Thomas Rauscher

Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht


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12 Genfer Flüchtlingskonvention ohne eigene Flüchtlingseigenschaft des Kindes, das bei Flüchtlingsstatus beider Eltern angenommen wird,[18] kommt hier nicht mehr in Betracht; der Vater John hatte seinen Flüchtlingsstatus verloren.

      c) Kein abgeleitetes Personalstatut bei Staatenlosigkeit

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      Ein abgeleiteter Erwerb eines deutschen Personalstatuts von einem sich in Deutschland aufhaltenden staatenlosen Elternteil kommt hingegen generell nicht in Betracht. Entweder ist das Kind selbst staatenlos, unterfällt also selbstständig Art. 5 Abs. 2 EGBGB oder es erwirbt eine Staatsangehörigkeit iure soli im Geburtsland oder iure sanguinis vom anderen Elternteil.

      d) Vietnamesische Staatsangehörigkeit

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      Frank hat auch bei Geburt außerhalb Vietnams die vietnamesische Staatsangehörigkeit seines Vaters nach dem im Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Art. 6 Abs. 2 des vietnamesischen Staatsbürgerschaftsgesetzes erworben, weil seine Mutter in diesem Zeitpunkt staatenlos war (MAT l). Art. 10 Abs. 1 EGBGB verweist in vietnamesisches Recht, das die Verweisung annimmt (MAT m).

      Dieses Namensstatut ist seit Geburt von Frank unverändert.

      2. Einfluss des Ehenamensstatuts

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      Die Wahl des Ehenamensstatuts durch die Ehegatten erstreckt sich nicht auf das gemeinsame Kind. Dies folgt aus der jeweils getrennten Regelung in Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 EGBGB.

      3. Wahl des Kindesnamensstatuts

      a) Art. 10 Abs. 3 EGBGB intertemporal anwendbar

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      Eine Wahl deutschen Rechts als Kindesnamensstatut nach Art. 10 Abs. 3 Nr 1 EGBGB (deutsches Heimatrecht der Mutter) oder Nr 2 (deutscher gewöhnlicher Aufenthalt beider Elternteile) setzt voraus, dass Art. 10 Abs. 3 EGBGB intertemporal anwendbar ist. Art. 10 Abs. 3 EGBGB ist am 1.7.1998 in Kraft getreten. Fraglich ist, ob die Bestimmung intertemporal auch für vorher geborene Kinder gilt. Hierfür könnte Art. 224 § 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB, die intertemporale Kollisionsnorm zum Inkrafttreten der namensrechtlichen Bestimmungen des KindRG, sprechen. Danach behält das vor dem 1.7.1998 geborene Kind seinen Geburtsnamen. Diese Übergangsregelung bezieht sich jedoch nur auf die neuen Regelungen im materiellen deutschen Kindesnamensrecht und soll klarstellen, dass ein früher geborenes Kind nur in den von Art. 224 § 3 Abs. 2 bis 6 EGBGB geregelten Fällen einen neuen Geburtsnamen nach deutschem Recht erhalten kann.

      b) § 1617c Abs. 1 BGB analog

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      Hingegen eröffnet Art. 10 Abs. 3 EGBGB eine Namensstatutwahl, die so umfassend bis zum 30.6.1998 für „eheliche“ Kinder nicht bestand (Art. 10 Abs. 5 aF EGBGB, vgl MAT b). Da zudem Art. 10 Abs. 3 EGBGB auf die Befristung in Art. 10 Abs. 5 aF EGBGB („vor der Beurkundung der Geburt“) verzichtet, wird deutlich, dass eine Namensstatutwahl nun nicht mehr daran scheitert, dass das Kind bereits einen Geburtsnamen hat. Die Wahl deutschen Rechts als Namensstatut ist also auch für den vor dem 1.7.1998 geborenen Frank möglich.

      Problematisch ist dabei allerdings, dass Art. 10 Abs. 3 EGBGB nicht auf § 1617c BGB verweist. Durch die unbefristet zulässige Namensstatutwahl kann es zu einer Änderung des Geburtsnamens auch bei über 5-jährigen Kindern kommen. Wegen der erheblichen Betroffenheit des Persönlichkeitsrechts des Kindes bedarf es nach dem Rechtsgedanken aus § 1617c Abs. 1 BGB dessen Zustimmung auch bei Art. 10 Abs. 3 EGBGB, wenn das Kind im Zeitpunkt der Rechtswahl das 5. Lebensjahr vollendet hat.

      Die Wahl kann der Inhaber der elterlichen Sorge treffen; wer dies ist, bestimmt sich als Vorfrage nach dem von Art. 21 EGBGB berufenen Recht (nach Fragestellung vorliegend nicht zu prüfen).

      Ergebnis:

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      Der Sorgeberechtigte kann für Frank deutsches Recht als Namensstatut wählen.

      Anmerkungen

       [1]

      Das PStG idF. BGBl. III, Gliederungsnummer 211-1 ist zum 1.1.2009 außer Kraft getreten: Art. 5 Abs. 2 S. 2 Personenstandsrechtsreformgesetz vom 19.2.2007, BGBl. 2007 I 122; gleichzeitig ist das PStG neuer Fassung (Art. 1 Personenstandsrechtsreformgesetz) in Kraft getreten.

       [2]

      So der BGH in ständiger Rechtsprechung: BGH FamRZ 1997, 542, 543.

       [3]

      Jayme/Hausmann19 Nr 10.

       [4]

      Jayme/Hausmann19 Nr 11.

       [5]

      So BayObLGZ 1999, 27, 30; Einzelheiten BeckOK-BGB/Lorenz (1.5.2018) Art. 5 EGBGB Rn 27.

       [6]

      BGH NJW 1993, 2047, 2048 f.; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 324; OLG Hamm NJW 1990, 651; OLG Koblenz FamRZ 1990, 536; OLG Koblenz FamRZ 2016, 993.

       [7]

      Zum Aufbau: An dieser Stelle kann noch nicht auf die weitere Prüfung der alternativen Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut verzichtet werden, obgleich für beide individuellen Namensstatute ebenfalls auf italienisches Recht verwiesen ist. Die alternative Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut hat bei Prüfung der Gesamtverweisung ein eigenes Schicksal; es wird auch im fremden IPR die ehewirkungsrechtliche, nicht die namensrechtliche IPR-Norm angewendet. Anders wäre dies, wenn lediglich auf der Suche nach dem Namensstatut anknüpfungstechnisch die Anknüpfungssystematik der ehewirkungsrechtlichen Kollisionsnorm verwendet würde – wie dies zB Art. 15 EGBGB tut.

       [8]

      Das italienische Recht stellt – was hier nicht erheblich ist – anders als das deutsche Recht bei wechselnden Aufenthalten auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab und kennt, anders als das deutsche Recht (§ 7 Abs. 2 BGB), keinen mehrfachen Wohnsitz.

       [9]

      BGHZ 90, 129, 140; aA sowie eingehend zum Streitstand: BeckOK-BGB/Mäsch (1.11.2018) Art. 10 EGBGB Rn 11.

       [10]

      Eine Reihung des Vornamens nach dem Nachnamen ändert nicht die funktionale Definition, vgl umgangssprachlich in Bayern („der Huber Sepp“) oder offiziell in Ungarn („Liszt Ferenc Airport“).

       [11]

      BGH MDR 1966, 129; OLG Hamm FamRZ 1993, 111, 113; vgl auch BVerwG StAZ 1993, 219: freiwillige Rückkehr.

       [12]

      BayObLGZ 1999, 153, 158; BGH NJW-RR 2015, 321.