werden (z.B. Eigentum des A, Recht zum Besitz des B). Selbst innerhalb der einzelnen Tatbestandsmerkmale sind nochmalige Untergliederungen möglich (z.B. Eigentumserwerb des A, Gutgläubiger Eigentumserwerb des B). Eine allzu feinteilige Auffächerung der einzelnen Diskussionspunkte ist allerdings aus Gründen der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit zu vermeiden. Eine noch feingliedrigere Auffächerung als in nachfolgendem Ausschnitt aus der Musterhausarbeit wird nur selten benötigt:
1 Ansprüche K gegen VAnspruch auf Übereignung des Bienenvolkes aus § 433 Abs. 1 BGBAnspruch entstandenAnspruch erloschen: UnmöglichkeitErgebnisSchadensersatz wegen Unmöglichkeit (§§ 280, 283 BGB)SchuldverhältnisBefreiung von der LeistungspflichtVertretenmüssenErgebnisAnspruch auf Ersatzherausgabe (§§ 285, 963 BGB)SchuldverhältnisBefreiung von der Leistungspflicht (§ 275 BGB)Erlangung eines Ersatzes oder ErsatzanspruchsKausalitätIdentität oder KongruenzRechtsfolge
2 Ansprüche V gegen KAnspruch auf Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB)KaufvertragUnmöglichkeit der Leistung, §§ 275, 326 BGBErgebnis
3 Anspruch K gegen I gem. § 749 Abs. 1 BGBGemeinschaftTeilung in Natur, § 752 BGBTeilung durch Verkauf, § 753 BGBErgebnis
|39|Abb. 4: Auszugsweise Auffächerung der Diskussionspunkte aus der Musterhausarbeit
In jedem Fall untersagt ist eine Überschriftenbildung im Sinne von „Obersatz“, „Definition“ und „Subsumtion“.[138] Bei dieser Abfolge von Prüfungspunkten handelt es sich gerade nicht um Gliederungspunkte einer Falllösung, sondern um die universelle methodische Mikrostruktur eines jeden juristischen Gutachtens (dazu unten § 6 II.). Die juristische Methodik dient insoweit einer konsistenten und nachvollziehbaren Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen und sichert für die Falllösung im Gutachten aber auch und insbesondere in der Rechtsanwendung ein hohes Maß an Nachprüfbarkeit. Nur bei nachprüfbaren Methoden kann im Nachgang eine Richtigkeitskontrolle stattfinden; dies gilt für die juristische Prüfung ebenso wie für die Kontrolle durch höhere Instanzen. Als Quintessenz der juristischen Prüfung und Rechtsanwendungsmethoden bleibt die Abfolge von Obersatz, Definition und Subsumtion zwingend unerwähnt. Eine Übernahme in die Überschriften würde zu unsinniger Wiederholung des immer wieder gleichen Prüfungsablaufs führen.
b) Sachverhalt und Fallfrage
Das für eine juristische Hausarbeit zu erstellende Gutachten muss von der gestellten Fallfrage oder den gestellten Fallfragen ausgehen. Eine Erörterung von Fragen, die von der Aufgabenstellung nicht umfasst sind, ist zu unterlassen. Typischerweise ist die Fallfrage einer juristischen Hausarbeit auf das Bestehen von Ansprüchen (vgl. § 194 BGB) der Beteiligten gerichtet. Die Aufgabenstellung kann auf konkrete Ansprüche oder Anspruchsgruppen gerichtet sein. Konkret könnte es z.B. im Einstiegsfall um folgende Frage gehen:
Kann K von V die Übergabe und Übereignung des Bienenvolkes verlangen?
Eine Fallfrage kann zudem schlicht auf die „Rechtslage“ ausgerichtet sein. In diesem Fall sind die denkbaren und nach der Fallgestaltung sinnvollen Kombinationen an „Anspruchspaarungen“ zu prüfen. Das bedeutet, dass zwar grundsätzlich alle denkbaren Konstellationen von Ansprüchen zwischen den Beteiligten zu prüfen sind. Allerdings ist eine sinnvolle Abgrenzung zwischen relevanten und irrelevanten Rechtsbeziehungen vorzunehmen. Diese Abgrenzung ergibt sich sowohl aus den Sachverhaltsangaben als auch aus dem Ergebnis einer hypothetischen Prüfung des jeweiligen Anspruchs. Das bedeutet, dass einige Ansprüche zwar bei der Falllösung geprüft |40|werden, sie aber in der Endfassung des Gutachtens nicht auftauchen, weil sie irrelevant sind. Das kann z.B. der Fall sein, wenn ein Anspruch offensichtlich nicht besteht.
In der Konstellation des Eingangsfalles etwa wäre es unnötig, einen Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gem. § 826 BGB auch nur anzusprechen. Ein solcher Anspruch scheidet offensichtlich sowohl mangels Vorsatzes als auch mangels Sittenwidrigkeit aus.
