Daniel Zimmer

Kartellrecht und Ökonomie


Скачать книгу

Fusion von Unternehmen, die zwar Produkte herstellen, die im gleichen relevanten Markt sind, aber nur entfernte Substitute bilden, selbst bei gleichen Marktanteilen keine großen Konsequenzen für den Wettbewerb haben.101 Das grundlegende Problem bei der Abgrenzung eines relevanten Marktes mit differenzierten Gütern besteht darin, dass Produkte entweder zum relevanten Markt gehören oder nicht. Anders ausgedrückt, durch dieses „binäre“ Vorgehen wird unterstellt, dass alle Produkte im relevanten Markt vollkommene Substitute sind, während zu den Produkten außerhalb des relevanten Marktes keinerlei Substitutionsbeziehung besteht. Dadurch wird der Einfluss von Produkten im relevanten Markt überschätzt und der von Produkten außerhalb des relevanten Marktes unterschätzt. Bei der Abgrenzung des relevanten Marktes wird der Wettbewerbsdruck, den ein Produkt auf die anderen ausübt, durch den Marktanteil erfasst und nicht durch die Intensität des Wettbewerbs.102

      Aufgrund der Tatsache, dass es zum einen problematisch ist, im Falle differenzierter Güter einen relevanten Markt sinnvoll abzugrenzen und zum anderen, dass zwischen den Marktanteilen der Produkte und der Enge der Substitutionsbeziehungen bzw. der Intensität des Wettbewerbs zwischen den Produkten kein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wie man die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf das Marktergebnis erfassen kann, ohne erst eine Abgrenzung des relevanten Marktes vornehmen zu müssen. Dabei handelt sich sich um so genannte Indikatoren des Preissteigerungsdrucks (pricing pressure indices), wie den „Upward Pricing Pressure“ (UPP) oder den „Gross Upward Pricing Pressure Index“ (GUPPI). Diese Indikatoren haben jedoch nicht das Zweck, den relevanten Markt abzugrenzen, sondern sollen Aussagen über die möglichen Auswirkungen einer Fusion auf das Marktergebnis ermöglichen, sodass bereits in einer frühen Phase der Untersuchung eine Wettbewerbsbehörde entscheiden kann, ob sie die Fusion einer näheren Prüfung unterziehen sollte, ohne dass vorher eine komplexe und zeitaufwendige Marktabgrenzung erforderlich wäre. Diese Konzepte werden im Kontext der Analyse der Auswirkungen eines Zusammenschlusses im Dritten Teil, C.IV.2 im Detail besprochen.

      Bei der Abgrenzung des relevanten Marktes sollte jedoch nicht entscheidend sein, welche Vertriebswege für ein Produkt Verwendung finden, um unterschiedliche relevante Märkte abzugrenzen. Konzeptionell ist auch bei der Frage, ob Online- und Offline-Angebote dem gleichen relevanten Markt zugeordnet werden sollten, der Ansatz des hypothetischen Monopolistentests aus ökonomischer Sicht die sinnvollste Vorgehensweise: Würde ein gewinnmaximierender Monopolist die Preise für die Produkte, z.B. im Online-Markt, erhöhen und dies ein Substitutionsverhalten der Abnehmer auslösen, so würde dies eine solche Preiserhöhung unprofitabel machen.