aber zu untersuchen ist, ob Marktmacht vorliegt, d.h. ob ein Unternehmen den Preis bereits über den wettbewerbsanalogen Preis angehoben hat, dann darf der Ausgangspunkt einer Marktabgrenzung nicht der herrschende Preis sein, sondern Ausgangspunkt der Marktabgrenzung muss der Preis sein, der bei wirksamen Wettbewerb vorliegen würde.139 Hier wäre festzustellen, welche Substitutionsmöglichkeiten den Nachfragern bei diesem hypothetischen bzw. „but-for“ Preis offenstehen würden. In der Praxis erweist es sich jedoch häufig als schwierig, einen solchen „but-for“ Preis zu ermitteln.140
Es ist zu beachten, dass die Cellophane fallacy nicht, wie bisweilen unterstellt wird, nur ein Problem des hypothetischen Monopolistentests ist, sondern auch bei anderen Verfahren der Marktabgrenzung, die z.B. auf funktionelle Austauschbarkeit aus der Sicht eines verständigen Verbrauchers abstellen, dabei aber den herrschenden und nicht den wettbewerbsanalogen Preis heranziehen, auftreten kann. Durch ein ähnliches Verfahren ist es ja ursprünglich zur fehlerhaften Marktabgrenzung im Fall Du Pont gekommen. Im Allgemeinen wird der relevante Markt nicht unabhängig vom vorliegenden Wettbewerbsproblem abgegrenzt werden können. Handelt es sich um eine Frage nach der Entstehung oder Verstärkung von Marktmacht, so ist der herrschende Preis der Ausgangspunkt und alle Produkte, die bei diesem Preis Substitute sind, werden im relevanten Markt zusammengefasst.141 Im Fall der Untersuchung, ob bereits Marktmacht vorliegt, werden die Produkte im relevanten Markt zusammengefasst, die beim wettbewerbsanalogen Preis Substitute sind.
Eine methodisch richtige Anwendung des hypothetischen Monopolistentests bei bestehender Marktmacht ist gleichbedeutend mit der direkten Feststellung von Marktmacht. Denn könnte man den wettbewerbsanalogen Preis bestimmen, dann wäre Marktmacht unmittelbar nachweisbar und eine Marktabgrenzung wäre unnötig. Wenn aber nur eine indirekte Ermittlung der Marktmacht möglich ist, wovon in der Regel auszugehen ist, sollte aus ökonomischer Sicht dem grundlegenden Konzept des hypothetischen Monopolistentests weitestmöglich gefolgt werden.142 Hierzu ist die folgende Herangehensweise vorgeschlagen worden: Die vorgenommene Marktabgrenzung muss mit dem Prinzip der Nachfrage- und Angebotssubstitution vereinbar sein und die betreffenden Güter sollten zumindest beim herrschenden Preis Substitute sein, denn wenn sie das nicht sind, dann sind sie es auch nicht bei einem niedrigeren Preis. So könnte untersucht werden, ob die Nachfrager bei einer kleinen Preissenkung der in Rede stehenden Güter in signifikantem Umfang von anderen Produkten oder Gebieten zu den Gütern, deren Preis reduziert wurde, wechseln würden.143 Das Ausmaß der Nachfragesubstitution beim herrschenden Preis könnte dann als Indikator für die Nachfragesubstitution beim wettbewerbsanalogen Preis aufgefasst werden. Weiterhin könnten Kriterien herangezogen werden, wie z.B. die funktionelle Austauschbarkeit oder die physischen Eigenschaften der Güter, wobei allerdings die Auswirkungen von Unterschieden in diesen Eigenschaften auf das Substitutionsverhalten der Nachfrager, wenn möglich mittels empirischer Untersuchungen, berücksichtigt werden sollten.144 Ein wichtiges Verfahren in diesem Zusammenhang ist die Preiskonzentrationsanalyse.145 Diese Überlegungen können auch in Fusionskontrollfällen herangezogen werden, wenn davon auszugehen ist, dass die fusionierenden Unternehmen, z.B. durch eine Verhaltenskoordination, bereits über erhebliche Marktmacht verfügen.