Besondere Formen einer Fallfrage bleiben hinter einer Anspruchsprüfung zurück. Dies ist der Fall, wenn ein Rechtsstatus geklärt werden soll. So kann z.B. nach der dinglichen Rechtslage gefragt werden („Wer ist Eigentümer?“).[139] Ebenso können Handlungsoptionen der Beteiligten thematisiert werden.
Im Eingangsfall haben sich die Bienenschwärme vereinigt. Dadurch sind I und zunächst V gem. § 963 BGB zu gleichen Teilen Miteigentümer gem. § 741 BGB an dem großen Schwarm geworden. Die Übergabe und Übereignung eines eigenen Schwarms an K ist unmöglich geworden. K könnte daraufhin den Rücktritt erklären. Er könnte aber auch seinen Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsanteils, dem sog. stellvertretenden commodum gem. § 285 BGB, geltend machen. Sobald V dem K seinen Miteigentumsanteil übertragen hat, hat dieser weiterhin die Option, gegenüber I die Auflösung der Gemeinschaft gem. §§ 749, 753 BGB zu verlangen.
c) Struktur der Anspruchsprüfung („Wer will was von wem woraus?“)
Die Methode der Anspruchsprüfung wird regelmäßig in der Faustformel „Wer will was von wem woraus?“ formuliert.[140] Aus diesem Merksatz lässt sich – für jede Konstellation wiederholend – eine eingängige Struktur der Fallprüfung formulieren. Zunächst stellt sich die Frage nach dem Anspruchsinhaber und dem oder den Anspruchsverpflichteten. Dabei ist stets in Zwei-Personen-Verhältnissen zu prüfen („wer“ von „wem“).
Kann (Wer?) K (Von wem?) von V (Was?) die Übergabe und Übereignung des Bienenvolkes (Woraus?) aus dem Kaufvertrag aus Oktober 2014 verlangen?
Oder in einen Obersatz umgewandelt:
|41|K könnte gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Bienenvolkes aus dem Kaufvertrag gem. § 433 I 1 BGB haben.
Innerhalb des jeweiligen Zwei-Personen-Verhältnisses ist nach dem Anspruchsziel (dem „Was“) zu fragen. Auch das Anspruchsziel ergibt sich unmittelbar aus dem Sachverhalt. Typische Anspruchsziele sind etwa die Kaufpreiszahlung, die Herausgabe einer Sache oder die Übereignung und Übergabe einer gekauften Sache. Ebenso kann es um Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz gehen.
Die Frage nach dem „Woraus“ richtet sich auf die Grundlage des jeweiligen Anspruchsziels. Hier ist diejenige Rechtsvorschrift aufzufinden, die dem Anspruchsteller das erwünschte Ziel vermittelt. Je nach Fallkonstellation können auch mehrere Anspruchsgrundlagen für das gleiche Anspruchsziel bestehen. Dies ist häufig bei Ansprüchen auf Zahlung von Schadensersatz der Fall. Hier können sowohl vertragliche als auch außervertragliche, insbesondere deliktische Anspruchsgrundlagen zur Anwendung kommen.
Das Auffinden der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen bildet häufig die wesentliche Hürde bei der Bearbeitung von juristischen Hausarbeiten. Zwar sind Gesetzgeber in Zivilrechtsjurisdiktionen – auch und vor allem in Deutschland – seit jeher bemüht, die Rechtsnormen innerhalb einzelner Gesetze systematisch zu ordnen. Dies erleichtert das Auffinden der relevanten Anspruchsgrundlagen erheblich. Je nach Fallfrage kann die in Betracht kommende Rechtsnorm auch evident sein. Ist dies nicht der Fall, gilt es, sich an den einschlägigen Katalog von Normen „heranzufragen“:[141]
a) Stehen dem K gegen V Ansprüche aus dem Kaufvertrag zu?
In diesem Fall erschöpfen sich die möglichen Anspruchsnormen in den Vorschriften der §§ 433ff. BGB. Also in erster Linie Übergabe und Übereignung der Kaufsache (Bienenvolk) aus § 433 I 1 BGB. Nachrangig sekundäre Ansprüche wie etwa Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 437ff. BGB.
b) Wie ist die Rechtslage?
In diesem Fall sind wie bei a) zunächst die spezielleren Ansprüche aus dem Kaufvertrag zu prüfen. Da die Aufgabenstellung hier weiter gefasst ist, erschöpft sich die Prüfung allerdings insoweit nicht. Zu prüfen ist zudem etwa der Anspruch auf Herausgabe des Ersatzes gem. § 285 BGB oder deliktische Ansprüche wie etwa aus § 823 BGB oder § 826 BGB. Auch wenn diese letztlich nicht im Gutachten auftauchen, müssen sie zumindest gedanklich geprüft werden.
|42|d) Rangfolge und Verhältnis der Anspruchsgrundlagen