einem Rammbock erklangen.
»Ein hervorragender Plan«, stöhnte Sedain und brach den Pfeil ab, der ihm in der Schulter steckte.
»Danke Leodinis«, sagte Kraeh, auf gleiche Weise mit einem Pfeil in seinem Oberschenkel verfahrend, »aber das Beste kommt jetzt.« Keuchend richtete er sich auf. Kein Wort der Klage kam über die Lippen des Dutzends grimmig dreinblickender Krieger. Sie warteten still, einige mit bloßen Händen damit beschäftigt, die Blutungen ihrer Wunden zu stoppen. »Holt das Öl. Und ihr« Kraeh deutete auf die wenigen Unverletzten, »sucht einen Weg, der uns hier herausbringt.«
Obwohl nur vier Wagenladungen zur Verfügung standen und einige der Tonamphoren in Scherben lagen, würde es ausreichen, dachte Kraeh. Als einer der Krieger Kraehs Schwert fand und es ihm reichte, nickte er erleichtert. Es war ein Geschenk Brans, ein gut geschmiedeter Anderthalbhänder, bestens ausbalanciert und mit einem für seine Länge außergewöhnlich geringen Gewicht.
Die hölzernen Wände und Balken wurden mit dem Öl übergossen, während es im Takt gegen die Tür donnerte. Nicht mehr lange und die Barrikade würde nachgeben, schon flogen Späne und Splitter umher, Pferde wieherten in ihren Boxen und bäumten sich auf.
Da hatte Sedain einen Einfall. Er riss ein Stück Stoff von seinem Umhang und tränkte es in der Flüssigkeit, deren Geruch den Raum schwängerte. Eilig knotete er den Fetzen um einen aufgelegten Bolzen. Er suchte einen Spalt in der Wand, entzündete den Stoff mit einem Feuerstein und schoss auf eine Lache, die sich unter einem der Wagen im Innenhof gebildet hatte. Die Soldaten ließen von der Tür ab, als sich der Wagen zischend in Brand setzte.
Kurze Zeit später kamen die, die Kraeh ausgeschickt hatte, zurück. »Weiter hinten gibt es eine Treppe, die ins Innere der Mauer zu führen scheint.«
»Also los«, sagte Kraeh, »bevor die Narren da draußen auf die gleiche Idee kommen.« Blut rann ihm von seinem Streifschuss den Hals hinab. Er wartete, bis Sedain, den zwei Männer stützen mussten, an ihm vorbei war, und holte Zunderbüchse und Feuerstein aus einer Tasche. Als der Zunder brannte, ließ er ihn fallen. Ohne sich umzuschauen, rannte er, ungeachtet der Schmerzen in seinem Bein, den anderen hinterher. Hitze breitete sich hinter ihnen aus, als sie die Treppe hinter sich hatten und in einen engen Gang einbogen. Wegen der niedrigen Decke mussten sie geduckt laufen. Wo Sedain die Wände streifte, hinterließ er Blutspuren.
Beißender Rauch fraß sich in ihre Lungen. Schließlich erreichten sie mehr tot als lebendig eine eisenbeschlagene Tür. Gegen seine Gewohnheit dankte Kraeh den Göttern, dass sich die Tür als unverriegelt erwies. Er hatte jedoch nicht viel Zeit dafür, denn in dem engen Raum wurden sie von drei Männern erwartet, die sofort zu ihren Waffen griffen. Bis Kraeh über die Schwelle trat, war die Besatzung ebenso wie ein weiterer seiner Kämpfer bereits in die nächste Welt befördert worden.
Er schloss die Tür hinter sich, schob den Riegel vor und machte sich unverzüglich an dem Seilzug zu schaffen. Mit vereinten Kräften gelang es den Überlebenden schließlich, das schwere Fallgitter ächzend hochzuziehen.
Sedain war zu schwach, um ihnen zu helfen. Er lehnte an einer Wand und sah durch eine Schießscharte. »Sie kommen«, brachte er schmerzverzerrt hervor.
Das gerodete Land vor der Feste war auf einmal in hektischer Bewegung. Die Feuersbrunst hatte bereits die oberen Wehrgänge erreicht und arbeitete sich nun an der Balustrade des großen Turms hoch. Die Flammen, die an allem, was ihnen als Nahrung diente, leckten, spiegelten sich in den Waffen und Rüstungen der kleinen Armee, die aus den Wäldern auf die Ebene sprengte. An ihrer Spitze ritten Berbast und Maet. Zum ersten Mal war Kraeh erfreut über den Anblick des verschlagenen Nachbarfürsten, der offensichtlich Wort gehalten hatte.
Vereinzelte Pfeile durchschnitten die Luft, doch sie konnten den Angriff nicht mehr aufhalten. In dem Augenblick, da Berbasts Streitross unter ihnen hindurchdonnerte, traten Kraeh und seine verbleibenden Männer die Tür zu den Zinnen auf und das Schlachten begann.
Kurze Zeit später war die Wutach in Blut und Feuer gefallen.
