Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen
Rn. 68f.; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 29, 54. 129 Die Komplexität als „typisches beschreibendes Merkmal“ des Industrieanlagenbaus beschreibend und auf die „starke, z.T. nicht offensichtliche Vernetzung (vielfältige, wechselseitige Abhängigkeiten im System sowie mit der Umwelt)“ rückführend: Gutmannsthal-Krizanits, Risikomanagement von Anlagenprojekten, S. 23/24. Es wird in diesem Zusammenhang auch allgemein von „Spezifikationen“/“Pflichtenheften“ gesprochen, welche die Schnittstellen zwischen den Teilleistungen zum Gesamtprojekt beinhalten, vgl. Malkwitz et al., Projektmanagement im Anlagenbau, S. 6; zur Relevanz von Spezifikationen vor dem Hintergrund branchenüblicher Haftungsbeschränkungen: Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (428). 130 Vgl. auch Graf v. Westphalen, BB 2002, S. 209ff. (209). Eine Einschränkung der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden, wie MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 120 diskutiert, lässt sich somit gerade nicht erkennen. 131 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 52.
B. Gesetzliche Haftungsbegrenzungen und -ausschlüsse
Unabhängig von den zuvor genannten dogmatischen Schranken existieren gesetzliche und gesetzlich tolerierte Haftungsprivilegien, welche den Grundsatz der unbeschränkten Haftung aufweichen. Beispielhaft sind folgende Konzepte zu erläutern:
I. Gesetzliche Haftungsbeschränkung, insbes. im Bereich der Gefährdungshaftung
So begrenzt der Gesetzgeber zum Beispiel132 die Ansprüche wegen Folgeschäden in Sinne von Personenschäden gem. Produkthaftungsgesetz im B2C-Bereich auf eine Gesamtsumme i.H.v. 85 Millionen EUR (§ 10 Abs. 1 ProdHaftG) – wobei natürlich anzumerken ist, dass neben dieser Anspruchsgrundlage weiterhin der Weg für unbeschränkte Schadensersatzansprüche z.B. nach § 823 BGB offen bleibt133. Bei einer Berufung auf die Beweiserleichterungen des Produkthaftungsgesetzes134 werden Ansprüche somit gesetzlich gedeckelt. Auf den ersten Blick scheint dies der Preis dafür zu sein, dass der Verbraucher ein Verschulden des Herstellers (entgegen zu den Vorgaben des § 823 BGB) nicht zu beweisen hat und somit eine Beweiserleichterung erfährt. Begründet wird dies offiziell mit der deutschen Rechtstradition, bei verschuldensunabhängiger Gefährdungshaftung eine Deckelung vorzusehen.135
Nur am Rande erwähnt sei, dass der Gesetzgeber in bestimmten Konstellationen auch im Rahmen des Verschuldensmaßstabs von dem Prinzip der Haftung für jegliches Verschulden abweicht136: Für den B2B-Bereich könnte u.a. der Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit zu Gunsten des Schuldners bei Annahmeverzug des Gläubigers (§ 300 Abs. 1 BGB) relevant sein.
II. Gesetzlich tolerierte vertragliche Haftungsbeschränkung
Darüber hinaus gewährt der Gesetzgeber bzw. auch die Rechtsprechung vertragliche Haftungsprivilegien an Stellen, an denen man es auf Grund der hier besprochenen Thematik eher nicht vermuten würde:
Hervorzuheben sind hier insbesondere die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (kurz ADSp)137. Bei den ADSp handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche von diversen Wirtschaftsverbänden (DIHK, BDI, BGA und HDE) und dem Bundesverband Spedition und Logistik (mittlerweile umbenannt in Deutscher Speditions- und Logistik-Verband) ausgehandelt wurden138. Die Anwendung im B2B-Bereich ist gesetzlich nicht verpflichtend, wird von Branchenverbänden aber empfohlen, weshalb den ADSp eine „überragende praktische Bedeutung“139 zugeschrieben wird. Die Einbeziehungserfordernisse richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wobei infolge der Branchenüblichkeit von einer erleichterten stillschweigenden Einbeziehung auszugehen ist140. Gegenüber Verbrauchern erlangen die ADSp keine Rechtskraft (Ziffer 2.4 ADSp). Kennzeichnend ist, dass konkrete, oft gewichtsabhängige Haftungshöchstgrenzen im Sinne eines Wertersatzes für Schadensersatzansprüche aus Schäden im Fracht-, Speditions- und Lagergeschäft vereinbart sind (vgl. Ziffer 22, 23 ADSp), ergänzt um absolute Haftungshöchstgrenzen von 1,25 Mio. EUR je Anspruch bzw. 2,5 Mio. EUR je Schadensereignis141 (vgl. Ziffer 23.3.3, 23.5 ADSp). Die Haftung für diesbezügliche Vermögensschäden (auch Folgeschäden) wird hierdurch ersetzt, was auch durch eine erschwerte Versicherbarkeit begründet wird142. Eine Durchbrechung des Haftungsausschlusses ist (hauptsächlich) im Fall von qualifiziertem Verschulden (Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) oder der Verletzung vertragswesentlicher (Kardinal-)Pflichten (Ziffer 27.1 ADSp) denkbar143. Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung – auch „Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz“144 genannt – ist auch hier die Eindeckung mit einer marktüblichen Haftpflichtversicherung (Ziffer 28.3 ADSp), welche die dem Geschädigten nach den ADSp zustehenden Ansprüche abdeckt145. Erfolgt diese „Bonitätssicherung“ (d.h. versicherungsrechtliche Absicherung der Anspruchsrealisierung) nicht, so entfällt das Recht zur Berufung auf die Haftungsklauseln der ADSp146. Selbstbehalte von rd. 10 % sowie ein Ausschluss der Deckung für grobe Fahrlässigkeit gelten dabei als marktüblich und sind nicht zu beanstanden147. Die von der Rechtsprechung im Rahmen der AGB-Kontrolle gewährte Bevorzugung besteht darin, dass die ADSp als „ein von allen beteiligten Kreisen ausgehandeltes Gesamtgefüge“148 gewertet wird, dessen einzelne Klauseln nicht separat, sondern nur in einer Gesamtwertung betrachtet werden dürfen149. Der BGH (Urt. v. 03.11.1994 – I ZR 100/92) hat infolgedessen konkret am Beispiel der Haftungsbeschränkung die Rechtmäßigkeit besonders betont:
„b) An der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist festzuhalten. Die Haftungsbeschränkung nach den ADSp weicht zwar vom Leitbild der Haftung nach den dispositiven Bestimmungen des § 417 I und des § 390 Absatz I HGB dadurch ab, daß anstelle der dort vorgesehenen vollen Haftung ohne Verschuldensnachweis, jedoch mit der Möglichkeit des Entlastungsbeweises, eine hinsichtlich des Verschuldens und der Entlastungsmöglichkeit differenzierte Regelung tritt, wobei eine darüber hinausgehende Haftung gegen besondere Vergütung vereinbart werden kann (§ 51 lit. c ADSp) und ferner bestimmte Haftungshöchstgrenzen vorgesehen sind. Gleichwohl hat der BGH in der vorerwähnten Bestimmung keine den Vertragspartner (Auftraggeber) unangemessen benachteiligende Regelung (§ 9 Absatz I AGBG) gesehen. Die ADSp sind zwar Allgemeine Geschäftsbedingungen. AGB, die – wie es dem Regelfall entspricht – einseitig aufgestellt werden, können sie aber nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Bei ihnen ist die Besonderheit zu berücksichtigen, daß sie unter Mitwirkung aller beteiligten Wirtschaftskreise zustande gekommen sind. Sie haben seit nunmehr über 50 Jahren weitgehende Anerkennung bei allen beteiligten Verkehrskreisen gefunden und sind zu einer “allgemein geregelten Vertragsordnung”, zu einer umfassenden “fertig bereitliegenden Rechtsordnung” geworden. Das enthebt sie zwar nicht dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes, führt aber dazu, auch bei Beanstandungen nur einer bestimmten einzelnen Klausel – hier der Haftungshöchstgrenze nach § 54 lit. a Nr. 2 ADSp – den jeweiligen Normzweck in der Gesamtheit der Regelung zu berücksichtigen. Es bedarf also einer umfassenden Würdigung des gesamten, dem Haftungs- und Versicherungssystem der ADSp zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sachverhalts. Die einzelne Klausel kann nicht isoliert am Gerechtigkeitsgehalt einer einzelnen Norm des dispositiven Rechts gemessen werden; vielmehr ist die beiderseitige Interessenlage im Zusammenhang mit dem Gesamtgefüge der ADSp zu werten. Wird hiervon ausgegangen, so kann bei dem ineinandergreifenden und aufeinander abgestimmten Haftungssystem der ADSp mit Haftungsbeschränkungen und Beweiserleichterungen auf der einen Seite, angepaßten Vergütungen, Versicherungsbedingungen und Versicherungsprämien auf der anderen Seite nicht ohne weiteres eine Inkongruenz und unangemessene Benachteiligung der verladenden Wirtschaft angenommen werden. Der BGH hat daher bisher keine Veranlassung gesehen, an der Rechtswirksamkeit der vorerwähnten Haftungsbeschränkung zu zweifeln (BGH, NJW 1982, NJW Jahr 1982 Seite 1820 = LM § 54 ADSp Nr. 4 = TranspR 1982, 77 (78f.) = VersR 1982, VERSR Jahr 1982 Seite 486 (VERSR Jahr 1982 Seite 488)).“
Die ADSp werden dabei nicht als Individualvereinbarung gewertet, sondern nur im Rahmen der Angemessenheitsprüfung privilegiert150. Zu den dabei zu berücksichtigenden Wertungen wurde u.a. in BGH, Urt. v. 09.10.1981 – I ZR 188/79, ausgeführt:
„Gleichwohl