich gedachte zu ändern, sobald ich Laurenti los war.
Mach weiter, Prinzessin. Duncan und King beobachten ein paar Minister gegenüber von Laurenti, die auf einmal ziemlich nervös aussehen.
»Wir haben von Anfang an nicht daran geglaubt, dass Dämonen hinter den Angriffen stecken und haben Nachforschungen angestellt. Und endlich ist uns ein Durchbruch gelungen.«
Der Saal verstummte und auch Laurenti erstarrte.
»Minister Meyers Hand wies zahlreiche Brandwunden auf. Ein paar der fähigsten Zauberer aus Dhanikans sowie Runak, der oberste Heiler Arcadias, untersuchen die Brandwunden just in diesem Moment.«
Eine dreiste Lüge, aber das würde außer uns und dem Mörder niemand wissen.
»Gibt es schon Ergebnisse?«
Ich verneinte die Frage. »Bis jetzt nicht, aber sowohl der Magister der Gelehrten als auch Midas selbst haben uns ihre Hilfe angeboten.«
Kluger Schachzug, Prinzessin.
Es konnte nicht schaden, ein wenig Macht zu demonstrieren, und den Ministern meine Allianzen klarzumachen. Auch wenn ich Midas noch nie getroffen hatte und nicht einmal wusste, ob der oberste Zauberer Dhanikans hinter mir stand. Aber ein Mädchen durfte ja hoffen.
»Ihr habt einflussreiche Freunde vorzuweisen, Eure Hoheit.« Laurenti musterte mich von Kopf bis Fuß und ich unterdrückte den Ekel, der bei seinem Blick in mir aufzusteigen begann. »In so kurzer Zeit.«
»Wisst Ihr, Minister, wenn man dasselbe Ziel hat, bilden sich neue Freundschaften recht schnell.«
Zwei der netten Minister beugten sich neugierig vor. »Von welchem Ziel sprecht Ihr, Hoheit?«
»Einer vereinten Anderswelt«, antwortete ich ehrlich und wandte mich von Laurenti ab. »Von offenen Grenzen und Portalreisen, fairen Handelsverträgen und einem Ende der Sklaverei.«
Laurenti war so dreist, zu lachen.
»Ich sagte es schon einmal und ich sage es erneut. Das sind die idealistischen Ziele eines jungen Mädchens. Ihr mögt ein Diadem tragen, aber Ihr seid noch lange keine …«
»Vorsicht, Minister«, ermahnte ich ihn leise. »Oder wollt Ihr den Zwischenfall in Eurem Haus wiederholen?«
Die anderen Männer blickten nervös von mir zu Laurenti. Einige von ihnen schienen zu wissen, wovon ich sprach, andere sahen völlig ratlos aus.
»Und wie wollt Ihr das anstellen, hm? Eine vereinte Anderswelt, ohne Sklaven …«
»Wir nehmen uns die Probleme Stück für Stück vor, angefangen mit dem heutigen Tag.« Ich sah mich im Saal um und vergewisserte mich, dass ich die volle Aufmerksamkeit genoss. »Ab heute wird Alliandoan keinen Handel mehr mit Crinaee betreiben. König Narcos wurde bereits informiert und alle Verträge fristlos gekündigt.«
»Ihr habt was?«
Jetzt hast du ihn, rede weiter und mach ihn so richtig wütend, Prinzessin.
Nichts lieber als das …
»Es wird keinen sirovine Handel mehr mit Narcos geben, Minister Laurenti. Außerdem werden wir Crinaee nicht mehr mit Getreide beliefern oder ihnen bei Verhandlungen mit Fenodeere beratend zur Seite stehen.«
Das Gesicht des Ministers lief puterrot an. »Wie könnt Ihr es wagen? Das waren wichtige Verträge! Alliandoan ist auf Crinaee angewiesen …«
»Das sind wir nicht«, unterbrach Nick ihn gelassen. »Ebenso wenig ist Crinaee auf uns angewiesen. Bevor wir weiteren Handel betreiben, werden wir uns die Konditionen genauestens anschauen und uns überlegen, ob wir wahrhaftig mit einem Tyrann Handel betreiben wollen.«
»Zudem werden wir keinerlei Sklaven aus Anak oder Permata mehr ausliefern. An keines der anderen Königreiche. Nie wieder.« Dieser Punkt war mir besonders wichtig.
»Ihr wisst nicht, was Ihr tut!«, keuchte Laurenti. »Ihr zerstört damit unsere jahrelange Arbeit. Ganze Jahrzehnte! Das … das werde ich nicht zulassen. Ihr seid doch nichts weiter als ein …« Im letzten Moment fing er sich und brach ab. Im Saal war es vollkommen still geworden und nur das schwere Atmen des Ministers war zu hören.
»Ja, Minister? Ich bin was?«
Laurenti sah zur Seite. Seine Hände umklammerten das Geländer der Balustrade so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten, und aus der kurzen Entfernung meinte ich, eine Ader an seiner Schläfe pochen zu sehen.
»Wisst Ihr Minister, vielleicht wäre es ab jetzt besser für alle, wenn man Euch sieht, aber nicht hört.«
Sein Kopf ruckte erneut herum und völlig fassungslos starrte er mich an. Es war wohl das erste Mal innerhalb der letzten Monate, dass ich den Minister sprachlos erlebte. Die Genugtuung, die ich empfand, als ich ihm seine eigenen Worte an den Kopf warf, war nicht mit Gold aufzuwiegen. Pure. Befriedigung.
Laurenti öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann schaute er auf, aber seine Kumpels blickten ebenso ratlos drein, wie er. Ich machte mir genau diesen Moment zunutze, um die Ratssitzung zu beenden. Wir hatten keinerlei Beweise gegen den Minister, aber vielleicht hatten Duncan und King etwas Interessantes beobachtet und die Mitglieder des Rates, die mir gegenüber wohlgesonnener gestimmt waren, hatten nicht nur meine Entschlossenheit, sondern auch Laurentis unmögliches Verhalten beobachten können. Eventuell motivierte es sie dazu, ihre Loyalität ihm gegenüber zu überdenken. Also kein kompletter Reinfall …
Wir treffen uns im Palast.
Ich spürte einen leichten Windhauch, ganz zart und kaum wahrnehmbar, und die Assassinen waren verschwunden.
»Gehen wir«, wies ich Nick und Malik an, wandte mich von der noch immer erstarrten und sichtlich schockierten Menge ab und verließ schnellen Schrittes das Ratsgebäude.