Aussichtsreicher Antrag nach dem anwendbaren Recht:
–Rom III-VO auf Antrag im Januar 2018 intertemporal anwendbar (+)
–Rechtswahl zu italienischem Recht statthaft (Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO) (+)
–Auch Rechtswahl vor Geltung der Rom III-VO wirksam, wenn Art. 6, 7 Rom III-VO gewahrt (+)
–Keine Wirksamkeitsbedenken (Art. 6 Rom III-VO iVm italienischem Recht) (+)
b)Form der Rechtswahl
–Schriftlichkeit nach Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO bei deutschem Ehevertrag gewahrt (+)
–Zusätzlich Form des Art. 46d Abs. 1 EGBGB erforderlich und durch Ehevertrag in Deutschland gewahrt (+)
3.Materiell aussichtsreicher Antrag
–Scheidungsantrag nach italienischem Recht (-) mangels gerichtlicher/gerichtlich bestätigter Trennung
–Einvernehmliche anwaltlich vermittelte Scheidung (-), da Marcello nicht zustimmen will
4.Internationale Zuständigkeit für Ehetrennung
–Art. 3 ff Brüssel IIa-VO
–sachlich auch Ehetrennung Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO
–ausschließlich, da Antragsgegner Italiener und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland (Art. 6 lit. a und b Brüssel IIa-VO)
–Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (+) Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 1 Brüssel IIa-VO
5.Ehetrennung vor deutschen Gerichten
–Im deutschen Verfahren nicht vorgesehen
–Anpassung des deutschen Verfahrensrechts, soweit ohne tiefgreifende Verwerfungen zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht möglich
–Ähnlichkeit Ehetrennung und Ehescheidung, §§ 121 ff FamFG geeignet
–Argument Brüssel IIa-VO: Rechtsverweigerung durch nach Art. 3 Brüssel IIa-VO zuständigen Mitgliedstaat vermeiden
6.Ehetrennungsstatut
–Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO: Rom III-VO auch auf Ehetrennung anzuwenden
–Auslegung der Rechtswahl: Italienisches Recht auch für Trennungsstatut
7.Ehetrennung im italienischen Recht Materielles italienisches Recht: Art. 151 cc (+) jahrelange Untreue von Marcello macht die Fortsetzung des Zusammenlebens unzumutbar
Ergebnis:Ein Ehescheidungsantrag kommt nach dem als Scheidungsstatut wirksam gewählten italienischen Recht nicht in Betracht. Deutsche Gerichte sind jedoch für einen Ehetrennungsantrag nach italienischem Recht international zuständig; der Ehetrennungsantrag ist auch begründet.
Anmerkungen
Nur vier der elf Amtsgerichte im Bezirk des Kammergerichts haben eine Abteilung für Familiensachen (Pankow/Weißensee, Köpenick, Tempelhof/Kreuzberg, Schöneberg); diese Problematik wird im Fall dadurch ausgeblendet, dass das AG – FamG – Köpenick als einziges nur für den eigenen Amtsgerichtsbezirk zuständig ist.
Lösung
Frage 1: Eheaufhebungsantrag, hilfsweise Scheidungsantrag der Frieda
I. Zuständigkeit deutscher Gerichte
1. Anwendbarkeit Brüssel IIa-VO
128
Anwendbar könnte die Brüssel IIa-VO (Verordnung (EG) Nr 2201/2003) sein, deren Regelungsgegenstand ua die gerichtliche Zuständigkeit (Art. 3 ff Brüssel IIa-VO) umfasst.
a) Intertemporale Anwendung
129
Intertemporal gilt die Brüssel IIa-VO, welche die Brüssel II-VO (Verordnung (EG) Nr 1347/2000) ersetzt, für gerichtliche Verfahren, die seit dem 1.3.2005 eingeleitet wurden (Art. 64 Abs. 1, 72 Brüssel IIa-VO); auf die Frage, ob auch für Zwecke der intertemporalen Anwendung die „Einleitung“ des Verfahrens nach Art. 16 Brüssel IIa-VO oder nach der lex fori zu beurteilen ist, kommt es nicht an, da der Antrag erst nach dem Stichtag eingereicht wurde. Damit ist die Brüssel IIa-VO jedenfalls zeitlich anwendbar.
b) Sachlicher Anwendungsbereich
130
Sachlich ist sie anzuwenden auf zivilgerichtliche Verfahren zur Ehescheidung, Ehetrennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung der Ehe (Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO). Der weite Begriff „Ungültigerklärung“ soll die verschiedenen in den Mitgliedstaaten existierenden Verfahren umfassen, die sich mit der Beseitigung der Ehe aufgrund von Eheschließungsmängeln befassen. Dazu gehört sowohl die deutsche Eheaufhebung (§§ 1313 ff BGB) als auch die italienische gerichtliche (!) Anfechtung nach Art. 117 cc (MAT g, h). Sachlich gilt die VO also für Haupt- und Hilfsantrag.
c) Räumlicher Anwendungsbereich
131
Der räumliche Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO ist im Gegensatz zu Art. 3, 4 Brüssel I-VO nicht klar komplementär zur lex fori geregelt. Hat der Antragsgegner/Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder ist Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, so sind die Zuständigkeiten der VO in anderen Mitgliedstaaten ausschließlich (Art. 6 letzter Hs. Brüssel IIa-VO). Ergibt sich aus Art. 3 bis 5 Brüssel IIa-VO keine Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat, kann subsidiär auf das innerstaatliche IZVR zurückgegriffen werden (Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO). Anders als unter der Brüssel I-VO kann sich aus der Brüssel IIa-VO also durchaus auch in Fällen, in denen der Beklagte keine Unionsbürgerschaft und keinen innergemeinschaftlichen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine Zuständigkeit ergeben. Fraglich ist dann nur, ob in anderen Mitgliedstaaten auch auf die lex fori eine internationale Scheidungszuständigkeit gestützt werden darf, was umstritten ist und vom EuGH nunmehr verneint wird.[1]
Liegen die Voraussetzungen des Art. 6 Brüssel IIa-VO vor, ist die VO nach allen Ansichten anzuwenden und deren Zuständigkeitsregeln verdrängen das nationale IZPR. Das ist hier der Fall: Der Antragsgegner ist italienischer Staatsangehöriger (Mitgliedstaat iSd Art. 2 Nr 3 Brüssel IIa-VO – EU ohne Dänemark); der Antrag ist in Deutschland, also einem anderen Mitgliedstaat, anhängig.
2. Internationale Zuständigkeit
132
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte müsste sich aus Art. 3 Brüssel IIa-VO ergeben; die dort genannten Anknüpfungskriterien sind alternativ.
a) Antragstellergerichtsstand im Heimatstaat
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Da der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat und auf den vorvorherigen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht abgestellt werden kann, weil beide Ehegatten zwischenzeitlich dort nicht mehr gelebt haben, kommt nur eine deutsche Zuständigkeit als forum actoris in Betracht. Da Frieda die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, genügt ein 6-monatiger gewöhnlicher Aufenthalt unmittelbar vor Antragstellung im Gerichtsstaat Deutschland (Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 6 Brüssel IIa-VO). Das liegt vor, denn Frieda lebt seit 1.2.2015 „auf Dauer“ in Berlin und kann als Erwachsene