μ) Folgerungen
Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich beim hypothetischen Monopolistentest in erster Linie um einen konzeptionellen Rahmen handelt, in dem ökonomisch fundiert die Frage der Marktabgrenzung behandelt werden kann. Dabei werden die wettbewerblichen Schranken, die der Ausübung von Marktmacht durch Nachfrage- und Angebotssubstitution gesetzt sind, in das Zentrum der Analyse gerückt. Der relevante Markt wird konzeptionell so abgegrenzt, dass die Marktanteile der Unternehmen ein möglichst präzises Bild ihrer Marktmacht ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn er alle Produkte und Gebiete, die der Ausübung von Marktmacht Grenzen setzen, enthält, und andere Produkte und Gebiete, durch die keine Beschränkungen der Marktmacht erfolgt, ausschließt. Da der hypothetische Monopolistentest quantitativ formuliert ist, wird er jedoch häufig dahingehend interpretiert, dass es sich um ein empirisches Verfahren handele. Eine derartige Interpretation verkennt jedoch den fundamentalen Unterschied zwischen dem hypothetischen Monopolistentest als Konzept und einer Implementation des Konzeptes, die auch mittels empirischer Verfahren erfolgen kann. Aber quantitative Methoden sind a priori unabhängig vom verwendeten Marktabgrenzungskonzept. Entscheidend am hypothetischen Monopolistentest ist nicht seine quantitative Formulierung oder seine Umsetzung mittels empirischer Verfahren, sondern die ökonomisch fundierte Herangehensweise an das Problem der Marktabgrenzung und der Marktmacht.146
44 Dieses Marktkonzept entspricht dem des Elementarmarktes, wie es von von Stackelberg vorgeschlagen wurde. 45 In der Literatur wurden weitere Marktbegriffe vorgeschlagen, wie z.B. die strategischen Märkte (vgl. Geroski (1998)) die dazu dienen, Märkte aus der Sicht eines Unternehmens zu interpretieren, um Marketingstrategien zu entwickeln. 46 Vgl. Chamberlin (1933), Robinson (1933), Sraffa (1926), Triffin (1940). 47Abbott (1955). 48 Vgl. Arndt (1958). Auf die damit verbundenen Probleme hat bereits Lerner aufmerksam gemacht: „It is futile to say that the motor-car and the Mediterranean cruise satisfy different wants until we are able to define “similar” wants otherwise than as wants that are satisfied by physically similar objects. There is no qualitative criterion of wants. Wants can only be considered as similar when the person who feels them displays equal concern for their satisfaction and thus shows them to be equal in quantity. To follow any other course is to sacrifice the logic of the science to the irrelevant convenience of the shopkeeper.“ Lerner (1934), 168. 49 Vgl. Arndt (1958). Neben der Zirkularität der ‚Definition‘ (ein Markt ist ein Bedarfsmarkt, wenn er einem gesellschaftlichen Bedarf gewidmet ist), bleibt auch im Unklaren, was ein eigentlich gesellschaftlicher Bedarf ist. Arndt gibt zwar einige, allerdings nicht überzeugende Beispiele, aber keine Definition des Begriffs. 50 Vgl. Bain (1958). „Moreover, the concept of markets or industry used by Bain seems to follow the classic definition of markets set forth by Marshall.“ Simons/Williams (1993), 810. 51Stigler (1982), 9. 52 „The delineation of the relevant market, where a firm may enjoy a dominant position, will serve as an example to illustrate how outdated economic concepts still survive in legal textbooks as the ‘legal’ approach. Modern industrial organisation offers new concepts that overcome the current subjective evaluations of product characteristics as a method to define the relevant market.“ Van den Bergh (1996), 76. 53 „Such functionable interchangeability does not carry as its central aim the ultimate task of identifying market power, as the products’ attributes only contain relevance inasmuch as that they influence the extent of competition in between commodities and locations. Consequently, a market definition based upon irrelevant product characteristics may lead to distorted conclusions of the firms’ market power.“ Camesasca/van den Bergh (2002), 158. 54 „Furthermore it is not necessary for products to be identical or even very similar, in order for them to be demand-side substitutes. Indeed, it is possible for products with different physical characteristics to be seen as sufficiently substitutable by customers for them to be legitimately regarded as demand-side substitutes. For this reason, defining relevant markets solely with reference to physical characteristics will often lead to markets defined too narrowly.“ Office of Fair Trading (2001), 8. 55 „Products constitute a bundle of characteristics, including price and quality. Higher priced, higher quality products often are close substitutes for lower quality, lower priced goods, the quality differences just making up for the differences in price.“ Simons/Williams (1993), 854. 56