***
Zur gleichen Zeit, viele Tagesmärsche südwestlich, saß Rhoderik, ein in die Jahre gekommener Krieger, an einem Teich. Gedankenverloren starrte er ins trübe Wasser und wieder einmal erschrak er über das Grau an seinen Schläfen. Der Teich war angelegt, ebenso wie der zu dieser Jahreszeit wenig erfreuliche Rosengarten um ihn herum. Er befand sich in Triberkh, seit Gründung des Reiches der Sitz der Könige. All die letzten Jahre hatte er sich gewünscht, noch einmal für seinen König Gunther in die Schlacht zu ziehen, und jetzt, da die Zeit gekommen schien, spürte er die Müdigkeit in seinen Knochen. Den ganzen Vormittag hatte er mit Schwertübungen verbracht und war erschrocken gewesen, wie viel an Kraft und Schnelligkeit er eingebüßt hatte.
Seine Aufgabe war es, die zwei jüngsten Kinder Gunthers zu beschützen. Eine Ehre, wie der König dem alten Freund stets beteuerte, doch die Kriege waren weit entfernt, und es hatte keine Gefahr bestanden, vor der er Heikhe und den kleinen Gunther hätte bewahren müssen. Über Nacht hatte sich das geändert. Oder war es nur die Fantasterei eines alten Mannes, geboren aus Erinnerungen an bewegtere und ruhmreichere Tage?
Nein. Die Stimme, die letzte Nacht im Traum zu ihm gesprochen hatte, war real gewesen. Er war nicht alt, sondern erfahren und sein König brauchte ihn, disziplinierte er sich. Er verkrampfte die Rechte zur Faust und begutachtete die weiß hervortretenden Knöchel.
Im Stillen verabschiedete er sich von dem Garten, in dem er so viele ruhige Tage verbracht hatte, und machte sich auf den Weg in seine Kammer. Die Zeit drängte.
Seine Miene war eisern, als er Orgflaed gürtete, was in der Sprache der Godi Orktod bedeutete. Unter Protest hatte er die breite Klinge von Gunther angenommen, mit dem Versprechen, sie einst jenem seiner Söhne zu geben, der König werden würde. Es kostete ihn Mühe, die Riemen seines Lederharnisches festzuziehen. Wenn die Frau in seinem Traum recht behielt, würde er seinen Freund und König niemals wiedersehen. Er verbot sich jedes Gefühl der Trauer, während er, schon im Gehen, einen abgetragenen Umhang überwarf.
Er packte Tasche und Rucksack, die er bereits nach der Mittagsmahlzeit mit Proviant und einigen anderen nützlichen Dingen gefüllt hatte, und machte sich auf zu den Gemächern seiner Schützlinge.
Die langen Gänge hindurcheilend überlegte er sich erneut, die Bediensteten und Krieger in der Burg zu warnen, schüttelte den Gedanken jedoch ab. Wer würde ihm Glauben schenken? Es würde zu nichts als Witzeleien über die Geilheit eines einsamen Mannes führen, dem eine halb nackte Frau im Traum erschienen war.
In der Kammer angekommen, fand er die Kinder schlafend vor. Er lud den gerade mal sieben Sommer alten Knaben auf die Schulter, wovon die vier Jahre ältere Schwester erwachte. Die Augen weit aufgerissen, legte sie ohne Fragen ihre zierliche Hand in die entgegengestreckte des alten Kriegers.
Wortlos huschten sie durch den beim Bau der Burg angelegten Fluchttunnel. An seinem Ende schob Rhoderik einen Busch beiseite.
»Mir ist kalt«, greinte Heikhe, deren bloße Füße über den Waldboden tapsten. Über ihnen war Hufgetrappel zu hören. Hektisch kramte er zwei Wolldecken aus den Halterungen des Rucksacks. Auch Gunther war erwacht und hatte zu weinen begonnen. Doch sein Klagen ging unter in Kampfeslärm und Schmerzensschreien. Nachdem er die Kinder in die Decken gewickelt hatte, wies er sie an, sich festzuhalten. Den Knaben auf den Schultern, das Mädchen vor der Brust trugen seine schweren Beine sie in den dunklen Wald.
»Wohin gehen wir?«, wollte Heikhe ängstlich wissen, wobei sich ihre Fingernägel in den Stiernacken ihres Entführers gruben.
»An den Rhein. Dort werden wir einen Mann zu jung für sein weißes Haar finden«, wiederholte Rhoderik die Prophezeiung aus seinem Traum.
***
Hinter dem Thronsaal Brisaks befand sich ein Beratungsraum. Das einzige Möbelstück war ein Tisch mit vier Stühlen. Die übermannshohen Fenster tauchten die Wandmalereien neben und über der schmalen Tür in das dunkle Rot der Abendsonne. Beinahe schienen die Fabelwesen aus den Jagdszenen zum Leben zu erwachen. Bran stand vor den Bildern, seine Fürstenkrone lag schwerer als sonst in seiner